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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Finanzreformvorlage bringen soll, für unsre innern Verhältnisse entscheidend werden
könnte. Sie wird es werden, wenn die Regierung mit einer wohlerwognen Vor¬
lage kommt und dann entschlossen an dem festhält, was sie für recht und richtig
erkannt hat. Die Flottenvorlage, die daneben noch bevorsteht, wird eine solche Rolle
kaum haben. Auch für diese scheint der Inhalt noch nicht ganz festzustehn. Be¬
schränkt er sich, wie früher verlautete, auf sechs Panzerkreuzer und einige Torpedo-
bovtsdivisionen, so ist kaum anzunehmen, daß irgendwelche Schwierigkeiten damit
verknüpft sein könnten. Dazu reden die Zeichen der Zeit eine zu ernste Sprache,
und die Einsicht, daß wir einer starken Flotte dringend bedürfen, ist in diesen
letzten Jahren Gemeingut der breitesten Schichten der Nation geworden. Auch im
Landheere selbst hat sich diese Überzeugung Bahn gebrochen, und alle intelligenter!!
Offizierskreise sind einig darin, daß wir einer Flotte bedürfen, die stark genug ist,
verhüten zu können, daß Erfolge des Landheeres durch Mißerfolge zur See auf¬
gehoben oder durch feindliche Landungen, unter dem Schutz einer überlegnen Flotte,
in ihren Wirkungen beeinträchtigt werden. Von überseeischen Aufgaben, die die
Zeit uns bringen kann, wie dies so unerwartet im Jahre 1900 der Fall war,
ganz zu schweigen. Daß die Landarmee dabei etwas zu kurz kommt, ist richtig,
namentlich auch für die Kavallerie, die sich in dem Augenblick eines Kriegsausbruchs
nicht improvisieren läßt. Aber nachdem der Zweibnnd seine bedrohliche Flcmken-
stellnng einstweilen verloren, und der asiatische.Krieg für die rassischen Reitermassen,
nach Zusammensetzung und Führung, zu eiuer wesentlich niedrigern Einschätzung
geführt hat, können wir die Vermehrung unsrer Reiterei auf die taktisch und stra¬
tegisch gebotne Höhe in kleinere Etappen zerlegen. Hauptsache bleibt das Vertrauen
des Landes in die Heeres- und die Flottenverwaltung, und daß diese mit völlig
gutem Gewissen vor den Reichstag treten können. Auf dieses Vertrauen haben die
jetzige Heeres- und Flvttenverwaltung berechtigten Anspruch, die beide nichts Un¬
nötiges, nichts Überflüssiges fordern, sondern allein den sachgemäßen Ausbau unsrer
Wehrkraft zu Lande und zur See dahin zu gestalten bestrebt sind, daß diese den
Erwartungen des Landes im Kriege anch ganz zu entsprechen vermögen. Alle die
Einwendungen, daß es sich bei der Flotte wie bei der Vermehrung der Kavallerie
weniger um ernste sachliche Notwendigkeiten als um Allerhöchste Wünsche handle,
sind zur Genüge widerlegt worden, soweit sie einer Widerlegung überhaupt bedurften.
Was namentlich die Heranziehung der Kavallerie in großen Massen zu deu Ma¬
növer" anlangt, so darf nicht übersehen werden, daß dies bei sämtlichen Mächten,
namentlich in Frankreich und in Österreich, geschieht, die doch beide keineswegs
geneigt sein würden, deutsche Ungereimtheiten ohne weiteres nachzumachen. In der
Ansammlung großer Reitermassen sind uns die Nachbarn sogar vorangegangen, ob¬
wohl sie deu Vorzug vor uns haben, schon im Frieden über formierte Kavallerie¬
divisionen zu verfügen, die auch an den Grenzen, an denen sie voraussichtlich
wirksam zu werden haben, garnisonieren. Man kann einwenden, daß ein großer
europäischer Krieg nicht in nahe Aussicht zu nehmen sei, weil Frankreich ihn ohne
eine verbündete Landmacht nicht sichren werde. Wer will das verbürgen?

