Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Wolkenkuckucksheim gäbe der Bibliotheken. Auch ist es höchst zeitraubend, wenn, wie es jetzt Nun zu dem Hin- und Herschicken der Katalogzettel! Die Reise der Wo neue Projekte ihre eignen Totengräber sind, bedarf es keiner Kur¬ Wolkenkuckucksheim gäbe der Bibliotheken. Auch ist es höchst zeitraubend, wenn, wie es jetzt Nun zu dem Hin- und Herschicken der Katalogzettel! Die Reise der Wo neue Projekte ihre eignen Totengräber sind, bedarf es keiner Kur¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0483" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296862"/> <fw type="header" place="top"> Wolkenkuckucksheim</fw><lb/> <p xml:id="ID_2183" prev="#ID_2182"> gäbe der Bibliotheken. Auch ist es höchst zeitraubend, wenn, wie es jetzt<lb/> geschieht, eine Unmasse Titel in Berlin vorhandner Werke, die als Pflicht¬<lb/> exemplare eingegangen sind (sogar Statuten von Skat- und Kegelklubs), aber<lb/> nicht den geringsten Wert haben, auf deren Vorhandensein in den Universitäts¬<lb/> bibliotheken täglich nachgeschlagen werden muß. — Energisch muß ferner<lb/> dagegen Einspruch erhoben werden, daß der Unterschied zwischen Bibliographien<lb/> und Katalogen immer mehr verwischt wird, wie es die neuen Projekte in Aus¬<lb/> sicht stellen. Wenn ein Bibliothekar eine Bibliographie anfertigt, wozu er in<lb/> den meisten Fällen am besten geeignet ist, so ist das seine Privatarbeit, oder<lb/> es geschieht im Auftrag einer Behörde; mit der bibliothekarischen Praxis hat<lb/> das aber absolut nichts zu tuu.</p><lb/> <p xml:id="ID_2184"> Nun zu dem Hin- und Herschicken der Katalogzettel! Die Reise der<lb/> Titelkopien nach und von Berlin fordert jedenfalls mehr Zeit und Geld als<lb/> das Schreiben und Einordnen an Ort und Stelle, das heißt an der Biblio¬<lb/> thek, die das Buch erworben hat. Sind nun glücklich die Millionen Zettel<lb/> (samt allen Verweisungszetteln) in Berlin zusammen, werden sie gedruckt und<lb/> von dort aus an die übrigen preußischen Universitätsbibliotheken versandt<lb/> — wenige Exemplare vielleicht gegen Bezahlung an andre; denn Käufer werden<lb/> sehr selten sein, wie das Beispiel des Katalogs des IZritisti Nnssuin lehrt,<lb/> und die Kosten werden keinesfalls gedeckt —, dann erhebt sich hier die Frage:<lb/> „Was soll aus unsern alten Katalogen werden?" Es ist kaum für den<lb/> Zuwachs an Büchern Raum vorhanden; also ins Feuer mit ihnen und damit<lb/> zugleich mit der Geschichte der Bibliothek, die sich auch in ihren Katalogen<lb/> spiegelt. Das ist der angebliche Segen der Uniformierung. Volkstrachten<lb/> und Dialekte sucht man doch heute auf jede Weise vor dem Untergange<lb/> zu retten; warum nicht anch „berechtigte Eigentümlichkeiten" alter Bücher¬<lb/> sammlungen?</p><lb/> <p xml:id="ID_2185" next="#ID_2186"> Wo neue Projekte ihre eignen Totengräber sind, bedarf es keiner Kur¬<lb/> pfuscher und Wundertäter, sie oder ihre einzelnen Teile zu neuem Leben zu<lb/> erwecken. Was an ihnen Bestand hat, ist eben nicht neu, und das einzige,<lb/> was für eine ernsthafte Diskussion übrig bleibt, ist der gedruckte Katalogzettel,<lb/> uicht zum Kleben eingerichtet, sondern fix und fertig als Ersatz des vor-<lb/> handnen alphabetischen Zettelkatalogs. Aber wer soll die Zettel drucken<lb/> lassen? Jede Bibliothek ihren eignen Bestand und Zuwachs, oder eine Zentral¬<lb/> stelle, also die Berliner Königliche Bibliothek, die die meisten Accessionen hat,<lb/> alles zusammen? Aber auch in diesem Falle müßten Titel der in Berlin<lb/> nicht erworbnen Druckschriften kopiert und nach Berlin geschickt werden; da<lb/> wäre es doch vorteilhafter, wenn jede Bibliothek ihren geschriebnen Zettel<lb/> gleich für sich behielte. Der Zettel mit der Titelkopie gehört von vornherein<lb/> zum Buche selbst, nicht zu den Bibliotheken, die vielleicht das Buch gar nicht<lb/> besitzen — denn sie schaffen ja nicht alle Bücher an —, also müßte der Ver¬<lb/> leger oder Drucker nach Vereinbarung über Format, Satz usw. jedem neuen<lb/> Buche eine Titelkopie (in wenigstens drei Exemplaren) mitgeben. Aber diese<lb/> haben keinen Anlaß, ohne Entgelt, d. h. Erhöhung des Ladenpreises den<lb/> Bibliotheken und ihren Beamten eine Bequemlichkeit zu verschaffen. In</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0483]
