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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Unternehmertums, bestehende Verstimmung darüber aus, daß unsre Sozialpolitik des
letzten Jahrzehnts immer nur einer Erweiterung der Rechte der Arbeiter gegolten
hat, ohne diesen Rechten die entsprechenden Pflichten gegen die Allgemeinheit
zur Seite zu stellen. In einem wohlorganisierten Staatswesen darf es kein Recht
ohne Pflicht geben. Übrigens hat kein geringerer als Graf Posadowsky das selbst
anerkannt, und auch Graf Bülow trug kein Bedenken, sein Bedauern über die
praktischen Konsequenzen dieses Zustandes, wie er im Krankenkassenwesen in ab¬
schreckender Weise zutage tritt, unumwunden auszusprechen. Der Mißbrauch, den
die Sozialdemokratie mit der Sozialreform treibt, indem sie alle Wohltaten ohne
jede Anerkennung für ihre agitatorischen Zwecke konfisziert und ausbeutet, hat
begreiflicherweise die Neigung zu weitern sozialreformerischen Maßnahmen in den
intelligenten und den wohlhabenden Kreisen sehr vermindert. Hoffentlich schafft der
"neue Unterbau," den Graf Posadowsky in Aussicht gestellt hat, mit der "Reform
der Sozialreform" zugleich die Grundlagen für einen gesunden weitern Ausbau.

Wenn die Weltgeschichte mehr Revolutionen "von oben" als "von unten"
zu verzeichnen hat, so kommt das wohl daher, daß einsichtige Staatskunst die
Revolution "von unten" durch Revolution "von oben" verhindert, ihr zuvorkommt
und damit die Fundamente des Stnatsgebäudes intakt erhält. Hätte Ludwig der
Sechzehnte so gehandelt, so wäre ihm sein trauriger Ausgang und Frankreich seine
Riesenkatastrophe erspart geblieben, und auch die "Berliner Märzrevoluttou" wäre
durch ein vier Wochen früher ehrlich gegebnes und ehrlich gehaltnes königliches
Patent unmöglich geworden. Die Revolution "von oben" hat weitaus in den
meisten Fällen die größere sittliche Berechtigung für sich. Was übrigens das ver¬
stimmte Mcmteuffelsche Autogramm von 1877 anlangt, so existiert gerade aus der¬
selben Zeit (22. Februar 1877) ein Schreiben Rankes an Bismarck, das zwischen
dem Historiker und dem Manne der praktischen Politik, dem Staatsmanne, scharf
unterscheidend, dem Historiker Glück dazu wünscht, den Staatsmann erlebt zu haben
(Bismarck-Jahrbuch II, 256).

Die fröhliche Festwoche Deutschlands steht zu dem Trauerspiel in Ostasien
nicht nur in einem äußerlich bemerkenswerten Gegensatz. Nicht nur daß bei dieser
Familienfeier des deutschen Kaiserhauses fast alle zivilisierten Nationen der Erde
vertreten sind, und daß sie bei allen deutschen Stämmen einen freudigen Widerhall
findet -- sie gewährte gegenüber den zersetzenden Strömungen, die dnrch die Welt
gehn, ein hervorragendes Zeugnis für die Stärke der patriotischen und der sittlichen
Kräfte, die nach wie vor im deutschen Volke lebendig sind und bei diesem schönen
Anlaß vor der gesamten Kulturwelt in voller Ursprünglichkeit hervortreten. Mehr
noch als von den stürmisch-herzlichen Huldigungen, die der holden Braut zuteil
wurden, gilt dies von dem Enthusiasmus, mit dem der an der Spitze seiner
Kompagnie einherreitende Kronprinz von den Tausenden und Abertausenden begrüßt
wurde, die Straßen, Tribünen und Fenster füllten und sogar die Dächer dicht
besetzt hielten. Frohen Herzens und doch tief bewegt winkte der Kronprinz seinen
Degengruß auch zu den Dächern hinauf, ein hoffnungsreiches, verheißungsvolles
Bild, das den jungen Bräutigam wohl bis in seine fernsten Lebenstage nicht ver¬
lassen wird. Möge es allezeit für gute und böse Tage ein getreuer Spiegel der
Zukunft unsers Landes und Volkes bleiben!

Die Ansicht eines Teils der Presse, daß der Untergang der russischen Flotte
den Friedensschluß unvermeidlich nach sich ziehn müsse, weil diese Flotte der letzte
Trumpf in der Hand Rußlands gewesen sei, scheint sich nicht zu bewahrheiten.
Sicherlich haben weder die Japaner auf einen so bedeutenden Erfolg gerechnet, noch
haben die Russen eine solche Niederlage auch nur für möglich gehalten, die vor¬
zügliche Führung der Flotte bis kurz vor der Entscheidung schien in der Tat vielen
Hoffnungen Recht zu geben. Welcher Art auch immer die Ursachen der Niederlage
sein mögen, ihr letzter Grund wird immer die mangelhafte Ausbildung von
Offizieren und Mannschaften gewesen sein, die sich während der mehrmvuatigen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Unternehmertums, bestehende Verstimmung darüber aus, daß unsre Sozialpolitik des
letzten Jahrzehnts immer nur einer Erweiterung der Rechte der Arbeiter gegolten
hat, ohne diesen Rechten die entsprechenden Pflichten gegen die Allgemeinheit
zur Seite zu stellen. In einem wohlorganisierten Staatswesen darf es kein Recht
ohne Pflicht geben. Übrigens hat kein geringerer als Graf Posadowsky das selbst
anerkannt, und auch Graf Bülow trug kein Bedenken, sein Bedauern über die
praktischen Konsequenzen dieses Zustandes, wie er im Krankenkassenwesen in ab¬
schreckender Weise zutage tritt, unumwunden auszusprechen. Der Mißbrauch, den
die Sozialdemokratie mit der Sozialreform treibt, indem sie alle Wohltaten ohne
jede Anerkennung für ihre agitatorischen Zwecke konfisziert und ausbeutet, hat
begreiflicherweise die Neigung zu weitern sozialreformerischen Maßnahmen in den
intelligenten und den wohlhabenden Kreisen sehr vermindert. Hoffentlich schafft der
„neue Unterbau," den Graf Posadowsky in Aussicht gestellt hat, mit der „Reform
der Sozialreform" zugleich die Grundlagen für einen gesunden weitern Ausbau.

Wenn die Weltgeschichte mehr Revolutionen „von oben" als „von unten"
zu verzeichnen hat, so kommt das wohl daher, daß einsichtige Staatskunst die
Revolution „von unten" durch Revolution „von oben" verhindert, ihr zuvorkommt
und damit die Fundamente des Stnatsgebäudes intakt erhält. Hätte Ludwig der
Sechzehnte so gehandelt, so wäre ihm sein trauriger Ausgang und Frankreich seine
Riesenkatastrophe erspart geblieben, und auch die „Berliner Märzrevoluttou" wäre
durch ein vier Wochen früher ehrlich gegebnes und ehrlich gehaltnes königliches
Patent unmöglich geworden. Die Revolution „von oben" hat weitaus in den
meisten Fällen die größere sittliche Berechtigung für sich. Was übrigens das ver¬
stimmte Mcmteuffelsche Autogramm von 1877 anlangt, so existiert gerade aus der¬
selben Zeit (22. Februar 1877) ein Schreiben Rankes an Bismarck, das zwischen
dem Historiker und dem Manne der praktischen Politik, dem Staatsmanne, scharf
unterscheidend, dem Historiker Glück dazu wünscht, den Staatsmann erlebt zu haben
(Bismarck-Jahrbuch II, 256).

Die fröhliche Festwoche Deutschlands steht zu dem Trauerspiel in Ostasien
nicht nur in einem äußerlich bemerkenswerten Gegensatz. Nicht nur daß bei dieser
Familienfeier des deutschen Kaiserhauses fast alle zivilisierten Nationen der Erde
vertreten sind, und daß sie bei allen deutschen Stämmen einen freudigen Widerhall
findet — sie gewährte gegenüber den zersetzenden Strömungen, die dnrch die Welt
gehn, ein hervorragendes Zeugnis für die Stärke der patriotischen und der sittlichen
Kräfte, die nach wie vor im deutschen Volke lebendig sind und bei diesem schönen
Anlaß vor der gesamten Kulturwelt in voller Ursprünglichkeit hervortreten. Mehr
noch als von den stürmisch-herzlichen Huldigungen, die der holden Braut zuteil
wurden, gilt dies von dem Enthusiasmus, mit dem der an der Spitze seiner
Kompagnie einherreitende Kronprinz von den Tausenden und Abertausenden begrüßt
wurde, die Straßen, Tribünen und Fenster füllten und sogar die Dächer dicht
besetzt hielten. Frohen Herzens und doch tief bewegt winkte der Kronprinz seinen
Degengruß auch zu den Dächern hinauf, ein hoffnungsreiches, verheißungsvolles
Bild, das den jungen Bräutigam wohl bis in seine fernsten Lebenstage nicht ver¬
lassen wird. Möge es allezeit für gute und böse Tage ein getreuer Spiegel der
Zukunft unsers Landes und Volkes bleiben!

Die Ansicht eines Teils der Presse, daß der Untergang der russischen Flotte
den Friedensschluß unvermeidlich nach sich ziehn müsse, weil diese Flotte der letzte
Trumpf in der Hand Rußlands gewesen sei, scheint sich nicht zu bewahrheiten.
Sicherlich haben weder die Japaner auf einen so bedeutenden Erfolg gerechnet, noch
haben die Russen eine solche Niederlage auch nur für möglich gehalten, die vor¬
zügliche Führung der Flotte bis kurz vor der Entscheidung schien in der Tat vielen
Hoffnungen Recht zu geben. Welcher Art auch immer die Ursachen der Niederlage
sein mögen, ihr letzter Grund wird immer die mangelhafte Ausbildung von
Offizieren und Mannschaften gewesen sein, die sich während der mehrmvuatigen


