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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Der britische Staatshaushalt

Die nachstehende Aufstellung gibt die Hauptstufen im Anwachsen der ge¬
samten Staatsschuld, der festen wie der schwebenden, seit 1739.

173946 613000 °F Krieg mit Spanien
174L75812000 "Ende des Österreichischen Erbsolgekricgs
1763138865000 "Ende des siebenjährigen Kriegs
1775127162000 "Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs
1783231843000 "Ende des amerikanischen Kriegs
1793247874000 "Krieg gegen das revolutionäre Frankreich
1802537 653000 "Friede von Amiens
1816"00436000 "Ende der napoleonischen Kriege
1854803024000 "Beginn des Krimkriegs
18S6837123000 "Ende des Krimkriegs
1857838918000 "Jndischer Aufstand
1899627562000 "Beginn des Burenkriegs
1903770778000 "

Im achtzehnten Jahrhundert war seit 1739 nur die Zeit von 1763 bis
1775 imstande, einige Millionen abzuzahlen. Der amerikanische Krieg ließ
die Schuld wieder stark anschwellen, und endlich die napoleonischen Kriege
brachten sie auf ihren höchsten Punkt. Manchesmal wohl mochten den
Ministern Bedenken aufsteigen. Nur ein paar Jahre nach dem Beginn der
Revolutionskriege glaubte Pitt, mit einer weitern Anleihe von 20 Millionen
würde der Kredit des Staates erschöpft sein. Aber das Land hielt noch mehr
aus, trotz einer Reihe schlechter Ernten und trotz schwerer Störungen des
Handels. Gegen die Anleihen, die noch zu machen waren, erscheinen alle
frühern fast als geringfügig, und am Ende der napoleonischen Zeit fand
sich das Vereinigte Königreich mit der ungeheuern Schuld von mehr als
900 Millionen Pfund belastet.

Dabei hatte der Staat keineswegs 900 Millionen wirklich erhalten.
Gegen die frühere Gewohnheit eines hohen Zinsfußes wurden in der Zeit,
als Anleihe auf Anleihe folgte, meistens nur 3 oder 4 Prozent gewährt. So
gut stand nun der Staatskredit nie, daß ein solcher Zinsfuß die Geldleute
angelockt Hütte. Die Anleihen konnten nur zum Kurse von etwa sechzig an¬
gebracht werden, sodaß der wirkliche Zinsfuß bedeutend höher war. Was
aber die Geldleute wirklich anzog und sie bewog, lieber einen niedrigen Zins¬
fuß bei niedrigem Kurse als einen höhern Zinsfuß bei vollwertigem Kurse
zu nehmen, war die Möglichkeit, mit solchen Anleihen ein spekulatives Geschäft
zu machen, und das erklärt die Leichtigkeit, mit der die Negierung immer
Geld erhalten konnte, wobei natürlich der Reichtum, den England aus dem
Handel zog, die notwendige Voraussetzung war. Es darf auch nicht über¬
sehen werden, daß England im Besitze der Seeherrschaft unangreifbar war,
und die Darleiher über die Sicherheit ihres Kapitals beruhigt sein konnten.
Sie brauchten nur den Staatskredit zu stützen, und alles mußte gut ablaufen.

Für die Geldleute also war die Weise der Anleihebegebung vorteilhaft.
Sie belasten beim Steigen des Kurses eine reiche Ernte ein. Anders aber
lag die Sache für die Steuerzahler. Denn sie hatten nicht nur das aufge-
nommne Geld weit höher zu verzinsen, als angegeben war, sondern sie mußten


Der britische Staatshaushalt

Die nachstehende Aufstellung gibt die Hauptstufen im Anwachsen der ge¬
samten Staatsschuld, der festen wie der schwebenden, seit 1739.

173946 613000 °F Krieg mit Spanien
174L75812000 „Ende des Österreichischen Erbsolgekricgs
1763138865000 „Ende des siebenjährigen Kriegs
1775127162000 „Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs
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1857838918000 „Jndischer Aufstand
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1903770778000 „

Im achtzehnten Jahrhundert war seit 1739 nur die Zeit von 1763 bis
1775 imstande, einige Millionen abzuzahlen. Der amerikanische Krieg ließ
die Schuld wieder stark anschwellen, und endlich die napoleonischen Kriege
brachten sie auf ihren höchsten Punkt. Manchesmal wohl mochten den
Ministern Bedenken aufsteigen. Nur ein paar Jahre nach dem Beginn der
Revolutionskriege glaubte Pitt, mit einer weitern Anleihe von 20 Millionen
würde der Kredit des Staates erschöpft sein. Aber das Land hielt noch mehr
aus, trotz einer Reihe schlechter Ernten und trotz schwerer Störungen des
Handels. Gegen die Anleihen, die noch zu machen waren, erscheinen alle
frühern fast als geringfügig, und am Ende der napoleonischen Zeit fand
sich das Vereinigte Königreich mit der ungeheuern Schuld von mehr als
900 Millionen Pfund belastet.

