Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die Reaktion der farbigen Rassen gestorben; aber dort ist sie seit derselben Zeit durch eine Negerbcvölkerung Jenseits des Atlantischen Ozeans, in Afrika, war schon die Erhebung des Die Reaktion der farbigen Rassen gestorben; aber dort ist sie seit derselben Zeit durch eine Negerbcvölkerung Jenseits des Atlantischen Ozeans, in Afrika, war schon die Erhebung des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297143"/> <fw type="header" place="top"> Die Reaktion der farbigen Rassen</fw><lb/> <p xml:id="ID_5" prev="#ID_4"> gestorben; aber dort ist sie seit derselben Zeit durch eine Negerbcvölkerung<lb/> ersetzt worden, die Haiti, die Perle der Antillen, ganz in ihre Hunde gebracht<lb/> und hier die Herrschaft der Weißen abgeworfen hat, ohne freilich mehr zustande<lb/> zu bringen als zwei ohnmächtige kleine Republiken, die beständig zwischen<lb/> Anarchie und Despotismus hin und her schwanken. Auch die Negerbcvölkerung<lb/> der Vereinigten Staaten ist zwar ziemlich zahlreich, aber zu weit zerstreut und<lb/> gesellschaftlich in zu gedrückter Stellung, als daß sie trotz ihrer gesetzlichen<lb/> politischen Gleichberechtigung den an Zahl und Kultur weit überlegneu Euro¬<lb/> päern gefährlich werden könnte. Dagegen haben sich die alten Kulturvölker<lb/> Mittel- und Südamerikas auch unter spanischer Herrschaft erhalten, und<lb/> zwar ihre eigentümliche Geisteskultur verloren, aber ihre Sprachen und ihre<lb/> sozialen Einrichtungen —> in Mexiko zum Beispiel ihren Gemeinbesitz —<lb/> fast unverändert bewahrt. Nach der Losreißung Mexikos von Spanien 1825<lb/> drangen diese Indios auch in die Verwaltung ein, ja ein reiner Indio,<lb/> Benito Juarez, wurde schließlich Präsident und als solcher der Überwinder des<lb/> unglücklichen Kaisers Maximilian im Jahre 1867, und da die Indios viel<lb/> stärker sind als die Kreolen, die herrschende Schicht spanisch-europäischer Ab¬<lb/> kunft, diese selbst aber mit dem Boden niemals fest verwachsen, sondern Spe¬<lb/> kulanten, Advokaten, Beamte, Priester und dergleichen geblieben sind, jeden¬<lb/> falls keine seßhafte Aristokratie entwickelt haben, so fehlt es schon heute nicht<lb/> an Leuten, die prophezeien, daß die Zukunft Mexikos den Indios und nicht<lb/> den Kreolen gehören werde. Nicht viel anders scheint es in den Ländern<lb/> des alten peruanischen Reichs zu stehn, wo die schöne Sprache der Inkas,<lb/> das Guichua, sogar von den Kreolen gern gesprochen wird; im südlichen Chile<lb/> haben sich die tapfern Araukanicr lange Zeit fast unabhängig behauptet,<lb/> in Paraguay, der alten Jesuitenmission, bilden die Indios den Kern der Be¬<lb/> völkerung, und ihr ausgebildetes Guarani hat den Vorrang vor dem Spa¬<lb/> nischen; was sie im Kriege zu leisten vermochten, das haben sie unter Lopez<lb/> 1866/72 gezeigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_6" next="#ID_7"> Jenseits des Atlantischen Ozeans, in Afrika, war schon die Erhebung des<lb/> Mahdi im Sudan eine Bewegung gegen den in Ägypten zur Herrschaft ge¬<lb/> langten europäischen Einfluß, eine zweite siegreiche die Abwehr der italienischen<lb/> Schutzherrschaft über das christliche Abessinien durch die Schlacht von Ätna<lb/> am 1. März 1896, die das Reich des Negus, die gewaltige Gebirgsfeste Ost¬<lb/> afrikas, in die Reihe der selbständigen, als solche von Europa anerkannten<lb/> Mächte erhob; eben hat auch das Deutsche Reich einen Handelsvertrag mit<lb/> diesem uralten Gemeinwesen abgeschlossen. Daß im englisch-holländischen Süd¬<lb/> afrika die eingebornen Rassen, die zwischen dem Sambesi und dem Kap etwa<lb/> vier Millionen Köpfe gegenüber nur 500000 Menschen europäischer Abkunft<lb/> umfassen, den Burenkrieg 1899 bis 1902 nicht zu einer Reaktion benutzt haben,<lb/> ist ein Beweis von noch mangelndem Gemeingefühl und von dem Bewußtsein<lb/> eigner innerer Schwäche; aber die Aufstände der Hereros und der Hottentotten<lb/> im deutschen Südafrika scheinen nicht nur auf dem natürlichen Versuche zu<lb/> beruhen, die alte ungezügelte Freiheit stolzer, kriegerischer Hirtenvölker gegen<lb/> das Eindringen einer sie mannigfach beschränkenden und einengendem höhern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
