Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die Annäherung Deutschlands und der vereinigten Staaten errichtete, an deren Spitze der bei der deutschen Regierung in gutem Ansehen Der Vorschlag des Kaisers, deutsche Universitätsprofessoren an amerika¬ Die Annäherung Deutschlands und der vereinigten Staaten errichtete, an deren Spitze der bei der deutschen Regierung in gutem Ansehen Der Vorschlag des Kaisers, deutsche Universitätsprofessoren an amerika¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296841"/> <fw type="header" place="top"> Die Annäherung Deutschlands und der vereinigten Staaten</fw><lb/> <p xml:id="ID_2130" prev="#ID_2129"> errichtete, an deren Spitze der bei der deutschen Regierung in gutem Ansehen<lb/> stehende kluge Herr E. E. Roberts steht, der durch seine ausführlichen direkten<lb/> Berichte die bis dahin systematisch und unkontrolliert betriebne britische Fär¬<lb/> bung aller Mitteilungen über deutsche Vorgänge ersetzt hat. Der General¬<lb/> direktor der ^ssoomwcl ?rsss, Herr Melville E. Stone in Newyork, ist bei<lb/> seinen gelegentlichen Besuchen Deutschlands wiederholt vom Kaiser empfangen<lb/> worden, für dessen Genialität und Arbeitskraft er eine unbegrenzte Bewunderung<lb/> hegt; er hat nie ein Hehl daraus gemacht, daß ihm ein Ausgleich der deutsch-<lb/> euglischeu Verstimmungen und eine Verständigung der drei Nationen teuto¬<lb/> nischen Stammes wichtiger bunte als ein einseitiges Eingehn seines Landes<lb/> auf das immer dringender werdende Liebeswcrben Albions. Bei der außer¬<lb/> ordentlichen Bedeutung, die die ^.ssoemwä ?rss8 in dem öffentlichen Leben<lb/> der Union hat, ist ihre deutschfreundliche Gesinnung um so wertvoller für<lb/> uns, als nach wie vor dort durch die ^Zsuvö Havas und durch den mit dem<lb/> „Galvestonkabel" ganz Südamerika mit Drahtnachrichten versorgenden Uev<lb/> ?orK Hsralä in der schamlosesten Weise gegen uns gehetzt wird. Bedauer¬<lb/> lich aber ist es, daß fast kein deutsches Blatt angesehene Berichterstatter in<lb/> Newyork hat, während alle englischen Zeitungen durch solche vertreten sind.<lb/> Die öffentliche Meinung Deutschlands wird über Amerika nur zu oft falsch<lb/> oder in entstellter Weise durch unsre Publizistik unterrichtet, auf deren Gebiet<lb/> die leidige Parteipolitik mehr Einfluß hat, als es die Rücksicht auf unsre<lb/> wichtigsten politischen Beziehungen erwünscht erscheinen läßt. Gerade das Ver¬<lb/> ständnis für die Amerikaner muß mehr gefördert werden, denn bei den vielen<lb/> verwandten Eigenschaften braucht unser Volk eigentlich nur die Vettern drüben<lb/> besser zu verstehn, um sie auch höher zu schätzen als bisher. Diese Aufklärung<lb/> zu bringen, ist eine Aufgabe der Presse, nicht der Buchveröffentlichungen,<lb/> denn Bücher haben heute lange nicht die Wirkung wie die Presse und können<lb/> sie auch nicht haben, weil sie immer nur das widerspiegeln, was der Ver¬<lb/> fasser zufällig in dem fremden Lande gesehen hat, und dann auch, weil sie bei<lb/> der schnellen Entwicklung Amerikas zu schnell veralten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2131" next="#ID_2132"> Der Vorschlag des Kaisers, deutsche Universitätsprofessoren an amerika¬<lb/> nischen und amerikanische Professoren an deutschen Universitäten regelmüßig<lb/> Vorlesungen halten zu lassen, wird ohne Zweifel das gegenseitige Verständnis<lb/> mächtig fördern und als dauernde Einrichtung zur Erhaltung und Vertiefung<lb/> des geistigen Verkehrs der beiden Völker viel beitragen. Wie Graf Bülow<lb/> einmal im Reichstage treffend hervorgehoben hat, sind in unsrer Zeit für das<lb/> Verhältnis zweier Staaten zueinander die Beziehungen der beiderseitigen Re¬<lb/> gierungen allein uicht maßgebend, sondern anch die Stimmungen und Ver¬<lb/> stimmungen der Völker fallen schwer ins Gewicht, und sie haben die Eigen¬<lb/> tümlichkeit — und darin liegt ihre Gefahr —, daß gegen sie mit logischen<lb/> Gründen nicht angekämpft werden kann. Gerade deshalb können solche Ge¬<lb/> fühlsstimmungen nur durch besseres Sichkennenlernen günstig gestaltet werden.<lb/> Daß schon jetzt die meisten amerikanischen Professoren, und zwar nicht nur die<lb/> der Universitäten, sondern auch die der landwirtschaftlichen und der technischen<lb/> Hochschulen in Deutschland studiert und zum Doktor promoviert haben, be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0462]
