Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Ler Kampf um die Adria und Skandinavien dieselbe Erscheinung. Den Atlantischen Ozean überbrücken Von dieser Regel macht auch die Adria keine Ausnahme, sie am aller¬ In den Jahrhunderte" des Mittelalters war es der Westen, war es -- von Die Normannen Unteritaliens hatten mit den Überresten der voraus- Ler Kampf um die Adria und Skandinavien dieselbe Erscheinung. Den Atlantischen Ozean überbrücken Von dieser Regel macht auch die Adria keine Ausnahme, sie am aller¬ In den Jahrhunderte» des Mittelalters war es der Westen, war es — von Die Normannen Unteritaliens hatten mit den Überresten der voraus- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297320"/> <fw type="header" place="top"> Ler Kampf um die Adria</fw><lb/> <p xml:id="ID_828" prev="#ID_827"> und Skandinavien dieselbe Erscheinung. Den Atlantischen Ozean überbrücken<lb/> europäische Völker, sie besetzen seine westlichen Gestade und machen ihn in gewissem<lb/> Sinne zu einem europäischen Binnenmeer, wenigstens so lange, bis selbständige<lb/> Staatswesen aus den europäischen Siedlungen entstehn. Und schon sehen wir<lb/> Ähnliches sich im Stillen Ozean vorbereiten; wir brauchen uns nur zu erinnern,<lb/> daß der große amerikanische Freistaat seine wichtigste politische Aufgabe der<lb/> nächsten Zukunft darin sieht, den Stillen Ozean unter amerikanische Herrschaft<lb/> zu bringen. Je größer die Meere und je weiter die Entfernungen, um so<lb/> schwächer waren diese Bestrebungen; erst allmählich verlor die Entfernung ihre<lb/> trennende Kraft, und die größten Meere wurden Werkzeuge friedlicher oder<lb/> feindlicher Berührung der Völker. Wir sind gewohnt, in den Erdteilen die<lb/> maßgebenden Einheiten für die Betrachtung der Oberflüche unsers Planeten zu<lb/> sehen. Diese Anschauungsweise sollte zum mindesten ergänzt werden durch eine<lb/> andre, die sich bewußt ist, daß sehr häufig die Meere mit ihren Ncmdländcrn<lb/> eine viel angenfälligere Einheit bilden als diese Nandlünder mit ihren Hinter¬<lb/> ländern: um nur zwei Beispiele von vielen anzuführen, so waren die Nordsee<lb/> und die Ostsee mit ihren südlichen und nördlichen Nandländern im Mittelalter,<lb/> zur Zeit der Hansa, ein viel zusammenhängenderes Gebiet von Beziehungen der<lb/> Kultur und der Politik, als es etwa die der Nordsee und der Ostsee anliegenden<lb/> deutschen Länder und Städte mit ihrem Hinterkante, mit Mittel- und Süd¬<lb/> deutschland gebildet hätten, und so war und ist wohl noch heute die nördliche<lb/> Hülste des Atlantischen Ozeans mit ihren westlichen und östlichen Gestaden ein<lb/> viel einheitlicheres Ganze, als es etwa jene westlichen Gestade mit ihrem Hinter¬<lb/> kante, den weiten Flüchen des nordamerikanischen Kontinents waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_829"> Von dieser Regel macht auch die Adria keine Ausnahme, sie am aller¬<lb/> wenigsten. Von den Tagen an, wo die Griechen nach der westlichen Halbinsel<lb/> hinübergesetzt sind und Unteritalien den Namen Großgriechenland gegeben haben,<lb/> bis zu der Errichtung der türkischen Herrschaft auf der Balkanhalbinsel haben<lb/> die Expansionsbestrebungen von Ost nach West und von West nach Ost über<lb/> die Adria hinüber nicht aufgehört.</p><lb/> <p xml:id="ID_830"> In den Jahrhunderte» des Mittelalters war es der Westen, war es — von<lb/> einem kurzen, bald vorübergehenden Expansionsversuch in umgekehrter Richtung,<lb/> der um die Mitte des zwölften Jahrhunderts erfolgte, abgesehen — Italien, das<lb/> der Träger einer solchen die Adria überbrückenden Bewegung war. Aber nicht<lb/> ein einheitliches Italien war es, sondern es waren zwei selbständige italienische<lb/> Staaten: das normannische Königreich Neapel, das ganz Unteritalien umspannte<lb/> und im Osten von der Adria bespült wurde, und die Republik Venedig. Und diese<lb/> Tatsache hat die sonst so einfache Erscheinung zu einer sehr komplizierten gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_831" next="#ID_832"> Die Normannen Unteritaliens hatten mit den Überresten der voraus-<lb/> gegangnen Bewegung von Osten nach Westen aufgeräumt und die Griechen<lb/> aus Italien vertrieben; und von dem Schwung einer kräftigen Offensive getragen<lb/> hatten sie am Ufer der Adria nicht Halt gemacht, sondern nun nach der Balkan¬<lb/> halbinsel hinüberzugreifen begonnen. In vier kriegerischen Unternehmungen<lb/> haben sie etwa in dem Jahrhundert von 1080 bis 1180 von der Bucht von<lb/> Valona und von Durazzo aus — Gegenden, die auch heute wieder das nächste</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0188]
