Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Langodardische Reste in Lividale die Langobarden dem für griechische Kultur empfänglichern Stamme der Goten Diese Verhältnisse mußten auch der Ausbildung eines den Stammeseigen- In Cividale dagegen sind uns aus dem achten Jahrhundert einige Werke Grenzboten et 1905 !54
Langodardische Reste in Lividale die Langobarden dem für griechische Kultur empfänglichern Stamme der Goten Diese Verhältnisse mußten auch der Ausbildung eines den Stammeseigen- In Cividale dagegen sind uns aus dem achten Jahrhundert einige Werke Grenzboten et 1905 !54
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297401"/> <fw type="header" place="top"> Langodardische Reste in Lividale</fw><lb/> <p xml:id="ID_1175" prev="#ID_1174"> die Langobarden dem für griechische Kultur empfänglichern Stamme der Goten<lb/> weit nach. Auf die kriegerischen Hirten und Jäger, denen die bescheidne Holz¬<lb/> hütte im schattigen Waldtal als Unterschlupf völlig genügte, war während ihres<lb/> zweihuudertjührigeu Aufenthalts in Pannonien die Nähe von Byzanz ohne jeden<lb/> Einfluß geblieben. Es lag ja schon die Unfähigkeit, sich neuen Verhältnissen<lb/> anzupassen, tief in dem Charakter der Langobarden, in dem starren Festhalten an<lb/> den altüberlieferten, durch die Erinnerung an die den Vätern geheiligten Bräuche<lb/> begründet, ein Chcirakterzng, der sich vor allem in der fast unausrottbaren Ver¬<lb/> ehrung des alten Stammesgottes Wodan noch zu einer Zeit kundgibt, wo sich<lb/> das ganze Volk längst zum arianischen Glauben bekannte. Dieser Zug ins<lb/> Mythisch-Mystische haftet sogar noch im neunten Jahrhundert dem gelehrtesten<lb/> Vertreter des nicht allzu denkreifen Volkes Paul Waruefried oder Paulus Dia¬<lb/> konus an, der in seiner unter Karl dein Großen verfaßten Geschichte der Lango¬<lb/> barden bunt zusammengewürfelt Mythen und sagenhafte Erzählungen in den Gang<lb/> der geschichtlichen Darstellung mischte. Zudem mochten die vielen Kämpfe mit<lb/> feindlichen Nachbarn, der vereinigten Macht des Papstes, des byzantinischen<lb/> Kaisers und der Franken sowie das früh geschwächte Ansehen des Königs, der<lb/> in immerwährendem Streit mit seinen übergewaltigen, unbotmäßigen Herzögen<lb/> lag, der gedeihlichen, friedlichen Entwicklung des Volkes hemmend im Wege stehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1176"> Diese Verhältnisse mußten auch der Ausbildung eines den Stammeseigen-<lb/> tümlichkeiten entsprechenden Stils in der Kunst unüberwindliche Schwierigkeiten<lb/> entgegensetzen. Die rege Bautätigkeit, die wir trotz allen diesen Wirren nach innen<lb/> und nach außen hin vielfach von den katholisch gesinnten Herrschern auf dem<lb/> langobardischen Throne, so einer Thevdelindc, einem Pertarix, Luitprcmd usw.<lb/> entfalten sehen, muß deshalb in der ersten Zeit direkt auf römische oder auf<lb/> byzantinische Künstler zurückgeführt werden und wird sich sicher auch später, als<lb/> ab und zu Baumeister mit langobardischen Namen auftreten, im großen und<lb/> ganzen auf die Nachahmung fremder Vorbilder beschränkt haben. Daß das von<lb/> dem Goten Valccmsus auf Befehl König Rotaris 64Z uiedcrgeschriebne Lango¬<lb/> bardenrecht, das auf heimischer Überlieferung beruht und das bedentendste Ge¬<lb/> setzeswerk der damaligen Zeiten ist, eingehende Bestimmungen über das Bau-<lb/> uud das Innungswesen der Steinmetzen enthält, kann an der Annahme kaum<lb/> etwas ändern. Sollten aber doch einzelne Bauwerke langobardischen Meistern<lb/> ihre Entstehung verdanken, so sind wir heutzutage leider nicht mehr imstande,<lb/> uns über deren Fähigkeiten ein Urteil zu bilden, weil sich auch nicht eine der<lb/> damals aufgeführten Kirche», der zahlreichen Klöster und Paläste in der ur¬<lb/> sprünglichen Form bis heute erhalten hat. Es ist ja nachgewiesen, daß die<lb/> früher den Langobarden zugeschriebnen Gotteshäuser zu Pavia, Mailand, Lucca,<lb/> Spoleto und Benevent in ihrer heutigen Gestalt einer viel spätern Zeit, dem<lb/> elften oder dem zwölften Jahrhundert entstammen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1177" next="#ID_1178"> In Cividale dagegen sind uns aus dem achten Jahrhundert einige Werke<lb/> erhalten, die sich mit Bestimmtheit ans langobardischen Ursprung zurückführe,,<lb/> lassen und deshalb als der Ausdruck langobardischer Kunstweise erklärt worden<lb/> sind. Allerdings zeigen sie einen Stand der Kunst, den man mit den ersten<lb/> Versuchen ungeschickter Kinderhand vergleichen kann. Es ist jedoch nachgewiesen,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten et 1905 !54</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0269]
