Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die moralischen Wochenschriften waren, miteinander vergleichen, so sehen wir klar, daß England ihnen die Es war erklärlich, daß die großen Erfolge, die Addison und Steele mit Die moralischen Wochenschriften waren, miteinander vergleichen, so sehen wir klar, daß England ihnen die Es war erklärlich, daß die großen Erfolge, die Addison und Steele mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0432" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296813"/> <fw type="header" place="top"> Die moralischen Wochenschriften</fw><lb/> <p xml:id="ID_1939" prev="#ID_1938"> waren, miteinander vergleichen, so sehen wir klar, daß England ihnen die<lb/> heilsamste Umgestaltung des künstlerischen Geschmacks sowohl wie der gesamten<lb/> sittlichen und politischen Denkart verdankt. Das Glück und die Wohlfahrt,<lb/> deren England sich jetzt erfreut, sind geradezu zum großen Teil das Werk<lb/> Addisons und Steeles. Niemand wird deshalb nnstehn, sie zu den größten<lb/> Wohltätern Englands, ja der ganzen Menschheit zu zählen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1940"> Es war erklärlich, daß die großen Erfolge, die Addison und Steele mit<lb/> ihren moralischen Wochenschriften in England errangen, zur Nacheiferung in<lb/> Deutschland anregten. In Hamburg mit seinen alten vielseitigen Beziehungen<lb/> zu England lebten zahlreiche Abnehmer des „Speetators," und hier ist denn<lb/> auch die erste der zahlreichen deutschen moralischen Wochenschriften entstanden.<lb/> Schon 1713 erschien der „Vernünftler." Gedruckt wurde das Blatt „bei<lb/> Thom. von Wierings Erben, bey der Börse, im güldenen ^, L. 0, allwo alle<lb/> Mittwoch ein Stück ausgegeben wird." Über diese erste deutsche moralische<lb/> Wochenschrift hat Professor Jacoby in Hamburg in seiner vortrefflichen Schrift<lb/> „Die ersten moralischen Wochenschriften Hamburgs" ausführlichere Mitteilungen<lb/> gegeben und dabei auch des Verlegers und Druckers gedacht. Ich möchte hier<lb/> seinen Ausführungen folgen und die Mitteilungen wiedergeben, die er über<lb/> den Hamburger Verleger macht, und die zum Teil eine Ergänzung in dem<lb/> Werk von Koppmann „Aus Hamburgs Vergangenheit" finden. In einem aus<lb/> dem Jahre 1697 stammenden, auf einen gewissen Hanselmns — wahrscheinlich<lb/> ein Spottname für eine bekannte Persönlichkeit — gedichteten Epigramm heißt<lb/> es: „Und weiß wie Wierings Kram den Sechsling halb erspart." Die dazu<lb/> gegebne Erläuterung aus alter Zeit (von Christian Warneck) sagt: „Wie<lb/> Wierings Kram. Hier ist eine Anmerkung höchst nöthig. Denn erstlich, wie<lb/> wenige außer Hamburg wissen, daß man in diesem »Kram vor einen Sechs¬<lb/> ling« alles, was sich in der Welt zutrüge, so wol als was sich nicht zutrüge,<lb/> lernen kann. Zum andern, wie viele sind in Hamburg selbst, die nicht wissen,<lb/> daß, wenn man in diesem »Kram« nnr lesen und nichts mitzunehmen kommt,<lb/> man diese ungewisse Waaren vor den halben Preis haben können." Herr,<lb/> dunkel ist der Rede Sinn, kann man erst recht von dieser Erklärung sagen,<lb/> obgleich ihre Deutung im Grunde ziemlich einfach ist. Thomas von Wiering,<lb/> einer der bedeutender» Hamburgischen Buchdrucker und Verleger um die Wende<lb/> des achtzehnten Jahrhunderts, gab nämlich seit 1673 eine Zeitung „Der<lb/> Relations-Courier" oder „Die Wiering'sche Zeitung" heraus, ein Blatt, das<lb/> bis 1813 bestand. Die einzelne Nummer dieser Zeitung wurde zu einem<lb/> halben Schilling oder Sechsling verkauft, man konnte sie aber auch im Laden<lb/> selbst für einen Dreiling lesen. Wir haben hier also Nachricht von der Ein¬<lb/> richtung eines Lesezimmers, dessen Benutzung jedoch, wie es nach dem mitge¬<lb/> teilten Vers scheint, nicht zum guten Ton gehörte. Das Schild des Thomas<lb/> von Wiering hieß „Im güldnen A. B. C," der Laden lag im Brotschrangen,<lb/> später wurde die Straße nach dein Schild der Buchhandlung benannt. Ein „Cata-<lb/> logus derer Bücher, welche von seel. Thomas von Wiering und nachgehends<lb/> von dessen Erben, wohnhafft im güldnen A. B. C. in Hamburg verlegt, und<lb/> bey demselben zu bekommen sind," wurde 14 Seiten stark 1717 gedruckt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0432]
Die moralischen Wochenschriften
waren, miteinander vergleichen, so sehen wir klar, daß England ihnen die
heilsamste Umgestaltung des künstlerischen Geschmacks sowohl wie der gesamten
sittlichen und politischen Denkart verdankt. Das Glück und die Wohlfahrt,
deren England sich jetzt erfreut, sind geradezu zum großen Teil das Werk
Addisons und Steeles. Niemand wird deshalb nnstehn, sie zu den größten
Wohltätern Englands, ja der ganzen Menschheit zu zählen."