Ler Kampf um die Adria
und Skandinavien dieselbe Erscheinung. Den Atlantischen Ozean überbrücken
europäische Völker, sie besetzen seine westlichen Gestade und machen ihn in gewissem
Sinne zu einem europäischen Binnenmeer, wenigstens so lange, bis selbständige
Staatswesen aus den europäischen Siedlungen entstehn. Und schon sehen wir
Ähnliches sich im Stillen Ozean vorbereiten; wir brauchen uns nur zu erinnern,
daß der große amerikanische Freistaat seine wichtigste politische Aufgabe der
nächsten Zukunft darin sieht, den Stillen Ozean unter amerikanische Herrschaft
zu bringen. Je größer die Meere und je weiter die Entfernungen, um so
schwächer waren diese Bestrebungen; erst allmählich verlor die Entfernung ihre
trennende Kraft, und die größten Meere wurden Werkzeuge friedlicher oder
feindlicher Berührung der Völker. Wir sind gewohnt, in den Erdteilen die
maßgebenden Einheiten für die Betrachtung der Oberflüche unsers Planeten zu
sehen. Diese Anschauungsweise sollte zum mindesten ergänzt werden durch eine
andre, die sich bewußt ist, daß sehr häufig die Meere mit ihren Ncmdländcrn
eine viel angenfälligere Einheit bilden als diese Nandlünder mit ihren Hinter¬
ländern: um nur zwei Beispiele von vielen anzuführen, so waren die Nordsee
und die Ostsee mit ihren südlichen und nördlichen Nandländern im Mittelalter,
zur Zeit der Hansa, ein viel zusammenhängenderes Gebiet von Beziehungen der
Kultur und der Politik, als es etwa die der Nordsee und der Ostsee anliegenden
deutschen Länder und Städte mit ihrem Hinterkante, mit Mittel- und Süd¬
deutschland gebildet hätten, und so war und ist wohl noch heute die nördliche
Hülste des Atlantischen Ozeans mit ihren westlichen und östlichen Gestaden ein
viel einheitlicheres Ganze, als es etwa jene westlichen Gestade mit ihrem Hinter¬
kante, den weiten Flüchen des nordamerikanischen Kontinents waren.
Von dieser Regel macht auch die Adria keine Ausnahme, sie am aller¬
wenigsten. Von den Tagen an, wo die Griechen nach der westlichen Halbinsel
hinübergesetzt sind und Unteritalien den Namen Großgriechenland gegeben haben,
bis zu der Errichtung der türkischen Herrschaft auf der Balkanhalbinsel haben
die Expansionsbestrebungen von Ost nach West und von West nach Ost über
die Adria hinüber nicht aufgehört.
In den Jahrhunderte» des Mittelalters war es der Westen, war es — von
einem kurzen, bald vorübergehenden Expansionsversuch in umgekehrter Richtung,
der um die Mitte des zwölften Jahrhunderts erfolgte, abgesehen — Italien, das
der Träger einer solchen die Adria überbrückenden Bewegung war. Aber nicht
ein einheitliches Italien war es, sondern es waren zwei selbständige italienische
Staaten: das normannische Königreich Neapel, das ganz Unteritalien umspannte
und im Osten von der Adria bespült wurde, und die Republik Venedig. Und diese
Tatsache hat die sonst so einfache Erscheinung zu einer sehr komplizierten gemacht.
Die Normannen Unteritaliens hatten mit den Überresten der voraus-
gegangnen Bewegung von Osten nach Westen aufgeräumt und die Griechen
aus Italien vertrieben; und von dem Schwung einer kräftigen Offensive getragen
hatten sie am Ufer der Adria nicht Halt gemacht, sondern nun nach der Balkan¬
halbinsel hinüberzugreifen begonnen. In vier kriegerischen Unternehmungen
haben sie etwa in dem Jahrhundert von 1080 bis 1180 von der Bucht von
Valona und von Durazzo aus — Gegenden, die auch heute wieder das nächste
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