Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.in einem eindrucksvoller Monument vor sich hingestellt sehen möchten, statt Er zeigt nun in der Zergliederung der einzelnen chronologisch angeordneten Wenn wir Natorp recht verstehn, meint er mit seinem Idealismus bloß in einem eindrucksvoller Monument vor sich hingestellt sehen möchten, statt Er zeigt nun in der Zergliederung der einzelnen chronologisch angeordneten Wenn wir Natorp recht verstehn, meint er mit seinem Idealismus bloß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0426" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296807"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1916" prev="#ID_1915"> in einem eindrucksvoller Monument vor sich hingestellt sehen möchten, statt<lb/> daß dieses Buch nur Sache und immer wieder Sache bringt. Aber nur aus'<lb/> der Sache und nur aus dem Zentrum der Sache ist das Verständnis einer<lb/> Persönlichkeit wie die Platos zu gewinnen." Und zwar hat er dabei den<lb/> Zweck vor Augen, das Verständnis des Idealismus, das unserm Zeitalter so<lb/> gut wie abhanden gekommen sei, diesem wieder zu erringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1917"> Er zeigt nun in der Zergliederung der einzelnen chronologisch angeordneten<lb/> Dialoge, wie sich Platos Dialektik entwickelt habe. In einigen Hauptpunkten<lb/> trifft er mit der herkömmlichen Auffassung zusammen. Nur läßt er bei der<lb/> Definition des Guten schärfer hervortreten, daß die Harmonie, die richtige<lb/> Ordnung, in der es besteht, Gesetzlichkeit ist; ästhetisch angesehen ist diese ge¬<lb/> setzliche Ordnung das Schöne, als Lebensbedingung, als Erhalterin ist sie das<lb/> Gute, und zugleich ermöglicht sie die Erkenntnis und wird dadurch zum Wahren.<lb/> Nur durch die Begriffsbildung erkennen wir die Gegenstünde, und die Grund¬<lb/> begriffe, die wir, zwar durch die Tätigkeit der Sinne angeregt, aber nicht<lb/> durch die Sinne, sondern unabhängig von ihnen bilden, das sind die Ideen,<lb/> die Ordnerinnen des Wahrgenvmmnen, die Werkzeuge der Erkenntnis. „Das<lb/> Gesetz des Logischen ist früher als das sein, ist über dem Sein nach Plato;<lb/> das ist das Abe des Idealismus," des kritischen Idealismus, den Kant<lb/> wiederbelebt und vollendet hat. Und — nun kommt das Neue, von der her¬<lb/> gebrachten Auffassung Abweichende — es ist nicht wahr, daß Plato jemals<lb/> außer dieser Bedeutung seinen Ideen noch eine andre gegeben, daß er sie, wie<lb/> Aristoteles in seiner Polemik gegen den Meister meint, von den Begriffen los¬<lb/> gelöst und ihnen ein selbständiges, transzendentes Dasein zugesprochen, die Welt<lb/> der Wirklichkeiten verdoppelt habe. Freilich sei Plato schon von seinen aller¬<lb/> ersten Schüler» so mißverstanden worden, und er habe dieses Mißverständnis<lb/> durch seiue mythologischen und poetischen Einkleidungen einigermaßen ver¬<lb/> schuldet. Aber er habe den Irrtum im Parmenides zurückgewiesen und im<lb/> Sophist seine nicht mit ihm fortgeschrittnen Schüler selbst bekämpft. Plato<lb/> lehre nirgends die Transzendenz, das Jenseits. Sein Gott sei die im Menschen<lb/> waltende Vernunft. Was er von einem Schöpfer sage, das sei teils mythische<lb/> Einkleidung, teils Ironie. Dem Beweise der persönlichen Unsterblichkeit im<lb/> Phüdo messe er selbst keine zwingende Kraft bei, und im Symposion gebe er<lb/> die persönliche Fortdauer uach dem Tode preis. Die Unsterblichkeit, die er<lb/> hier lehre, sei die Fortzeugung der Gedanken des Ewigen, und daraus müsse<lb/> mau schließen, daß auch im Phädv mit der Unsterblichkeit nur die Erhebung<lb/> der Gedanken zum Ewigen gemeint sei. Der Sinn der Liebeslehre des Sym¬<lb/> posion aber sei: der Eros ist das Verlangen nach dem ewigen Besitz des<lb/> Schonen, das ja eins ist mit dem Guten. Der erotische Drang geht also auf<lb/> Unsterblichkeit. Die Unsterblichkeit des Sterblichen aber ist Fvrtzengung; durch<lb/> diese wird die menschliche Natur so unsterblich gemacht, wie sie zu sein ver¬<lb/> mag, verewigt sie sich. Die vollkommenste Selbstverewiguug aber besteht in<lb/> der philosophischen Erziehung der jüngern Generation.</p><lb/> <p xml:id="ID_1918" next="#ID_1919"> Wenn wir Natorp recht verstehn, meint er mit seinem Idealismus bloß<lb/> den erkenntnistheoretischen. So schätzenswert dieser nun auch sein mag, dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0426]
in einem eindrucksvoller Monument vor sich hingestellt sehen möchten, statt
daß dieses Buch nur Sache und immer wieder Sache bringt. Aber nur aus'
der Sache und nur aus dem Zentrum der Sache ist das Verständnis einer
Persönlichkeit wie die Platos zu gewinnen." Und zwar hat er dabei den
Zweck vor Augen, das Verständnis des Idealismus, das unserm Zeitalter so
gut wie abhanden gekommen sei, diesem wieder zu erringen.
