Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.erst nach Abschluß aller ihnen nötig erscheinenden Ermittlungen an die Staats¬ Es fragt sich, wie hier zu helfen ist. Dabei wird man davon ausgehn So bleibt nur der andre Ausweg, die Umgestaltung der Staatsanwalt¬ erst nach Abschluß aller ihnen nötig erscheinenden Ermittlungen an die Staats¬ Es fragt sich, wie hier zu helfen ist. Dabei wird man davon ausgehn So bleibt nur der andre Ausweg, die Umgestaltung der Staatsanwalt¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0364" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297496"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1617" prev="#ID_1616"> erst nach Abschluß aller ihnen nötig erscheinenden Ermittlungen an die Staats¬<lb/> anwaltschaft abgeben. Immerhin schiebt sich auch hier die Staatsanwalt¬<lb/> schaft als eine neue zeitraubende Instanz zwischen die eigentliche Ermittlungs¬<lb/> behörde und das erkennende Gericht. Für alle Fälle aber bleibt der weitere<lb/> Mangel unsers Verfahrens, daß der Staatsanwalt seine Entscheidungen zu<lb/> treffen hat allein auf Grund des Akteninhalts, der kein völlig richtiges Bild<lb/> der Vorgänge geben kann, daß der Staatsanwalt des persönlichen Eindrucks<lb/> der in Betracht kommenden Personen entbehrt, und daß er die Verhältnisse,<lb/> ans deren Boden die Straftaten erwachsen sind, zu wenig kennt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1618"> Es fragt sich, wie hier zu helfen ist. Dabei wird man davon ausgehn<lb/> müssen, daß das Hauptübel unsers Ermittlungsverfahrens, wie wir gesehen<lb/> haben, in der Mitwirkung so vieler verschiedener Behörden und Beamten liegt<lb/> (Staatsanwaltschaft, Amtsgericht, Gendarmerie, Polizei, und unter Umständen<lb/> noch der Untersuchungsrichter). Rein theoretisch betrachtet wäre also dem<lb/> Übel leicht dadurch abzuhelfen, daß man an Stelle der verschiednen Behörden<lb/> eine einheitlich geordnete Behörde setzte, die die Ausgabe Hütte, die gesamten<lb/> Ermittlungen bis zur Einstellung oder Abgabe der Sachen an das Gericht<lb/> selber vorzunehmen. Die Schwierigkeit liegt aber darin, wie eine solche Be¬<lb/> hörde zu organisieren, und wem sie unterzuordnen wäre. Schon nach unsrer<lb/> jetzigeir Strafprozeßordnung (Paragraph 159) hat der Staatsanwalt das Recht,<lb/> alle Ermittlungen mit Ausnahme ganz bestimmter dem Gericht vorbehaltner<lb/> Handlungen selber vorzunehmen. Er ist dazu aber in den meisten Fällen so<lb/> gut wie ganz außerstande, da er, am Ort des Landgerichts sitzend, zu spät<lb/> von den Vorkommnissen erfährt, da er nicht das nötige Personal von Unter¬<lb/> beamten und mittlern Beamten zur Verfügung hat, da er nicht die nötige<lb/> eigentlich kriminalistische Schulung hat, und da ihm vor allem die nahe<lb/> Fühlung mit dem Publikum fehlt, ohne die erfolgreiche Ermittlungen einfach<lb/> nicht gemacht werden können. Darum ist dann auch, wenigstens in den<lb/> Städten, die Polizei die eigentliche Trägerin des Ermittlungsverfahrens ge¬<lb/> worden, wozu sie mit ihrem großen Beamtenpersvncil und ihrer immerwährenden<lb/> Berührung mit dem Publikum besonders geeignet erscheint. Hieraus ergibt<lb/> sich, daß man entweder die Staatsanwaltschaft anders organisieren, oder daß<lb/> man unter Beseitigung der Staatsanwaltschaft der Polizei das Recht der<lb/> Anklageerhebung erteilen muß. Dieser letzte Ausweg unterliegt aber dem Be¬<lb/> denken, daß die Macht der Polizei bei uns schon überaus groß ist. Diese<lb/> durch die wichtige Befugnis der Anklagecrhebung noch zu steigern, wird also<lb/> nirgends Neigung bestehn. Außer in den großen Städten, wo ihre Kriminal¬<lb/> abteilungen nicht allzu schwer entsprechend umgestaltet werden könnten, fehlt<lb/> es aber auch an einer Polizeibehörde, der das Amt der Anklageerhebung über¬<lb/> tragen werden könnte, denn daß die Amtsvorsteher und die Polizeibehörden<lb/> der kleinen Städte hierzu nicht in der Lage sind, bedarf keiner Erörterung-</p><lb/> <p xml:id="ID_1619" next="#ID_1620"> So bleibt nur der andre Ausweg, die Umgestaltung der Staatsanwalt¬<lb/> schaft. Dies würde für die großen Städte gleichbedeutend sein mit einer Ab¬<lb/> trennung der Kriminalpolizei von der übrigen Polizei und ihrer Unterordnung<lb/> nnter die Staatsanwaltschaft (für die man die Bezeichnung Sicherheitsbehörde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0364]
erst nach Abschluß aller ihnen nötig erscheinenden Ermittlungen an die Staats¬
anwaltschaft abgeben. Immerhin schiebt sich auch hier die Staatsanwalt¬
schaft als eine neue zeitraubende Instanz zwischen die eigentliche Ermittlungs¬
behörde und das erkennende Gericht. Für alle Fälle aber bleibt der weitere
Mangel unsers Verfahrens, daß der Staatsanwalt seine Entscheidungen zu
treffen hat allein auf Grund des Akteninhalts, der kein völlig richtiges Bild
der Vorgänge geben kann, daß der Staatsanwalt des persönlichen Eindrucks
der in Betracht kommenden Personen entbehrt, und daß er die Verhältnisse,
ans deren Boden die Straftaten erwachsen sind, zu wenig kennt.
