Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.als ein Fünftel alles Landes der Erde mit einer Bevölkerung von etwa Die oben angeführte Summe von 1500 Millionen schließt auch die Kriege So sehr auch der Reichtum und die Steuerkraft zugenommen hatten, so Im Jahre 1715 belief sich das Einkommen des Staates, d. h. Englands Grenzboten II 1905 67
als ein Fünftel alles Landes der Erde mit einer Bevölkerung von etwa Die oben angeführte Summe von 1500 Millionen schließt auch die Kriege So sehr auch der Reichtum und die Steuerkraft zugenommen hatten, so Im Jahre 1715 belief sich das Einkommen des Staates, d. h. Englands Grenzboten II 1905 67
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als ein Fünftel alles Landes der Erde mit einer Bevölkerung von etwa
450 Millionen Menschen umfaßt, für einen Handel, der fast ein Drittel des
ganzen Handels der Welt ausmacht, und eine Handelsflotte, die an Tonnen¬
gehalt fast der Summe des Gehaltes aller übrigen Handelsflotten gleichkommt,
war der Preis uicht zu hoch. England würde sonst auch gar nicht imstande
gewesen sein, ihn zu zahlen. Aber die Niesensummen wurden alle im Lande
selbst aufgebracht, ein Beweis, wie die kräftige, auf überseeische Herrschaft
gerichtete Politik die Kapitalkraft des Landes gestärkt hatte. Ohne die Teil¬
nahme Englands am Spanischen Erbfolgekriege würde Frankreich im sieben¬
jährigen Kriege weit gefährlicher, die Eroberung Kanadas schwieriger gewesen
sein, ohne die 82 Millionen Pfund des siebenjährigen Krieges würde England
nicht 831 Millionen für den Kampf gegen das revolutionäre Frankreich und
Napoleon haben aufbringen und die Seeherrschaft erringen können, und ohne
die Seeherrschaft wären weder Indien noch Australien noch Südafrika englisch
geworden.
Die oben angeführte Summe von 1500 Millionen schließt auch die Kriege
von 1815 bis auf unsre Zeit ein. Für die Zeit bis 1815 belaufen sich die
Kriegsausgaben nach der amtlichen Aufstellung auf mehr als 1140 Millionen.
Zieht man nun davon den Betrag der Schuld von 900 Millionen ab, so
bleiben noch 240 Millionen, die aus den laufenden Einnahmen bestritten
wurden. In Wirklichkeit jedoch waren die aus den Steuern gedeckten Aus¬
gaben weit höher, weil die 900 Millionen der Schuld nicht denselben Betrag
in bar darstellte». Für die Kriege vou 1793 bis 1815 zum Beispiel be¬
trugen die Kosten 831, die Anleihen 652^ Millionen. Danach würden auf
die laufenden Einnahmen noch über 178 entfallen. Bei dem geringen Ertrage
der Anleihen und bei den Verlusten, die sich aus dem Tilgungsunsinn ergaben,
war aber die Last mindestens doppelt so groß. Sie wird sogar auf 650 oder
etwa 28 Millionen jährlich angeschlagen, und obendrein kam noch die Ver¬
zinsung der Staatsschuld, die zuletzt über 30 Millionen jährlich forderte.
So sehr auch der Reichtum und die Steuerkraft zugenommen hatten, so
war ein solcher Aufwand auch für England keine leichte Sache und nur mit
der aufs höchste getriebnen Anspannung der Steuerschraube möglich. Aber
kein andrer Staat Hütte es fertig gebracht, solche Summen zu beschaffen.
Im Jahre 1715 belief sich das Einkommen des Staates, d. h. Englands
und Schottlands, bloß auf 5^ Millionen Pfund bei einer Bevölkerung,
die auf wenig über 7 Millionen anzuschlagen ist. Am Ende des sieben¬
jährigen Krieges war es ans 10 Millionen Pfund gestiegen. Für 1786 bei
einer Volkszahl von 9 bis 10 Millionen ist die Zahl 14^ Millionen Pfund,
für 1791 I8-/2 Millionen, für 1802, nach der Aufnahme Irlands in das
Vereinigte Königreich, das nun mit den 5 Millionen Iren über 16 Millionen
Einwohner hatte, war das Einkommen 39 Millionen Pfund, und 1816, uach
dem Schlüsse der großen Kriegszeit fast 78^ Millionen bei einer Bevölkerung
von nicht ganz 20 Millionen. Auf den Kopf fiel also 1816 eine Abgaben¬
last von mehr als 78 Schillingen, mehr als das Fünffache von dem, was der
Einzelne ein Jahrhundert früher getragen hatte.
Grenzboten II 1905 67
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