Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Das Syrakus des Mestens und seine Bildungsstätte Häusern wegzuschippen, darauf zur Universität gehn und College hören, dann So viel über die soziale Seite dieser Frage. Leider ist das Resultat vom Das "System," das in Syracuse und andern amerikanischen Hochschule" Das Syrakus des Mestens und seine Bildungsstätte Häusern wegzuschippen, darauf zur Universität gehn und College hören, dann So viel über die soziale Seite dieser Frage. Leider ist das Resultat vom Das „System," das in Syracuse und andern amerikanischen Hochschule» <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297452"/> <fw type="header" place="top"> Das Syrakus des Mestens und seine Bildungsstätte</fw><lb/> <p xml:id="ID_1421" prev="#ID_1420"> Häusern wegzuschippen, darauf zur Universität gehn und College hören, dann<lb/> ihre Kommilitonen in den Klubs als Kellner beim Mittagessen bedienen, nach<lb/> Tische arbeiten und Abends in der Stadt tätig sind. Es ist ein großartiger<lb/> demokratischer Zug des amerikanischen Studentenlebens, daß diese Studenten<lb/> überall in hohen Ehren gehalten werden. Ich selbst kenne einen Fall, daß ein<lb/> junger Mann vier Jahre lang in der Fabrik arbeitete und sich auch auf der<lb/> Universität einen Nebenerwerb verschaffte, um das nötige Geld für sein Studium<lb/> zu ersparen. Er wurde trotzdem von seinen Kommilitonen zur Ehrenstellung<lb/> des Vorsitzenden der Seniorenklasse erwählt. Die Studenten aller amerikanischen<lb/> Hochschulen sind nämlich eingeteilt in: irssninöii (erster Jahrgang), soxkoinorss<lb/> (zweiter Jahrgang), ^'unior8 (dritter Jahrgang) und seniors (vierter Jahrgang).<lb/> Diese Einteilung hat etwas von Kastenwesen an sich. Die Studentinnen ver¬<lb/> suchen besonders an der Schreibmaschine, als Hilfe im Haushalt usw. einen<lb/> Teil ihres Lebensunterhalts zu verdienen und verlieren dabei in den Augen<lb/> ihrer Genossinnen durchaus nicht an Respekt. Von 120000 Studenten der<lb/> amerikanischen Universitäten und Colleges machen fast 45 Prozent ohne wesent¬<lb/> liche Unterstützung ihrer Angehörigen einen vierjährigen Universitätskursus durch.<lb/> Es gibt sicherlich kein Land, wo das Sprichwort: „Arbeit schündet nicht" so<lb/> zu Recht besteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1422"> So viel über die soziale Seite dieser Frage. Leider ist das Resultat vom<lb/> pädagogischen Standpunkt aus etwas anders. Es ist kein Zweifel, daß hoch¬<lb/> begabte, energische junge Leute, wenn sie zu denen gehören, die „zweien Herren<lb/> dienen" müssen, nicht zur vollen Entfaltung ihrer Kräfte und wohl nie zum<lb/> Genuß ihrer Studien kommen. Ihr Leben ist eine unablässige Plackerei, und<lb/> es fragt sich sehr, ob die (!o1I«ZU«z «zäueation nicht in den meisten Fällen mit<lb/> zu großen Opfern erkauft ist. Da diese Studenten, die sich durch die Universität<lb/> durcharbeiten, keine Zeit für Zerstreuungen und Vergnügungen verschwenden, so<lb/> leisten sie trotz ihrer Nebenbeschäftigungen durchschnittlich Befriedigendes, wie<lb/> das Gutachten von sechsundfünfzig Universitätsrektoren bezeugt. Aber zu gleicher<lb/> Zeit tragen sie unbewußt dazu bei, die Studienziele der Universität, die an und<lb/> für sich nicht hoch sind, noch mehr herabzudrücken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1423" next="#ID_1424"> Das „System," das in Syracuse und andern amerikanischen Hochschule»<lb/> im Schwange ist, ist nicht geeignet, den Ehrgeiz anzuspornen oder den Stu¬<lb/> denten zu freier, wissenschaftlicher Arbeit anzuregen. In manchen Fällen hat<lb/> man den Eindruck, daß sich die Studenten wie Gefangne fühlen, die eine ge¬<lb/> wisse Zeit absitzen müssen und dann erst zur goldnen Freiheit gelangen. Wer<lb/> nämlich siebenhundertundzwanzig Kollegstunden beigewohnt hat — gewisse Vor¬<lb/> lesungen sind dem Studenten vorgeschrieben, die meisten aber sind Wahlfächer,<lb/> die oft in keinem innern organischen Zusammenhange stehn —, immer gut<lb/> oder leidlich präpariert war und die Prüfungen am Ende jedes Halbjahres<lb/> wenn auch nur mit Mühe bestanden hat, erhält hundertundzwanzig Stunden<lb/> vrczäit., was ihn berechtigt, am Ende des vierten Studienjahres den Titel<lb/> Baccalaureus zu führen. Dadurch, daß für jeden Tag eine gewisse Prüparation<lb/> nötig ist, die für schwierige Fächer viel Zeit beansprucht, wird ein spezialisieren<lb/> im wissenschaftlichen Sinne fast unmöglich gemacht. Nun dürfen wir zwar nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0320]
