Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Dreibund zu sprengen, sondern ihn zusammenhalten für den Fall, das; sie seiner je Zugleich mit dem Bekanntwerden der italienischen Flottenverstärknngen hat der Auch Rußland hat schon einleitende Schritte zum Neubau einer großen Flotte Bisher war es ja für England leicht, ein Jahrhundert lang eine Oberherrlich¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches Dreibund zu sprengen, sondern ihn zusammenhalten für den Fall, das; sie seiner je Zugleich mit dem Bekanntwerden der italienischen Flottenverstärknngen hat der Auch Rußland hat schon einleitende Schritte zum Neubau einer großen Flotte Bisher war es ja für England leicht, ein Jahrhundert lang eine Oberherrlich¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296777"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1815" prev="#ID_1814"> Dreibund zu sprengen, sondern ihn zusammenhalten für den Fall, das; sie seiner je<lb/> bedürfen sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1816"> Zugleich mit dem Bekanntwerden der italienischen Flottenverstärknngen hat der<lb/> französische Marinerat eine Sitzung abgehalten, in der zugestandnermaßen „die<lb/> Verteidigung der großen Kriegshafen Frankreichs" auf der Tagesordnung gestanden<lb/> hat. Eine Hafenverteidignng ist im wesentlichen eine artilleristisch - fortifikntorische<lb/> Frage. Man wird deshalb im vorliegenden Falle wohl mit einiger Berechtigung<lb/> annehmen dürfen, daß unter dem obigen Titel die gesamte französische Flottenfrage<lb/> zur Beratung gestanden hat. Die Forderung, daß Frankreich seine „Superiorität"<lb/> zur See wahren müsse, ist schou ausgesprochen worden. Die neue Dislokation der<lb/> englischen Flotte kann trotz der augenblicklichen outents col'äials für Frankreich nicht<lb/> gleichgiltig sein, ebensowenig das Anwachsen der italienischen wie der deutschen<lb/> Flotte, und Zukunftsfragen, die in Ostasien herausziehn, verlangen erst recht eine<lb/> Prüfung der Frage, wieweit die Seestreitkräfte Frankreichs internationalen Ver¬<lb/> wicklungen gewachsen sein möchten, die vielleicht zugleich in Ostasien und in Europa<lb/> auszutragen wären. Frankreich wird nicht umhin können, seine Flotte solchen<lb/> Möglichkeiten anzupassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1817"> Auch Rußland hat schon einleitende Schritte zum Neubau einer großen Flotte<lb/> getan, die um der größern Beschleunigung willen zum großen Teil in Amerika<lb/> gebaut werden soll. Auch dann, wenn die nach Ostasien entsandte baltische Flotte<lb/> dort stark versehrt werden sollte, würde Rußland somit innerhalb fünf Jahren<lb/> wieder über eine achtunggebietende Seemacht verfügen und inzwischen wohl anch<lb/> zuhause die Reformen vollzogen haben, die durch Beseitigung des Schlendrians und<lb/> der Gewissenlosigkeit in der Marineverwaltung der russischen Flotte eine wesentlich<lb/> größere Bedeutung verleihen würde. Daß sich große Entfernungen überwinden<lb/> lassen, hat die unter größten Schwierigkeiten unternommne Fahrt der beiden bal¬<lb/> tischen Geschwader gezeigt. Allerdings muß zugegeben werden, daß la, Vrauos ?<lb/> tttM pour ouslcius oiwsk; ohne die gastliche Hilfe in den französischen Häfen<lb/> Europas, Afrikas und Asiens hätten die Admiräle Noschdestweusky und Nebogatow<lb/> ihr Ziel nicht erreichen können, das sie mit anerkennenswerter Geschicklichkeit an¬<lb/> gestrebt haben. Aber Frankreich wird in Ostasien mit Rußland immer Hand in<lb/> Hand zu gehn suchen, und England wird, um einen Konflikt mit Frankreich zu<lb/> vermeiden, dabei doch immer nach Möglichkeit ein Auge zudrücken. Wie sehr aber<lb/> die leitenden Kreise Großbritanniens mit der Eventualität eines Weltkriegs, das<lb/> heißt also eines großen Koalitiouskriegs gegen England rechnen, beweisen die auf<lb/> zwei Jahre vorgesehenen, den gesamten Erdball umfassenden Manöver der englischen<lb/> Flotte. England will sich nicht überraschen lassen. Je mehr sich die Meere mit<lb/> Kriegsschiffen aller Nationen füllen, desto größer wird die Gefahr eines Zu¬<lb/> sammenstoßes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1818" next="#ID_1819"> Bisher war es ja für England leicht, ein Jahrhundert lang eine Oberherrlich¬<lb/> keit zur See zu behaupte», neben der französischen gab es kaum eine nennenswerte<lb/> Flotte. Seitdem aber sind in Europa neben der französischen auch die russische,<lb/> die italienische und die deutsche Flotte entstanden, die beiden ersten verbündet, die<lb/> beiden letzten bis zu einem gewissen Grade auch, wobei denn auch uoch die öster¬<lb/> reichische Flotte mit in Betracht käme, die zwar an Zahl klein, in der Qualität<lb/> von Schiffen und Besatzungen aber sehr tüchtig ist; die amerikanische Flotte wächst<lb/> in großen Dimensionen mit sehr bestimmten Ansprüchen auf Seeherrschaft; in Ost¬<lb/> asien ist die japanische Flotte entstanden, die wenn auch durch den Krieg stark ge¬<lb/> schwächt, nach dem Kriege ihre Lücken schnell wieder schließen wird, und auch<lb/> China bereitet sich vor, wie es scheint unter japanischem Einfluß und unter<lb/> japanischer Mitwirkung, sich zur See wieder stärker zur Geltung zu bringen. Die<lb/> maritimen Verhältnisse haben sich mithin ans allen Ozeanen der Weltkugel stark<lb/> verschoben, jede Großmacht, die nicht auf ihre Existenzberechtigung verzichten will,<lb/> muß dem Rechnung tragen, und der britischen Admiralität ist es nicht zu verdenken,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0396]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Dreibund zu sprengen, sondern ihn zusammenhalten für den Fall, das; sie seiner je
bedürfen sollte.
