Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die moralischen Wochenschriften Die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg oder, richtiger gesagt, die Zeit Unter ihnen müssen wir zuerst die ^celi, Lruclitornm nennen, die seit 1682 Die L.<zw fanden eine große Zahl Nachahmer, fast jede Hochschule mußte Der erste, der eine Zeitschrift herausgab, die für das große Publikum In Form von Gesprächen wurden einzelne Themata behandelt und dabei Die moralischen Wochenschriften Die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg oder, richtiger gesagt, die Zeit Unter ihnen müssen wir zuerst die ^celi, Lruclitornm nennen, die seit 1682 Die L.<zw fanden eine große Zahl Nachahmer, fast jede Hochschule mußte Der erste, der eine Zeitschrift herausgab, die für das große Publikum In Form von Gesprächen wurden einzelne Themata behandelt und dabei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296809"/> <fw type="header" place="top"> Die moralischen Wochenschriften</fw><lb/> <p xml:id="ID_1923"> Die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg oder, richtiger gesagt, die Zeit<lb/> vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen<lb/> war der Entstehung solcher Zeitschriften sehr günstig, das nationale Selbst¬<lb/> gefühl lag tief danieder, jeder politische Gemeinsini? fehlte, und die sogenannten<lb/> politischen Zeitungen durften nur bringen, was der Regierung und dem Hofe<lb/> genehm war. Erst allmählich regen sich wieder die Schwingen deutschen Geistes,<lb/> und fast zu derselben Zeit, als Friedrich der Große seine Schlachten schlug und<lb/> den deutscheu Namen wieder zu Ehren und Ansehen brachte, entfalten sie sich<lb/> ganz und bringen den deutschen Geist zu einer nie geahnten Blüte und auf<lb/> eine nie geahnte Hohe. Das Volk für diese Entwicklung reif gemacht und<lb/> vorbereitet zu haben ist das große Verdienst der Moralischen Wochenschriften<lb/> und ihrer Vorläufer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1924"> Unter ihnen müssen wir zuerst die ^celi, Lruclitornm nennen, die seit 1682<lb/> erschienen und sich ein Jahrhundert lang lebensfähig erhalten haben, trotzdem daß<lb/> sie in lateinischer Sprache abgefaßt waren und deshalb nnr einen beschränkten<lb/> Absatzkreis haben konnten. Die hervorragendsten Gelehrten der Zeit, vor allem<lb/> Leibniz, waren Mitarbeiter dieser Zeitschrift, die einen vorwiegend wissenschaft¬<lb/> lichen Charakter trug und gewisse Gebiete des geistigen Lebens vollständig aus¬<lb/> schloß. Die vollständige Zeitschrift besteht aus 93 Quartbünden und 24 Supple¬<lb/> ment- und Negisterbänden. Ihr Begründer war Otto Manaten, Professor der<lb/> Moral und Philosophie an der Universität Leipzig. Bis zu ihrem Eingehn<lb/> blieb die Zeitschrift Besitz der Mcnckenschen Erben, wenn auch die Redaktion<lb/> feit 1754 der Professor Karl Andr. Bel führte. Bismarcks Großvater Annstasins<lb/> Mencken war ein entfernter Verwandter der Familie, da sein Urgroßvater Luder<lb/> Mencken ein Vetter des Begründers war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1925"> Die L.<zw fanden eine große Zahl Nachahmer, fast jede Hochschule mußte<lb/> eine Gelehrtenzeitung haben, und die großen Reichsstädte, wie Frankfurt und<lb/> Nürnberg, schlossen sich ihnen an. Größere Bedeutung haben die meisten dieser<lb/> Professorenblätter nicht errungen, einige haben allerdings den Grundstock für<lb/> noch bestehende wissenschaftliche Zeitschriften gegeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1926"> Der erste, der eine Zeitschrift herausgab, die für das große Publikum<lb/> bestimmt war, ist Thomasius, der hervorragende Förderer deutscher Kultur, der<lb/> zuerst mit dem alten Zopf brach und eine deutsche Vorlesung am schwarzen<lb/> Brett der Universität Leipzig ankündigte. Er hatte das richtige Gefühl, daß<lb/> man nur auf das Volk wirken könne, wenn man in seiner Sprache zu ihm<lb/> rede, und daß man der Sprache des Volks bedürfe, wenn man den Kampf<lb/> gegen das verknöcherte Formelwesen und den scholastischen Zunftbctrieb wagen<lb/> wolle. Im Jahre 1688 wendet er sich mit seiner „Deutschen Monatsschrift"<lb/> an das ganze deutsche Publikum. Ju der freiesten originellsten Form erschien<lb/> die Zeitschrift unter vielfach wechselndem Titel, zuerst: Schertz- und Ernsthaffter,<lb/> Vernünftiger und Einfältiger Gedanken, über allerhand Lustige und nützliche<lb/> Bücher und Fragen. Erster Monat oder Jcmuaris in einem Gespräch vor¬<lb/> gestellet von der Gesellschaft der Mäßigen. Franks, u. Leipzig. Verlcgts Moritz<lb/> Georg Weidmann Buchhändler 1688.</p><lb/> <p xml:id="ID_1927" next="#ID_1928"> In Form von Gesprächen wurden einzelne Themata behandelt und dabei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Die moralischen Wochenschriften
Die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg oder, richtiger gesagt, die Zeit
vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen
war der Entstehung solcher Zeitschriften sehr günstig, das nationale Selbst¬
gefühl lag tief danieder, jeder politische Gemeinsini? fehlte, und die sogenannten
politischen Zeitungen durften nur bringen, was der Regierung und dem Hofe
genehm war. Erst allmählich regen sich wieder die Schwingen deutschen Geistes,
und fast zu derselben Zeit, als Friedrich der Große seine Schlachten schlug und
den deutscheu Namen wieder zu Ehren und Ansehen brachte, entfalten sie sich
ganz und bringen den deutschen Geist zu einer nie geahnten Blüte und auf
eine nie geahnte Hohe. Das Volk für diese Entwicklung reif gemacht und
vorbereitet zu haben ist das große Verdienst der Moralischen Wochenschriften
und ihrer Vorläufer.
Unter ihnen müssen wir zuerst die ^celi, Lruclitornm nennen, die seit 1682
erschienen und sich ein Jahrhundert lang lebensfähig erhalten haben, trotzdem daß
sie in lateinischer Sprache abgefaßt waren und deshalb nnr einen beschränkten
Absatzkreis haben konnten. Die hervorragendsten Gelehrten der Zeit, vor allem
Leibniz, waren Mitarbeiter dieser Zeitschrift, die einen vorwiegend wissenschaft¬
lichen Charakter trug und gewisse Gebiete des geistigen Lebens vollständig aus¬
schloß. Die vollständige Zeitschrift besteht aus 93 Quartbünden und 24 Supple¬
ment- und Negisterbänden. Ihr Begründer war Otto Manaten, Professor der
Moral und Philosophie an der Universität Leipzig. Bis zu ihrem Eingehn
blieb die Zeitschrift Besitz der Mcnckenschen Erben, wenn auch die Redaktion
feit 1754 der Professor Karl Andr. Bel führte. Bismarcks Großvater Annstasins
Mencken war ein entfernter Verwandter der Familie, da sein Urgroßvater Luder
Mencken ein Vetter des Begründers war.
Die L.<zw fanden eine große Zahl Nachahmer, fast jede Hochschule mußte
eine Gelehrtenzeitung haben, und die großen Reichsstädte, wie Frankfurt und
Nürnberg, schlossen sich ihnen an. Größere Bedeutung haben die meisten dieser
Professorenblätter nicht errungen, einige haben allerdings den Grundstock für
noch bestehende wissenschaftliche Zeitschriften gegeben.
Der erste, der eine Zeitschrift herausgab, die für das große Publikum
bestimmt war, ist Thomasius, der hervorragende Förderer deutscher Kultur, der
zuerst mit dem alten Zopf brach und eine deutsche Vorlesung am schwarzen
Brett der Universität Leipzig ankündigte. Er hatte das richtige Gefühl, daß
man nur auf das Volk wirken könne, wenn man in seiner Sprache zu ihm
rede, und daß man der Sprache des Volks bedürfe, wenn man den Kampf
gegen das verknöcherte Formelwesen und den scholastischen Zunftbctrieb wagen
wolle. Im Jahre 1688 wendet er sich mit seiner „Deutschen Monatsschrift"
an das ganze deutsche Publikum. Ju der freiesten originellsten Form erschien
die Zeitschrift unter vielfach wechselndem Titel, zuerst: Schertz- und Ernsthaffter,
Vernünftiger und Einfältiger Gedanken, über allerhand Lustige und nützliche
Bücher und Fragen. Erster Monat oder Jcmuaris in einem Gespräch vor¬
gestellet von der Gesellschaft der Mäßigen. Franks, u. Leipzig. Verlcgts Moritz
Georg Weidmann Buchhändler 1688.
In Form von Gesprächen wurden einzelne Themata behandelt und dabei
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