Langodardische Reste in Lividale
die Langobarden dem für griechische Kultur empfänglichern Stamme der Goten
weit nach. Auf die kriegerischen Hirten und Jäger, denen die bescheidne Holz¬
hütte im schattigen Waldtal als Unterschlupf völlig genügte, war während ihres
zweihuudertjührigeu Aufenthalts in Pannonien die Nähe von Byzanz ohne jeden
Einfluß geblieben. Es lag ja schon die Unfähigkeit, sich neuen Verhältnissen
anzupassen, tief in dem Charakter der Langobarden, in dem starren Festhalten an
den altüberlieferten, durch die Erinnerung an die den Vätern geheiligten Bräuche
begründet, ein Chcirakterzng, der sich vor allem in der fast unausrottbaren Ver¬
ehrung des alten Stammesgottes Wodan noch zu einer Zeit kundgibt, wo sich
das ganze Volk längst zum arianischen Glauben bekannte. Dieser Zug ins
Mythisch-Mystische haftet sogar noch im neunten Jahrhundert dem gelehrtesten
Vertreter des nicht allzu denkreifen Volkes Paul Waruefried oder Paulus Dia¬
konus an, der in seiner unter Karl dein Großen verfaßten Geschichte der Lango¬
barden bunt zusammengewürfelt Mythen und sagenhafte Erzählungen in den Gang
der geschichtlichen Darstellung mischte. Zudem mochten die vielen Kämpfe mit
feindlichen Nachbarn, der vereinigten Macht des Papstes, des byzantinischen
Kaisers und der Franken sowie das früh geschwächte Ansehen des Königs, der
in immerwährendem Streit mit seinen übergewaltigen, unbotmäßigen Herzögen
lag, der gedeihlichen, friedlichen Entwicklung des Volkes hemmend im Wege stehn.
Diese Verhältnisse mußten auch der Ausbildung eines den Stammeseigen-
tümlichkeiten entsprechenden Stils in der Kunst unüberwindliche Schwierigkeiten
entgegensetzen. Die rege Bautätigkeit, die wir trotz allen diesen Wirren nach innen
und nach außen hin vielfach von den katholisch gesinnten Herrschern auf dem
langobardischen Throne, so einer Thevdelindc, einem Pertarix, Luitprcmd usw.
entfalten sehen, muß deshalb in der ersten Zeit direkt auf römische oder auf
byzantinische Künstler zurückgeführt werden und wird sich sicher auch später, als
ab und zu Baumeister mit langobardischen Namen auftreten, im großen und
ganzen auf die Nachahmung fremder Vorbilder beschränkt haben. Daß das von
dem Goten Valccmsus auf Befehl König Rotaris 64Z uiedcrgeschriebne Lango¬
bardenrecht, das auf heimischer Überlieferung beruht und das bedentendste Ge¬
setzeswerk der damaligen Zeiten ist, eingehende Bestimmungen über das Bau-
uud das Innungswesen der Steinmetzen enthält, kann an der Annahme kaum
etwas ändern. Sollten aber doch einzelne Bauwerke langobardischen Meistern
ihre Entstehung verdanken, so sind wir heutzutage leider nicht mehr imstande,
uns über deren Fähigkeiten ein Urteil zu bilden, weil sich auch nicht eine der
damals aufgeführten Kirche», der zahlreichen Klöster und Paläste in der ur¬
sprünglichen Form bis heute erhalten hat. Es ist ja nachgewiesen, daß die
früher den Langobarden zugeschriebnen Gotteshäuser zu Pavia, Mailand, Lucca,
Spoleto und Benevent in ihrer heutigen Gestalt einer viel spätern Zeit, dem
elften oder dem zwölften Jahrhundert entstammen.
In Cividale dagegen sind uns aus dem achten Jahrhundert einige Werke
erhalten, die sich mit Bestimmtheit ans langobardischen Ursprung zurückführe,,
lassen und deshalb als der Ausdruck langobardischer Kunstweise erklärt worden
sind. Allerdings zeigen sie einen Stand der Kunst, den man mit den ersten
Versuchen ungeschickter Kinderhand vergleichen kann. Es ist jedoch nachgewiesen,
Grenzboten et 1905 !54
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