Zugleich mit dem Bekanntwerden der italienischen Flottenverstärknngen hat der
französische Marinerat eine Sitzung abgehalten, in der zugestandnermaßen „die
Verteidigung der großen Kriegshafen Frankreichs" auf der Tagesordnung gestanden
hat. Eine Hafenverteidignng ist im wesentlichen eine artilleristisch - fortifikntorische
Frage. Man wird deshalb im vorliegenden Falle wohl mit einiger Berechtigung
annehmen dürfen, daß unter dem obigen Titel die gesamte französische Flottenfrage
zur Beratung gestanden hat. Die Forderung, daß Frankreich seine „Superiorität"
zur See wahren müsse, ist schou ausgesprochen worden. Die neue Dislokation der
englischen Flotte kann trotz der augenblicklichen outents col'äials für Frankreich nicht
gleichgiltig sein, ebensowenig das Anwachsen der italienischen wie der deutschen
Flotte, und Zukunftsfragen, die in Ostasien herausziehn, verlangen erst recht eine
Prüfung der Frage, wieweit die Seestreitkräfte Frankreichs internationalen Ver¬
wicklungen gewachsen sein möchten, die vielleicht zugleich in Ostasien und in Europa
auszutragen wären. Frankreich wird nicht umhin können, seine Flotte solchen
Möglichkeiten anzupassen.
Auch Rußland hat schon einleitende Schritte zum Neubau einer großen Flotte
getan, die um der größern Beschleunigung willen zum großen Teil in Amerika
gebaut werden soll. Auch dann, wenn die nach Ostasien entsandte baltische Flotte
dort stark versehrt werden sollte, würde Rußland somit innerhalb fünf Jahren
wieder über eine achtunggebietende Seemacht verfügen und inzwischen wohl anch
zuhause die Reformen vollzogen haben, die durch Beseitigung des Schlendrians und
der Gewissenlosigkeit in der Marineverwaltung der russischen Flotte eine wesentlich
größere Bedeutung verleihen würde. Daß sich große Entfernungen überwinden
lassen, hat die unter größten Schwierigkeiten unternommne Fahrt der beiden bal¬
tischen Geschwader gezeigt. Allerdings muß zugegeben werden, daß la, Vrauos ?
tttM pour ouslcius oiwsk; ohne die gastliche Hilfe in den französischen Häfen
Europas, Afrikas und Asiens hätten die Admiräle Noschdestweusky und Nebogatow
ihr Ziel nicht erreichen können, das sie mit anerkennenswerter Geschicklichkeit an¬
gestrebt haben. Aber Frankreich wird in Ostasien mit Rußland immer Hand in
Hand zu gehn suchen, und England wird, um einen Konflikt mit Frankreich zu
vermeiden, dabei doch immer nach Möglichkeit ein Auge zudrücken. Wie sehr aber
die leitenden Kreise Großbritanniens mit der Eventualität eines Weltkriegs, das
heißt also eines großen Koalitiouskriegs gegen England rechnen, beweisen die auf
zwei Jahre vorgesehenen, den gesamten Erdball umfassenden Manöver der englischen
Flotte. England will sich nicht überraschen lassen. Je mehr sich die Meere mit
Kriegsschiffen aller Nationen füllen, desto größer wird die Gefahr eines Zu¬
sammenstoßes.
Bisher war es ja für England leicht, ein Jahrhundert lang eine Oberherrlich¬
keit zur See zu behaupte», neben der französischen gab es kaum eine nennenswerte
Flotte. Seitdem aber sind in Europa neben der französischen auch die russische,
die italienische und die deutsche Flotte entstanden, die beiden ersten verbündet, die
beiden letzten bis zu einem gewissen Grade auch, wobei denn auch uoch die öster¬
reichische Flotte mit in Betracht käme, die zwar an Zahl klein, in der Qualität
von Schiffen und Besatzungen aber sehr tüchtig ist; die amerikanische Flotte wächst
in großen Dimensionen mit sehr bestimmten Ansprüchen auf Seeherrschaft; in Ost¬
asien ist die japanische Flotte entstanden, die wenn auch durch den Krieg stark ge¬
schwächt, nach dem Kriege ihre Lücken schnell wieder schließen wird, und auch
China bereitet sich vor, wie es scheint unter japanischem Einfluß und unter
japanischer Mitwirkung, sich zur See wieder stärker zur Geltung zu bringen. Die
maritimen Verhältnisse haben sich mithin ans allen Ozeanen der Weltkugel stark
verschoben, jede Großmacht, die nicht auf ihre Existenzberechtigung verzichten will,
muß dem Rechnung tragen, und der britischen Admiralität ist es nicht zu verdenken,
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