Wolkenkuckucksheim
gäbe der Bibliotheken. Auch ist es höchst zeitraubend, wenn, wie es jetzt
geschieht, eine Unmasse Titel in Berlin vorhandner Werke, die als Pflicht¬
exemplare eingegangen sind (sogar Statuten von Skat- und Kegelklubs), aber
nicht den geringsten Wert haben, auf deren Vorhandensein in den Universitäts¬
bibliotheken täglich nachgeschlagen werden muß. — Energisch muß ferner
dagegen Einspruch erhoben werden, daß der Unterschied zwischen Bibliographien
und Katalogen immer mehr verwischt wird, wie es die neuen Projekte in Aus¬
sicht stellen. Wenn ein Bibliothekar eine Bibliographie anfertigt, wozu er in
den meisten Fällen am besten geeignet ist, so ist das seine Privatarbeit, oder
es geschieht im Auftrag einer Behörde; mit der bibliothekarischen Praxis hat
das aber absolut nichts zu tuu.
Nun zu dem Hin- und Herschicken der Katalogzettel! Die Reise der
Titelkopien nach und von Berlin fordert jedenfalls mehr Zeit und Geld als
das Schreiben und Einordnen an Ort und Stelle, das heißt an der Biblio¬
thek, die das Buch erworben hat. Sind nun glücklich die Millionen Zettel
(samt allen Verweisungszetteln) in Berlin zusammen, werden sie gedruckt und
von dort aus an die übrigen preußischen Universitätsbibliotheken versandt
— wenige Exemplare vielleicht gegen Bezahlung an andre; denn Käufer werden
sehr selten sein, wie das Beispiel des Katalogs des IZritisti Nnssuin lehrt,
und die Kosten werden keinesfalls gedeckt —, dann erhebt sich hier die Frage:
„Was soll aus unsern alten Katalogen werden?" Es ist kaum für den
Zuwachs an Büchern Raum vorhanden; also ins Feuer mit ihnen und damit
zugleich mit der Geschichte der Bibliothek, die sich auch in ihren Katalogen
spiegelt. Das ist der angebliche Segen der Uniformierung. Volkstrachten
und Dialekte sucht man doch heute auf jede Weise vor dem Untergange
zu retten; warum nicht anch „berechtigte Eigentümlichkeiten" alter Bücher¬
sammlungen?
Wo neue Projekte ihre eignen Totengräber sind, bedarf es keiner Kur¬
pfuscher und Wundertäter, sie oder ihre einzelnen Teile zu neuem Leben zu
erwecken. Was an ihnen Bestand hat, ist eben nicht neu, und das einzige,
was für eine ernsthafte Diskussion übrig bleibt, ist der gedruckte Katalogzettel,
uicht zum Kleben eingerichtet, sondern fix und fertig als Ersatz des vor-
handnen alphabetischen Zettelkatalogs. Aber wer soll die Zettel drucken
lassen? Jede Bibliothek ihren eignen Bestand und Zuwachs, oder eine Zentral¬
stelle, also die Berliner Königliche Bibliothek, die die meisten Accessionen hat,
alles zusammen? Aber auch in diesem Falle müßten Titel der in Berlin
nicht erworbnen Druckschriften kopiert und nach Berlin geschickt werden; da
wäre es doch vorteilhafter, wenn jede Bibliothek ihren geschriebnen Zettel
gleich für sich behielte. Der Zettel mit der Titelkopie gehört von vornherein
zum Buche selbst, nicht zu den Bibliotheken, die vielleicht das Buch gar nicht
besitzen — denn sie schaffen ja nicht alle Bücher an —, also müßte der Ver¬
leger oder Drucker nach Vereinbarung über Format, Satz usw. jedem neuen
Buche eine Titelkopie (in wenigstens drei Exemplaren) mitgeben. Aber diese
haben keinen Anlaß, ohne Entgelt, d. h. Erhöhung des Ladenpreises den
Bibliotheken und ihren Beamten eine Bequemlichkeit zu verschaffen. In
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