Dabei hatte der Staat keineswegs 900 Millionen wirklich erhalten.
Gegen die frühere Gewohnheit eines hohen Zinsfußes wurden in der Zeit,
als Anleihe auf Anleihe folgte, meistens nur 3 oder 4 Prozent gewährt. So
gut stand nun der Staatskredit nie, daß ein solcher Zinsfuß die Geldleute
angelockt Hütte. Die Anleihen konnten nur zum Kurse von etwa sechzig an¬
gebracht werden, sodaß der wirkliche Zinsfuß bedeutend höher war. Was
aber die Geldleute wirklich anzog und sie bewog, lieber einen niedrigen Zins¬
fuß bei niedrigem Kurse als einen höhern Zinsfuß bei vollwertigem Kurse
zu nehmen, war die Möglichkeit, mit solchen Anleihen ein spekulatives Geschäft
zu machen, und das erklärt die Leichtigkeit, mit der die Negierung immer
Geld erhalten konnte, wobei natürlich der Reichtum, den England aus dem
Handel zog, die notwendige Voraussetzung war. Es darf auch nicht über¬
sehen werden, daß England im Besitze der Seeherrschaft unangreifbar war,
und die Darleiher über die Sicherheit ihres Kapitals beruhigt sein konnten.
Sie brauchten nur den Staatskredit zu stützen, und alles mußte gut ablaufen.

Für die Geldleute also war die Weise der Anleihebegebung vorteilhaft.
Sie belasten beim Steigen des Kurses eine reiche Ernte ein. Anders aber
lag die Sache für die Steuerzahler. Denn sie hatten nicht nur das aufge-
nommne Geld weit höher zu verzinsen, als angegeben war, sondern sie mußten


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[0417] Der britische Staatshaushalt Die nachstehende Aufstellung gibt die Hauptstufen im Anwachsen der ge¬ samten Staatsschuld, der festen wie der schwebenden, seit 1739. 173946 613000 °F Krieg mit Spanien 174L75812000 „Ende des Österreichischen Erbsolgekricgs 1763138865000 „Ende des siebenjährigen Kriegs 1775127162000 „Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs 1783231843000 „Ende des amerikanischen Kriegs 1793247874000 „Krieg gegen das revolutionäre Frankreich 1802537 653000 „Friede von Amiens 1816»00436000 „Ende der napoleonischen Kriege 1854803024000 „Beginn des Krimkriegs 18S6837123000 „Ende des Krimkriegs 1857838918000 „Jndischer Aufstand 1899627562000 „Beginn des Burenkriegs 1903770778000 „ Im achtzehnten Jahrhundert war seit 1739 nur die Zeit von 1763 bis 1775 imstande, einige Millionen abzuzahlen. Der amerikanische Krieg ließ die Schuld wieder stark anschwellen, und endlich die napoleonischen Kriege brachten sie auf ihren höchsten Punkt. Manchesmal wohl mochten den Ministern Bedenken aufsteigen. Nur ein paar Jahre nach dem Beginn der Revolutionskriege glaubte Pitt, mit einer weitern Anleihe von 20 Millionen würde der Kredit des Staates erschöpft sein. Aber das Land hielt noch mehr aus, trotz einer Reihe schlechter Ernten und trotz schwerer Störungen des Handels. Gegen die Anleihen, die noch zu machen waren, erscheinen alle frühern fast als geringfügig, und am Ende der napoleonischen Zeit fand sich das Vereinigte Königreich mit der ungeheuern Schuld von mehr als 900 Millionen Pfund belastet. Dabei hatte der Staat keineswegs 900 Millionen wirklich erhalten. Gegen die frühere Gewohnheit eines hohen Zinsfußes wurden in der Zeit, als Anleihe auf Anleihe folgte, meistens nur 3 oder 4 Prozent gewährt. So gut stand nun der Staatskredit nie, daß ein solcher Zinsfuß die Geldleute angelockt Hütte. Die Anleihen konnten nur zum Kurse von etwa sechzig an¬ gebracht werden, sodaß der wirkliche Zinsfuß bedeutend höher war. Was aber die Geldleute wirklich anzog und sie bewog, lieber einen niedrigen Zins¬ fuß bei niedrigem Kurse als einen höhern Zinsfuß bei vollwertigem Kurse zu nehmen, war die Möglichkeit, mit solchen Anleihen ein spekulatives Geschäft zu machen, und das erklärt die Leichtigkeit, mit der die Negierung immer Geld erhalten konnte, wobei natürlich der Reichtum, den England aus dem Handel zog, die notwendige Voraussetzung war. Es darf auch nicht über¬ sehen werden, daß England im Besitze der Seeherrschaft unangreifbar war, und die Darleiher über die Sicherheit ihres Kapitals beruhigt sein konnten. Sie brauchten nur den Staatskredit zu stützen, und alles mußte gut ablaufen. Für die Geldleute also war die Weise der Anleihebegebung vorteilhaft. Sie belasten beim Steigen des Kurses eine reiche Ernte ein. Anders aber lag die Sache für die Steuerzahler. Denn sie hatten nicht nur das aufge- nommne Geld weit höher zu verzinsen, als angegeben war, sondern sie mußten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/417>, abgerufen am 05.02.2025.