Die Annäherung Deutschlands und der vereinigten Staaten
errichtete, an deren Spitze der bei der deutschen Regierung in gutem Ansehen
stehende kluge Herr E. E. Roberts steht, der durch seine ausführlichen direkten
Berichte die bis dahin systematisch und unkontrolliert betriebne britische Fär¬
bung aller Mitteilungen über deutsche Vorgänge ersetzt hat. Der General¬
direktor der ^ssoomwcl ?rsss, Herr Melville E. Stone in Newyork, ist bei
seinen gelegentlichen Besuchen Deutschlands wiederholt vom Kaiser empfangen
worden, für dessen Genialität und Arbeitskraft er eine unbegrenzte Bewunderung
hegt; er hat nie ein Hehl daraus gemacht, daß ihm ein Ausgleich der deutsch-
euglischeu Verstimmungen und eine Verständigung der drei Nationen teuto¬
nischen Stammes wichtiger bunte als ein einseitiges Eingehn seines Landes
auf das immer dringender werdende Liebeswcrben Albions. Bei der außer¬
ordentlichen Bedeutung, die die ^.ssoemwä ?rss8 in dem öffentlichen Leben
der Union hat, ist ihre deutschfreundliche Gesinnung um so wertvoller für
uns, als nach wie vor dort durch die ^Zsuvö Havas und durch den mit dem
„Galvestonkabel" ganz Südamerika mit Drahtnachrichten versorgenden Uev
?orK Hsralä in der schamlosesten Weise gegen uns gehetzt wird. Bedauer¬
lich aber ist es, daß fast kein deutsches Blatt angesehene Berichterstatter in
Newyork hat, während alle englischen Zeitungen durch solche vertreten sind.
Die öffentliche Meinung Deutschlands wird über Amerika nur zu oft falsch
oder in entstellter Weise durch unsre Publizistik unterrichtet, auf deren Gebiet
die leidige Parteipolitik mehr Einfluß hat, als es die Rücksicht auf unsre
wichtigsten politischen Beziehungen erwünscht erscheinen läßt. Gerade das Ver¬
ständnis für die Amerikaner muß mehr gefördert werden, denn bei den vielen
verwandten Eigenschaften braucht unser Volk eigentlich nur die Vettern drüben
besser zu verstehn, um sie auch höher zu schätzen als bisher. Diese Aufklärung
zu bringen, ist eine Aufgabe der Presse, nicht der Buchveröffentlichungen,
denn Bücher haben heute lange nicht die Wirkung wie die Presse und können
sie auch nicht haben, weil sie immer nur das widerspiegeln, was der Ver¬
fasser zufällig in dem fremden Lande gesehen hat, und dann auch, weil sie bei
der schnellen Entwicklung Amerikas zu schnell veralten.
Der Vorschlag des Kaisers, deutsche Universitätsprofessoren an amerika¬
nischen und amerikanische Professoren an deutschen Universitäten regelmüßig
Vorlesungen halten zu lassen, wird ohne Zweifel das gegenseitige Verständnis
mächtig fördern und als dauernde Einrichtung zur Erhaltung und Vertiefung
des geistigen Verkehrs der beiden Völker viel beitragen. Wie Graf Bülow
einmal im Reichstage treffend hervorgehoben hat, sind in unsrer Zeit für das
Verhältnis zweier Staaten zueinander die Beziehungen der beiderseitigen Re¬
gierungen allein uicht maßgebend, sondern anch die Stimmungen und Ver¬
stimmungen der Völker fallen schwer ins Gewicht, und sie haben die Eigen¬
tümlichkeit — und darin liegt ihre Gefahr —, daß gegen sie mit logischen
Gründen nicht angekämpft werden kann. Gerade deshalb können solche Ge¬
fühlsstimmungen nur durch besseres Sichkennenlernen günstig gestaltet werden.
Daß schon jetzt die meisten amerikanischen Professoren, und zwar nicht nur die
der Universitäten, sondern auch die der landwirtschaftlichen und der technischen
Hochschulen in Deutschland studiert und zum Doktor promoviert haben, be-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |