Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die Zukunft des deutschen volkstums anpassen müßte. Es könnten darin keine spezifisch deutschen Einrichtungen getroffen Nicht besser steht es mit der Hoffnung, daß die Dentschen in Amerika an Zunächst muß ins Auge gefaßt werden, daß die eingewanderten Deutschen, Auch für die deutsche! Und wenn ich trotz dieser klaren Erkenntnis zu denen Die Sprache eines Volks ist der Ausfluß seines Seelenlebens und seines Die Zukunft des deutschen volkstums anpassen müßte. Es könnten darin keine spezifisch deutschen Einrichtungen getroffen Nicht besser steht es mit der Hoffnung, daß die Dentschen in Amerika an Zunächst muß ins Auge gefaßt werden, daß die eingewanderten Deutschen, Auch für die deutsche! Und wenn ich trotz dieser klaren Erkenntnis zu denen Die Sprache eines Volks ist der Ausfluß seines Seelenlebens und seines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0409" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296790"/> <fw type="header" place="top"> Die Zukunft des deutschen volkstums</fw><lb/> <p xml:id="ID_1860" prev="#ID_1859"> anpassen müßte. Es könnten darin keine spezifisch deutschen Einrichtungen getroffen<lb/> werden; es könnte zu keiner spezifisch deutschen Entwicklung kommen, es könnte<lb/> sich nicht gegen den Verkehr mit den umliegenden Landesteilen zum Zweck un¬<lb/> gestörter deutscher Entwicklung abschließen, und könnte es das, so wäre ihm<lb/> natürlich jede Lebensader unterbunden. Diese Frage ist deshalb mit einem ent-<lb/> schiednen „Unmöglich" zu beantworten, und die darin anSgesprochne Hoffnung<lb/> in das Gebiet der utopischen Träume zu verweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1861"> Nicht besser steht es mit der Hoffnung, daß die Dentschen in Amerika an<lb/> ihrer Sprache dauernd festhalten werden, daß hier für immer, wie heute, von<lb/> einem großen Teile der Bevölkerung deutsch gesprochen werden wird. Wie es<lb/> mit dem Sprechen der deutschen Sprache unter den Kindern der deutschen Ein¬<lb/> gewanderten heute steht, ist schon besprochen worden. Eine Besserung in dieser<lb/> Hinsicht steht nicht in Aussicht, und zwar aus folgenden Gründen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1862"> Zunächst muß ins Auge gefaßt werden, daß die eingewanderten Deutschen,<lb/> so groß ihr Anteil an der Bevölkerung auch ist, doch überall — einige kleine<lb/> Kommunen ausgenommen, die nicht mitzählen — in der Minderheit sind. Die<lb/> geschichtliche Erfahrung lehrt, daß immer die Mehrzahl der Minderzahl ihre<lb/> Sprache aufdrängt. Die Sprache der Mehrzahl in den Vereinigten Staaten ist<lb/> aber die englische, und sie kann aus ihrer herrschenden Stellung nicht Vertrieben<lb/> oder verdrängt werden, weil sie das Verständigungsmittel zwischen den ver-<lb/> schiednen sich hier begegnenden Völkerschaften ist. Es läßt sich schlechter¬<lb/> dings nicht erwarten, daß Polen, Tschechen, Slowaken, Italiener, Griechen,<lb/> Spanier, Franzosen, Schweden, Norweger, Dünen, Finnen, Syrer, Jndier, Chinesen<lb/> und Japaner usw. in Amerika eine andre zweite Sprache erlernen werden als<lb/> die, durch die sie sich mit allen Anderssprechenden verständigen können. Denn<lb/> lernten sie zum Beispiel deutsch, so würden sie sich nur mit den Deutschen und<lb/> mit keinem andern verstündigen können. Mit andern Worten: nicht nur weil<lb/> sie die Amts- und die Rechtssprache, sondern weil sie das vvrhandne und des¬<lb/> halb gewiesne einzige Verständigungsmittel zwischen unsrer gesamten vielzungigen<lb/> Bevölkerung ist, drängt sich die englische Sprache jedem Bewohner der Ver¬<lb/> einigten Staaten als ein Muß auf. Mit jedem neuen Einwandrer, halte er im<lb/> Verkehr mit seinen Landsleuten auch noch so sehr an seiner Muttersprache fest,<lb/> gewinnt die englische Sprache eine Stärkung und Vermehrung ihres Übergewichts<lb/> über jede andre in den Vereinigten Staaten gesprochne Sprache. Und daraus<lb/> folgt für jede dieser andern die Unmöglichkeit, sich ihr gegenüber zu behaupten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1863"> Auch für die deutsche! Und wenn ich trotz dieser klaren Erkenntnis zu denen<lb/> gehöre, die mit aller ihnen zu Gebote stehenden Kraft für ihre Erhaltung — so<lb/> lauge als möglich! — gekämpft habe und kämpfe, fo leiten mich dabei folgende<lb/> Gründe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1864" next="#ID_1865"> Die Sprache eines Volks ist der Ausfluß seines Seelenlebens und seines<lb/> Charakters. Wenn — nach Jahrhunderten — der unvermeidliche Verschmelzungs¬<lb/> prozeß in den Vereinigten Staaten vollzogen sein, und wen» es ein einheitliches<lb/> amerikanisches Volk geben wird, so wird sein Typus, sein Charakter und seine<lb/> Sprache durch die Elemente geschaffen sein, die auf deu Bildungsprozeß Physisch<lb/> und seelisch am stärksten eingewirkt haben. Die deutsche ist von den einzelnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0409]
Die Zukunft des deutschen volkstums
anpassen müßte. Es könnten darin keine spezifisch deutschen Einrichtungen getroffen
werden; es könnte zu keiner spezifisch deutschen Entwicklung kommen, es könnte
sich nicht gegen den Verkehr mit den umliegenden Landesteilen zum Zweck un¬
gestörter deutscher Entwicklung abschließen, und könnte es das, so wäre ihm
natürlich jede Lebensader unterbunden. Diese Frage ist deshalb mit einem ent-
schiednen „Unmöglich" zu beantworten, und die darin anSgesprochne Hoffnung
in das Gebiet der utopischen Träume zu verweisen.