Es fragt sich, wie hier zu helfen ist. Dabei wird man davon ausgehn
müssen, daß das Hauptübel unsers Ermittlungsverfahrens, wie wir gesehen
haben, in der Mitwirkung so vieler verschiedener Behörden und Beamten liegt
(Staatsanwaltschaft, Amtsgericht, Gendarmerie, Polizei, und unter Umständen
noch der Untersuchungsrichter). Rein theoretisch betrachtet wäre also dem
Übel leicht dadurch abzuhelfen, daß man an Stelle der verschiednen Behörden
eine einheitlich geordnete Behörde setzte, die die Ausgabe Hütte, die gesamten
Ermittlungen bis zur Einstellung oder Abgabe der Sachen an das Gericht
selber vorzunehmen. Die Schwierigkeit liegt aber darin, wie eine solche Be¬
hörde zu organisieren, und wem sie unterzuordnen wäre. Schon nach unsrer
jetzigeir Strafprozeßordnung (Paragraph 159) hat der Staatsanwalt das Recht,
alle Ermittlungen mit Ausnahme ganz bestimmter dem Gericht vorbehaltner
Handlungen selber vorzunehmen. Er ist dazu aber in den meisten Fällen so
gut wie ganz außerstande, da er, am Ort des Landgerichts sitzend, zu spät
von den Vorkommnissen erfährt, da er nicht das nötige Personal von Unter¬
beamten und mittlern Beamten zur Verfügung hat, da er nicht die nötige
eigentlich kriminalistische Schulung hat, und da ihm vor allem die nahe
Fühlung mit dem Publikum fehlt, ohne die erfolgreiche Ermittlungen einfach
nicht gemacht werden können. Darum ist dann auch, wenigstens in den
Städten, die Polizei die eigentliche Trägerin des Ermittlungsverfahrens ge¬
worden, wozu sie mit ihrem großen Beamtenpersvncil und ihrer immerwährenden
Berührung mit dem Publikum besonders geeignet erscheint. Hieraus ergibt
sich, daß man entweder die Staatsanwaltschaft anders organisieren, oder daß
man unter Beseitigung der Staatsanwaltschaft der Polizei das Recht der
Anklageerhebung erteilen muß. Dieser letzte Ausweg unterliegt aber dem Be¬
denken, daß die Macht der Polizei bei uns schon überaus groß ist. Diese
durch die wichtige Befugnis der Anklagecrhebung noch zu steigern, wird also
nirgends Neigung bestehn. Außer in den großen Städten, wo ihre Kriminal¬
abteilungen nicht allzu schwer entsprechend umgestaltet werden könnten, fehlt
es aber auch an einer Polizeibehörde, der das Amt der Anklageerhebung über¬
tragen werden könnte, denn daß die Amtsvorsteher und die Polizeibehörden
der kleinen Städte hierzu nicht in der Lage sind, bedarf keiner Erörterung-
So bleibt nur der andre Ausweg, die Umgestaltung der Staatsanwalt¬
schaft. Dies würde für die großen Städte gleichbedeutend sein mit einer Ab¬
trennung der Kriminalpolizei von der übrigen Polizei und ihrer Unterordnung
nnter die Staatsanwaltschaft (für die man die Bezeichnung Sicherheitsbehörde
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