Es war erklärlich, daß die großen Erfolge, die Addison und Steele mit
ihren moralischen Wochenschriften in England errangen, zur Nacheiferung in
Deutschland anregten. In Hamburg mit seinen alten vielseitigen Beziehungen
zu England lebten zahlreiche Abnehmer des „Speetators," und hier ist denn
auch die erste der zahlreichen deutschen moralischen Wochenschriften entstanden.
Schon 1713 erschien der „Vernünftler." Gedruckt wurde das Blatt „bei
Thom. von Wierings Erben, bey der Börse, im güldenen ^, L. 0, allwo alle
Mittwoch ein Stück ausgegeben wird." Über diese erste deutsche moralische
Wochenschrift hat Professor Jacoby in Hamburg in seiner vortrefflichen Schrift
„Die ersten moralischen Wochenschriften Hamburgs" ausführlichere Mitteilungen
gegeben und dabei auch des Verlegers und Druckers gedacht. Ich möchte hier
seinen Ausführungen folgen und die Mitteilungen wiedergeben, die er über
den Hamburger Verleger macht, und die zum Teil eine Ergänzung in dem
Werk von Koppmann „Aus Hamburgs Vergangenheit" finden. In einem aus
dem Jahre 1697 stammenden, auf einen gewissen Hanselmns — wahrscheinlich
ein Spottname für eine bekannte Persönlichkeit — gedichteten Epigramm heißt
es: „Und weiß wie Wierings Kram den Sechsling halb erspart." Die dazu
gegebne Erläuterung aus alter Zeit (von Christian Warneck) sagt: „Wie
Wierings Kram. Hier ist eine Anmerkung höchst nöthig. Denn erstlich, wie
wenige außer Hamburg wissen, daß man in diesem »Kram vor einen Sechs¬
ling« alles, was sich in der Welt zutrüge, so wol als was sich nicht zutrüge,
lernen kann. Zum andern, wie viele sind in Hamburg selbst, die nicht wissen,
daß, wenn man in diesem »Kram« nnr lesen und nichts mitzunehmen kommt,
man diese ungewisse Waaren vor den halben Preis haben können." Herr,
dunkel ist der Rede Sinn, kann man erst recht von dieser Erklärung sagen,
obgleich ihre Deutung im Grunde ziemlich einfach ist. Thomas von Wiering,
einer der bedeutender» Hamburgischen Buchdrucker und Verleger um die Wende
des achtzehnten Jahrhunderts, gab nämlich seit 1673 eine Zeitung „Der
Relations-Courier" oder „Die Wiering'sche Zeitung" heraus, ein Blatt, das
bis 1813 bestand. Die einzelne Nummer dieser Zeitung wurde zu einem
halben Schilling oder Sechsling verkauft, man konnte sie aber auch im Laden
selbst für einen Dreiling lesen. Wir haben hier also Nachricht von der Ein¬
richtung eines Lesezimmers, dessen Benutzung jedoch, wie es nach dem mitge¬
teilten Vers scheint, nicht zum guten Ton gehörte. Das Schild des Thomas
von Wiering hieß „Im güldnen A. B. C," der Laden lag im Brotschrangen,
später wurde die Straße nach dein Schild der Buchhandlung benannt. Ein „Cata-
logus derer Bücher, welche von seel. Thomas von Wiering und nachgehends
von dessen Erben, wohnhafft im güldnen A. B. C. in Hamburg verlegt, und
bey demselben zu bekommen sind," wurde 14 Seiten stark 1717 gedruckt.
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