Nicht besser steht es mit der Hoffnung, daß die Dentschen in Amerika an
ihrer Sprache dauernd festhalten werden, daß hier für immer, wie heute, von
einem großen Teile der Bevölkerung deutsch gesprochen werden wird. Wie es
mit dem Sprechen der deutschen Sprache unter den Kindern der deutschen Ein¬
gewanderten heute steht, ist schon besprochen worden. Eine Besserung in dieser
Hinsicht steht nicht in Aussicht, und zwar aus folgenden Gründen.
Zunächst muß ins Auge gefaßt werden, daß die eingewanderten Deutschen,
so groß ihr Anteil an der Bevölkerung auch ist, doch überall — einige kleine
Kommunen ausgenommen, die nicht mitzählen — in der Minderheit sind. Die
geschichtliche Erfahrung lehrt, daß immer die Mehrzahl der Minderzahl ihre
Sprache aufdrängt. Die Sprache der Mehrzahl in den Vereinigten Staaten ist
aber die englische, und sie kann aus ihrer herrschenden Stellung nicht Vertrieben
oder verdrängt werden, weil sie das Verständigungsmittel zwischen den ver-
schiednen sich hier begegnenden Völkerschaften ist. Es läßt sich schlechter¬
dings nicht erwarten, daß Polen, Tschechen, Slowaken, Italiener, Griechen,
Spanier, Franzosen, Schweden, Norweger, Dünen, Finnen, Syrer, Jndier, Chinesen
und Japaner usw. in Amerika eine andre zweite Sprache erlernen werden als
die, durch die sie sich mit allen Anderssprechenden verständigen können. Denn
lernten sie zum Beispiel deutsch, so würden sie sich nur mit den Deutschen und
mit keinem andern verstündigen können. Mit andern Worten: nicht nur weil
sie die Amts- und die Rechtssprache, sondern weil sie das vvrhandne und des¬
halb gewiesne einzige Verständigungsmittel zwischen unsrer gesamten vielzungigen
Bevölkerung ist, drängt sich die englische Sprache jedem Bewohner der Ver¬
einigten Staaten als ein Muß auf. Mit jedem neuen Einwandrer, halte er im
Verkehr mit seinen Landsleuten auch noch so sehr an seiner Muttersprache fest,
gewinnt die englische Sprache eine Stärkung und Vermehrung ihres Übergewichts
über jede andre in den Vereinigten Staaten gesprochne Sprache. Und daraus
folgt für jede dieser andern die Unmöglichkeit, sich ihr gegenüber zu behaupten.
Auch für die deutsche! Und wenn ich trotz dieser klaren Erkenntnis zu denen
gehöre, die mit aller ihnen zu Gebote stehenden Kraft für ihre Erhaltung — so
lauge als möglich! — gekämpft habe und kämpfe, fo leiten mich dabei folgende
Gründe.
Die Sprache eines Volks ist der Ausfluß seines Seelenlebens und seines
Charakters. Wenn — nach Jahrhunderten — der unvermeidliche Verschmelzungs¬
prozeß in den Vereinigten Staaten vollzogen sein, und wen» es ein einheitliches
amerikanisches Volk geben wird, so wird sein Typus, sein Charakter und seine
Sprache durch die Elemente geschaffen sein, die auf deu Bildungsprozeß Physisch
und seelisch am stärksten eingewirkt haben. Die deutsche ist von den einzelnen
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