Freilich sind mit Ausnahme des griechisch - türkischen Kriegs alle Kriege seit
Abschluß des Berliner Vertrags außerhalb Europas geführt worden, aber die ge¬
schichtliche Erfahrung lehrt, daß lange Friedensperiodeu die Solidarität der Interessen
der großen Nationen nicht in dem Maße fördern, daß ein Krieg zwischen ihnen
ausgeschlossen wäre. Im Gegenteil. Eine lange Friedensperivde erzeugt wie ein
langes Wohlleben Wucherungen, die schließlich das Messer beseitigen muß. Das
Bonmot des Grafen Andrassy, der den Berliner Vertrag unterzeichnet und das
deutsch-österreichische Bündnis geschlossen hat: "Jeder Tag des Friedens bringt uns
dem Kriege naher" -- hat seine unbestreitbare Richtigkeit. Der Ausbruch hängt
schließlich von Konstellationen ab, die auch der erfahrenste Diplomat nicht mit
Sicherheit berechnen oder voraussehen kann; Konstellationen, die drohend erscheinen
können, ohne es zu sein, und wiederum andre, die nichts weniger als gewitter-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Finanzreformvorlage bringen soll, für unsre innern Verhältnisse entscheidend werden
könnte. Sie wird es werden, wenn die Regierung mit einer wohlerwognen Vor¬
lage kommt und dann entschlossen an dem festhält, was sie für recht und richtig
erkannt hat. Die Flottenvorlage, die daneben noch bevorsteht, wird eine solche Rolle
kaum haben. Auch für diese scheint der Inhalt noch nicht ganz festzustehn. Be¬
schränkt er sich, wie früher verlautete, auf sechs Panzerkreuzer und einige Torpedo-
bovtsdivisionen, so ist kaum anzunehmen, daß irgendwelche Schwierigkeiten damit
verknüpft sein könnten. Dazu reden die Zeichen der Zeit eine zu ernste Sprache,
und die Einsicht, daß wir einer starken Flotte dringend bedürfen, ist in diesen
letzten Jahren Gemeingut der breitesten Schichten der Nation geworden. Auch im
Landheere selbst hat sich diese Überzeugung Bahn gebrochen, und alle intelligenter!!
Offizierskreise sind einig darin, daß wir einer Flotte bedürfen, die stark genug ist,
verhüten zu können, daß Erfolge des Landheeres durch Mißerfolge zur See auf¬
gehoben oder durch feindliche Landungen, unter dem Schutz einer überlegnen Flotte,
in ihren Wirkungen beeinträchtigt werden. Von überseeischen Aufgaben, die die
Zeit uns bringen kann, wie dies so unerwartet im Jahre 1900 der Fall war,
ganz zu schweigen. Daß die Landarmee dabei etwas zu kurz kommt, ist richtig,
namentlich auch für die Kavallerie, die sich in dem Augenblick eines Kriegsausbruchs
nicht improvisieren läßt. Aber nachdem der Zweibnnd seine bedrohliche Flcmken-
stellnng einstweilen verloren, und der asiatische.Krieg für die rassischen Reitermassen,
nach Zusammensetzung und Führung, zu eiuer wesentlich niedrigern Einschätzung
geführt hat, können wir die Vermehrung unsrer Reiterei auf die taktisch und stra¬
tegisch gebotne Höhe in kleinere Etappen zerlegen. Hauptsache bleibt das Vertrauen
des Landes in die Heeres- und die Flottenverwaltung, und daß diese mit völlig
gutem Gewissen vor den Reichstag treten können. Auf dieses Vertrauen haben die
jetzige Heeres- und Flvttenverwaltung berechtigten Anspruch, die beide nichts Un¬
nötiges, nichts Überflüssiges fordern, sondern allein den sachgemäßen Ausbau unsrer
Wehrkraft zu Lande und zur See dahin zu gestalten bestrebt sind, daß diese den
Erwartungen des Landes im Kriege anch ganz zu entsprechen vermögen. Alle die
Einwendungen, daß es sich bei der Flotte wie bei der Vermehrung der Kavallerie
weniger um ernste sachliche Notwendigkeiten als um Allerhöchste Wünsche handle,
sind zur Genüge widerlegt worden, soweit sie einer Widerlegung überhaupt bedurften.