Er zeigt nun in der Zergliederung der einzelnen chronologisch angeordneten
Dialoge, wie sich Platos Dialektik entwickelt habe. In einigen Hauptpunkten
trifft er mit der herkömmlichen Auffassung zusammen. Nur läßt er bei der
Definition des Guten schärfer hervortreten, daß die Harmonie, die richtige
Ordnung, in der es besteht, Gesetzlichkeit ist; ästhetisch angesehen ist diese ge¬
setzliche Ordnung das Schöne, als Lebensbedingung, als Erhalterin ist sie das
Gute, und zugleich ermöglicht sie die Erkenntnis und wird dadurch zum Wahren.
Nur durch die Begriffsbildung erkennen wir die Gegenstünde, und die Grund¬
begriffe, die wir, zwar durch die Tätigkeit der Sinne angeregt, aber nicht
durch die Sinne, sondern unabhängig von ihnen bilden, das sind die Ideen,
die Ordnerinnen des Wahrgenvmmnen, die Werkzeuge der Erkenntnis. „Das
Gesetz des Logischen ist früher als das sein, ist über dem Sein nach Plato;
das ist das Abe des Idealismus," des kritischen Idealismus, den Kant
wiederbelebt und vollendet hat. Und — nun kommt das Neue, von der her¬
gebrachten Auffassung Abweichende — es ist nicht wahr, daß Plato jemals
außer dieser Bedeutung seinen Ideen noch eine andre gegeben, daß er sie, wie
Aristoteles in seiner Polemik gegen den Meister meint, von den Begriffen los¬
gelöst und ihnen ein selbständiges, transzendentes Dasein zugesprochen, die Welt
der Wirklichkeiten verdoppelt habe. Freilich sei Plato schon von seinen aller¬
ersten Schüler» so mißverstanden worden, und er habe dieses Mißverständnis
durch seiue mythologischen und poetischen Einkleidungen einigermaßen ver¬
schuldet. Aber er habe den Irrtum im Parmenides zurückgewiesen und im
Sophist seine nicht mit ihm fortgeschrittnen Schüler selbst bekämpft. Plato
lehre nirgends die Transzendenz, das Jenseits. Sein Gott sei die im Menschen
waltende Vernunft. Was er von einem Schöpfer sage, das sei teils mythische
Einkleidung, teils Ironie. Dem Beweise der persönlichen Unsterblichkeit im
Phüdo messe er selbst keine zwingende Kraft bei, und im Symposion gebe er
die persönliche Fortdauer uach dem Tode preis. Die Unsterblichkeit, die er
hier lehre, sei die Fortzeugung der Gedanken des Ewigen, und daraus müsse
mau schließen, daß auch im Phädv mit der Unsterblichkeit nur die Erhebung
der Gedanken zum Ewigen gemeint sei. Der Sinn der Liebeslehre des Sym¬
posion aber sei: der Eros ist das Verlangen nach dem ewigen Besitz des
Schonen, das ja eins ist mit dem Guten. Der erotische Drang geht also auf
Unsterblichkeit. Die Unsterblichkeit des Sterblichen aber ist Fvrtzengung; durch
diese wird die menschliche Natur so unsterblich gemacht, wie sie zu sein ver¬
mag, verewigt sie sich. Die vollkommenste Selbstverewiguug aber besteht in
der philosophischen Erziehung der jüngern Generation.
Wenn wir Natorp recht verstehn, meint er mit seinem Idealismus bloß
den erkenntnistheoretischen. So schätzenswert dieser nun auch sein mag, dem
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