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[0570] Maßgebliches und Unmaßgebliches Unternehmertums, bestehende Verstimmung darüber aus, daß unsre Sozialpolitik des letzten Jahrzehnts immer nur einer Erweiterung der Rechte der Arbeiter gegolten hat, ohne diesen Rechten die entsprechenden Pflichten gegen die Allgemeinheit zur Seite zu stellen. In einem wohlorganisierten Staatswesen darf es kein Recht ohne Pflicht geben. Übrigens hat kein geringerer als Graf Posadowsky das selbst anerkannt, und auch Graf Bülow trug kein Bedenken, sein Bedauern über die praktischen Konsequenzen dieses Zustandes, wie er im Krankenkassenwesen in ab¬ schreckender Weise zutage tritt, unumwunden auszusprechen. Der Mißbrauch, den die Sozialdemokratie mit der Sozialreform treibt, indem sie alle Wohltaten ohne jede Anerkennung für ihre agitatorischen Zwecke konfisziert und ausbeutet, hat begreiflicherweise die Neigung zu weitern sozialreformerischen Maßnahmen in den intelligenten und den wohlhabenden Kreisen sehr vermindert. Hoffentlich schafft der „neue Unterbau," den Graf Posadowsky in Aussicht gestellt hat, mit der „Reform der Sozialreform" zugleich die Grundlagen für einen gesunden weitern Ausbau. Wenn die Weltgeschichte mehr Revolutionen „von oben" als „von unten" zu verzeichnen hat, so kommt das wohl daher, daß einsichtige Staatskunst die Revolution „von unten" durch Revolution „von oben" verhindert, ihr zuvorkommt und damit die Fundamente des Stnatsgebäudes intakt erhält. Hätte Ludwig der Sechzehnte so gehandelt, so wäre ihm sein trauriger Ausgang und Frankreich seine Riesenkatastrophe erspart geblieben, und auch die „Berliner Märzrevoluttou" wäre durch ein vier Wochen früher ehrlich gegebnes und ehrlich gehaltnes königliches Patent unmöglich geworden. Die Revolution „von oben" hat weitaus in den meisten Fällen die größere sittliche Berechtigung für sich. Was übrigens das ver¬ stimmte Mcmteuffelsche Autogramm von 1877 anlangt, so existiert gerade aus der¬ selben Zeit (22. Februar 1877) ein Schreiben Rankes an Bismarck, das zwischen dem Historiker und dem Manne der praktischen Politik, dem Staatsmanne, scharf unterscheidend, dem Historiker Glück dazu wünscht, den Staatsmann erlebt zu haben (Bismarck-Jahrbuch II, 256). Die fröhliche Festwoche Deutschlands steht zu dem Trauerspiel in Ostasien nicht nur in einem äußerlich bemerkenswerten Gegensatz. Nicht nur daß bei dieser Familienfeier des deutschen Kaiserhauses fast alle zivilisierten Nationen der Erde vertreten sind, und daß sie bei allen deutschen Stämmen einen freudigen Widerhall findet — sie gewährte gegenüber den zersetzenden Strömungen, die dnrch die Welt gehn, ein hervorragendes Zeugnis für die Stärke der patriotischen und der sittlichen Kräfte, die nach wie vor im deutschen Volke lebendig sind und bei diesem schönen Anlaß vor der gesamten Kulturwelt in voller Ursprünglichkeit hervortreten. Mehr noch als von den stürmisch-herzlichen Huldigungen, die der holden Braut zuteil wurden, gilt dies von dem Enthusiasmus, mit dem der an der Spitze seiner Kompagnie einherreitende Kronprinz von den Tausenden und Abertausenden begrüßt wurde, die Straßen, Tribünen und Fenster füllten und sogar die Dächer dicht besetzt hielten. Frohen Herzens und doch tief bewegt winkte der Kronprinz seinen Degengruß auch zu den Dächern hinauf, ein hoffnungsreiches, verheißungsvolles Bild, das den jungen Bräutigam wohl bis in seine fernsten Lebenstage nicht ver¬ lassen wird. Möge es allezeit für gute und böse Tage ein getreuer Spiegel der Zukunft unsers Landes und Volkes bleiben! Die Ansicht eines Teils der Presse, daß der Untergang der russischen Flotte den Friedensschluß unvermeidlich nach sich ziehn müsse, weil diese Flotte der letzte Trumpf in der Hand Rußlands gewesen sei, scheint sich nicht zu bewahrheiten. Sicherlich haben weder die Japaner auf einen so bedeutenden Erfolg gerechnet, noch haben die Russen eine solche Niederlage auch nur für möglich gehalten, die vor¬ zügliche Führung der Flotte bis kurz vor der Entscheidung schien in der Tat vielen Hoffnungen Recht zu geben. Welcher Art auch immer die Ursachen der Niederlage sein mögen, ihr letzter Grund wird immer die mangelhafte Ausbildung von Offizieren und Mannschaften gewesen sein, die sich während der mehrmvuatigen

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/570>, abgerufen am 05.02.2025.