Das Syrakus des Mestens und seine Bildungsstätte
Häusern wegzuschippen, darauf zur Universität gehn und College hören, dann
ihre Kommilitonen in den Klubs als Kellner beim Mittagessen bedienen, nach
Tische arbeiten und Abends in der Stadt tätig sind. Es ist ein großartiger
demokratischer Zug des amerikanischen Studentenlebens, daß diese Studenten
überall in hohen Ehren gehalten werden. Ich selbst kenne einen Fall, daß ein
junger Mann vier Jahre lang in der Fabrik arbeitete und sich auch auf der
Universität einen Nebenerwerb verschaffte, um das nötige Geld für sein Studium
zu ersparen. Er wurde trotzdem von seinen Kommilitonen zur Ehrenstellung
des Vorsitzenden der Seniorenklasse erwählt. Die Studenten aller amerikanischen
Hochschulen sind nämlich eingeteilt in: irssninöii (erster Jahrgang), soxkoinorss
(zweiter Jahrgang), ^'unior8 (dritter Jahrgang) und seniors (vierter Jahrgang).
Diese Einteilung hat etwas von Kastenwesen an sich. Die Studentinnen ver¬
suchen besonders an der Schreibmaschine, als Hilfe im Haushalt usw. einen
Teil ihres Lebensunterhalts zu verdienen und verlieren dabei in den Augen
ihrer Genossinnen durchaus nicht an Respekt. Von 120000 Studenten der
amerikanischen Universitäten und Colleges machen fast 45 Prozent ohne wesent¬
liche Unterstützung ihrer Angehörigen einen vierjährigen Universitätskursus durch.
Es gibt sicherlich kein Land, wo das Sprichwort: „Arbeit schündet nicht" so
zu Recht besteht.
So viel über die soziale Seite dieser Frage. Leider ist das Resultat vom
pädagogischen Standpunkt aus etwas anders. Es ist kein Zweifel, daß hoch¬
begabte, energische junge Leute, wenn sie zu denen gehören, die „zweien Herren
dienen" müssen, nicht zur vollen Entfaltung ihrer Kräfte und wohl nie zum
Genuß ihrer Studien kommen. Ihr Leben ist eine unablässige Plackerei, und
es fragt sich sehr, ob die (!o1I«ZU«z «zäueation nicht in den meisten Fällen mit
zu großen Opfern erkauft ist. Da diese Studenten, die sich durch die Universität
durcharbeiten, keine Zeit für Zerstreuungen und Vergnügungen verschwenden, so
leisten sie trotz ihrer Nebenbeschäftigungen durchschnittlich Befriedigendes, wie
das Gutachten von sechsundfünfzig Universitätsrektoren bezeugt. Aber zu gleicher
Zeit tragen sie unbewußt dazu bei, die Studienziele der Universität, die an und
für sich nicht hoch sind, noch mehr herabzudrücken.
Das „System," das in Syracuse und andern amerikanischen Hochschule»
im Schwange ist, ist nicht geeignet, den Ehrgeiz anzuspornen oder den Stu¬
denten zu freier, wissenschaftlicher Arbeit anzuregen. In manchen Fällen hat
man den Eindruck, daß sich die Studenten wie Gefangne fühlen, die eine ge¬
wisse Zeit absitzen müssen und dann erst zur goldnen Freiheit gelangen. Wer
nämlich siebenhundertundzwanzig Kollegstunden beigewohnt hat — gewisse Vor¬
lesungen sind dem Studenten vorgeschrieben, die meisten aber sind Wahlfächer,
die oft in keinem innern organischen Zusammenhange stehn —, immer gut
oder leidlich präpariert war und die Prüfungen am Ende jedes Halbjahres
wenn auch nur mit Mühe bestanden hat, erhält hundertundzwanzig Stunden
vrczäit., was ihn berechtigt, am Ende des vierten Studienjahres den Titel
Baccalaureus zu führen. Dadurch, daß für jeden Tag eine gewisse Prüparation
nötig ist, die für schwierige Fächer viel Zeit beansprucht, wird ein spezialisieren
im wissenschaftlichen Sinne fast unmöglich gemacht. Nun dürfen wir zwar nicht
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