Was namentlich die Heranziehung der Kavallerie in großen Massen zu deu Ma¬
növer» anlangt, so darf nicht übersehen werden, daß dies bei sämtlichen Mächten,
namentlich in Frankreich und in Österreich, geschieht, die doch beide keineswegs
geneigt sein würden, deutsche Ungereimtheiten ohne weiteres nachzumachen. In der
Ansammlung großer Reitermassen sind uns die Nachbarn sogar vorangegangen, ob¬
wohl sie deu Vorzug vor uns haben, schon im Frieden über formierte Kavallerie¬
divisionen zu verfügen, die auch an den Grenzen, an denen sie voraussichtlich
wirksam zu werden haben, garnisonieren. Man kann einwenden, daß ein großer
europäischer Krieg nicht in nahe Aussicht zu nehmen sei, weil Frankreich ihn ohne
eine verbündete Landmacht nicht sichren werde. Wer will das verbürgen?

Freilich sind mit Ausnahme des griechisch - türkischen Kriegs alle Kriege seit
Abschluß des Berliner Vertrags außerhalb Europas geführt worden, aber die ge¬
schichtliche Erfahrung lehrt, daß lange Friedensperiodeu die Solidarität der Interessen
der großen Nationen nicht in dem Maße fördern, daß ein Krieg zwischen ihnen
ausgeschlossen wäre. Im Gegenteil. Eine lange Friedensperivde erzeugt wie ein
langes Wohlleben Wucherungen, die schließlich das Messer beseitigen muß. Das
Bonmot des Grafen Andrassy, der den Berliner Vertrag unterzeichnet und das
deutsch-österreichische Bündnis geschlossen hat: „Jeder Tag des Friedens bringt uns
dem Kriege naher" — hat seine unbestreitbare Richtigkeit. Der Ausbruch hängt
schließlich von Konstellationen ab, die auch der erfahrenste Diplomat nicht mit
Sicherheit berechnen oder voraussehen kann; Konstellationen, die drohend erscheinen
können, ohne es zu sein, und wiederum andre, die nichts weniger als gewitter-


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[0227] Maßgebliches und Unmaßgebliches Finanzreformvorlage bringen soll, für unsre innern Verhältnisse entscheidend werden könnte. Sie wird es werden, wenn die Regierung mit einer wohlerwognen Vor¬ lage kommt und dann entschlossen an dem festhält, was sie für recht und richtig erkannt hat. Die Flottenvorlage, die daneben noch bevorsteht, wird eine solche Rolle kaum haben. Auch für diese scheint der Inhalt noch nicht ganz festzustehn. Be¬ schränkt er sich, wie früher verlautete, auf sechs Panzerkreuzer und einige Torpedo- bovtsdivisionen, so ist kaum anzunehmen, daß irgendwelche Schwierigkeiten damit verknüpft sein könnten. Dazu reden die Zeichen der Zeit eine zu ernste Sprache, und die Einsicht, daß wir einer starken Flotte dringend bedürfen, ist in diesen letzten Jahren Gemeingut der breitesten Schichten der Nation geworden. Auch im Landheere selbst hat sich diese Überzeugung Bahn gebrochen, und alle intelligenter!! Offizierskreise sind einig darin, daß wir einer Flotte bedürfen, die stark genug ist, verhüten zu können, daß Erfolge des Landheeres durch Mißerfolge zur See auf¬ gehoben oder durch feindliche Landungen, unter dem Schutz einer überlegnen Flotte, in ihren Wirkungen beeinträchtigt werden. Von überseeischen Aufgaben, die die Zeit uns bringen kann, wie dies so unerwartet im Jahre 1900 der Fall