Die Reaktion der farbigen Rassen
gestorben; aber dort ist sie seit derselben Zeit durch eine Negerbcvölkerung
ersetzt worden, die Haiti, die Perle der Antillen, ganz in ihre Hunde gebracht
und hier die Herrschaft der Weißen abgeworfen hat, ohne freilich mehr zustande
zu bringen als zwei ohnmächtige kleine Republiken, die beständig zwischen
Anarchie und Despotismus hin und her schwanken. Auch die Negerbcvölkerung
der Vereinigten Staaten ist zwar ziemlich zahlreich, aber zu weit zerstreut und
gesellschaftlich in zu gedrückter Stellung, als daß sie trotz ihrer gesetzlichen
politischen Gleichberechtigung den an Zahl und Kultur weit überlegneu Euro¬
päern gefährlich werden könnte. Dagegen haben sich die alten Kulturvölker
Mittel- und Südamerikas auch unter spanischer Herrschaft erhalten, und
zwar ihre eigentümliche Geisteskultur verloren, aber ihre Sprachen und ihre
sozialen Einrichtungen —> in Mexiko zum Beispiel ihren Gemeinbesitz —
fast unverändert bewahrt. Nach der Losreißung Mexikos von Spanien 1825
drangen diese Indios auch in die Verwaltung ein, ja ein reiner Indio,
Benito Juarez, wurde schließlich Präsident und als solcher der Überwinder des
unglücklichen Kaisers Maximilian im Jahre 1867, und da die Indios viel
stärker sind als die Kreolen, die herrschende Schicht spanisch-europäischer Ab¬
kunft, diese selbst aber mit dem Boden niemals fest verwachsen, sondern Spe¬
kulanten, Advokaten, Beamte, Priester und dergleichen geblieben sind, jeden¬
falls keine seßhafte Aristokratie entwickelt haben, so fehlt es schon heute nicht
an Leuten, die prophezeien, daß die Zukunft Mexikos den Indios und nicht
den Kreolen gehören werde. Nicht viel anders scheint es in den Ländern
des alten peruanischen Reichs zu stehn, wo die schöne Sprache der Inkas,
das Guichua, sogar von den Kreolen gern gesprochen wird; im südlichen Chile
haben sich die tapfern Araukanicr lange Zeit fast unabhängig behauptet,
in Paraguay, der alten Jesuitenmission, bilden die Indios den Kern der Be¬
völkerung, und ihr ausgebildetes Guarani hat den Vorrang vor dem Spa¬
nischen; was sie im Kriege zu leisten vermochten, das haben sie unter Lopez
1866/72 gezeigt.
Jenseits des Atlantischen Ozeans, in Afrika, war schon die Erhebung des
Mahdi im Sudan eine Bewegung gegen den in Ägypten zur Herrschaft ge¬
langten europäischen Einfluß, eine zweite siegreiche die Abwehr der italienischen
Schutzherrschaft über das christliche Abessinien durch die Schlacht von Ätna
am 1. März 1896, die das Reich des Negus, die gewaltige Gebirgsfeste Ost¬
afrikas, in die Reihe der selbständigen, als solche von Europa anerkannten
Mächte erhob; eben hat auch das Deutsche Reich einen Handelsvertrag mit
diesem uralten Gemeinwesen abgeschlossen. Daß im englisch-holländischen Süd¬
afrika die eingebornen Rassen, die zwischen dem Sambesi und dem Kap etwa
vier Millionen Köpfe gegenüber nur 500000 Menschen europäischer Abkunft
umfassen, den Burenkrieg 1899 bis 1902 nicht zu einer Reaktion benutzt haben,
ist ein Beweis von noch mangelndem Gemeingefühl und von dem Bewußtsein
eigner innerer Schwäche; aber die Aufstände der Hereros und der Hottentotten
im deutschen Südafrika scheinen nicht nur auf dem natürlichen Versuche zu
beruhen, die alte ungezügelte Freiheit stolzer, kriegerischer Hirtenvölker gegen
das Eindringen einer sie mannigfach beschränkenden und einengendem höhern
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