war, ganz zu schweigen. Daß die Landarmee dabei etwas zu kurz kommt, ist richtig, namentlich auch für die Kavallerie, die sich in dem Augenblick eines Kriegsausbruchs nicht improvisieren läßt. Aber nachdem der Zweibnnd seine bedrohliche Flcmken- stellnng einstweilen verloren, und der asiatische.Krieg für die rassischen Reitermassen, nach Zusammensetzung und Führung, zu eiuer wesentlich niedrigern Einschätzung geführt hat, können wir die Vermehrung unsrer Reiterei auf die taktisch und stra¬ tegisch gebotne Höhe in kleinere Etappen zerlegen. Hauptsache bleibt das Vertrauen des Landes in die Heeres- und die Flottenverwaltung, und daß diese mit völlig gutem Gewissen vor den Reichstag treten können. Auf dieses Vertrauen haben die jetzige Heeres- und Flvttenverwaltung berechtigten Anspruch, die beide nichts Un¬ nötiges, nichts Überflüssiges fordern, sondern allein den sachgemäßen Ausbau unsrer Wehrkraft zu Lande und zur See dahin zu gestalten bestrebt sind, daß diese den Erwartungen des Landes im Kriege anch ganz zu entsprechen vermögen. Alle die Einwendungen, daß es sich bei der Flotte wie bei der Vermehrung der Kavallerie weniger um ernste sachliche Notwendigkeiten als um Allerhöchste Wünsche handle, sind zur Genüge widerlegt worden, soweit sie einer Widerlegung überhaupt bedurften. Was namentlich die Heranziehung der Kavallerie in großen Massen zu deu Ma¬ növer» anlangt, so darf nicht übersehen werden, daß dies bei sämtlichen Mächten, namentlich in Frankreich und in Österreich, geschieht, die doch beide keineswegs geneigt sein würden, deutsche Ungereimtheiten ohne weiteres nachzumachen. In der Ansammlung großer Reitermassen sind uns die Nachbarn sogar vorangegangen, ob¬ wohl sie deu Vorzug vor uns haben, schon im Frieden über formierte Kavallerie¬ divisionen zu verfügen, die auch an den Grenzen, an denen sie voraussichtlich wirksam zu werden haben, garnisonieren. Man kann einwenden, daß ein großer europäischer Krieg nicht in nahe Aussicht zu nehmen sei, weil Frankreich ihn ohne eine verbündete Landmacht nicht sichren werde. Wer will das verbürgen? Freilich sind mit Ausnahme des griechisch - türkischen Kriegs alle Kriege seit Abschluß des Berliner Vertrags außerhalb Europas geführt worden, aber die ge¬ schichtliche Erfahrung lehrt, daß lange Friedensperiodeu die Solidarität der Interessen der großen Nationen nicht in dem Maße fördern, daß ein Krieg zwischen ihnen ausgeschlossen wäre. Im Gegenteil. Eine lange Friedensperivde erzeugt wie ein langes Wohlleben Wucherungen, die schließlich das Messer beseitigen muß. Das Bonmot des Grafen Andrassy, der den Berliner Vertrag unterzeichnet und das deutsch-österreichische Bündnis geschlossen hat: „Jeder Tag des Friedens bringt uns dem Kriege naher" — hat seine unbestreitbare Richtigkeit. Der Ausbruch hängt schließlich von Konstellationen ab, die auch der erfahrenste Diplomat nicht mit Sicherheit berechnen oder voraussehen kann; Konstellationen, die drohend erscheinen können, ohne es zu sein, und wiederum andre, die nichts weniger als gewitter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/227>, abgerufen am 05.02.2025.