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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Die Bedeutung der Presse für die Kultur

tungen herausgegeben werden. Vielleicht interessieren in diesem Zusammenhange
einige Zahlen über das Zeitungswesen in unsern deutschen Kolonien. Danach
kamen an deutschen Zeitungen nach Kiautschou im Jahre 1903: 508 Exemplare
mit etwa 93000 Nummern, während dort erschienen und durch die Reichspvst
befördert wurden 44 Exemplare mit 2300 Nummern. In unsre afrikanischen
Schutzgebiete gingen 1776 Exemplare mit 315796 Nummern, während von
dort befördert wurden 109 Exemplare mit 5694 Nummern.

In die Südseekolonien gingen 322 Exemplare mit 45000 Nummern,
während von Samoa 14 Exemplare mit 741 Nummern kamen. Sodann seien
als bemerkenswert noch folgende Zahlen erwähnt:

in die asiatische Türkei gingen 1903 > . . Sit" Exemplare mit SV320 Nummern
nach Marokko (deutsche Postnnstalten) , , , 154 " " 3L79S
nach Ägypten mit Nubien und Sudan . , , 19!) " " 48 7K2 "
nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika 190 " " 100824 "

Wir ersehen aus diesen Zahlen, in welchem -- recht bescheidnen -- Um¬
fange deutsche Zeitungen über die Erde wandern.

Als besondres Preßerzeugnis Ostasiens muß hier noch das Wochenblatt
unsrer Ostasiatischen Brigade Erwähnung finden, das in Tientsin herausgegeben
wird und außer Nachrichten über das Leben und Treiben der deutschen Truppen
in China auch politische und militärische Mitteilungen aus deren Gesichtskreise
enthält. Diese von Angehörigen der Brigade geschriebne und technisch herge¬
stellte Zeitung ist wohl einzig in ihrer Art und wird demnächst, wie die
Brigade selbst, der Vergangenheit angehören, für künftige Zeitungssammlungen
deshalb eine besondre Rarität sein.

Wir können das Kapitel von der Bedeutung der Presse für die Kultur
nicht verlassen, ohne uns mit den lebendigen Trägern dieser Bedeutung, den
Journalisten, beschäftigt zu haben. Wohl ist die Zeitung etwas unpersönliches.
Sie wirkt als bedrucktes Stück Papier, und das Publikum fragt in der Regel
wenig danach, ob der, der seine Kraft und Begabung daran gesetzt hat, dieses
Blatt Papier nach bestem, pflichtmäßigem Ermessen zu füllen, Schulze oder
Müller heißt. So lange das Blatt Glauben findet, ist die Persönlichkeit, die
dahinter steht, dem großen Publikum meist recht gleichgiltig. Glaubt es an
das Blatt nicht mehr, so fragt es noch weniger nach dem Verfasser und dem
Herausgeber. Auch hier bestätigen die Ausnahmen die Regel.

Der Dienst der Presse ist nicht leicht. Er legt dem Journalisten eine
vierfache Verantwortlichkeit auf: die vor seinem Gewissen, die vor dem Publikum,
die vor seiner Zeitung als gewerblichen Unternehmen und endlich die vor dem
Strafgesetz. Es dürfte wenig Berufe geben, die mit einer solchen Fülle der
Verantwortlichkeit belastet sind, und deren Trüger im großen unt> ganzen oft
so wenig Ansehen für ihre Hingabe genießen. Zum Teil liegt das in unserm
nationalen Charakter. Der Deutsche -- ich will nicht einmal an das travaillsr
xour 1s roi as ?ruf3v erinnern -- setzt im allgemeinen eine Ehre darein, still
der Sache zu dienen und seine Person dahinter zurücktreten zu lassen. Ohne
diese hervorragende nationale Eigenschaft würden wir nicht einen Beamtenstand


Die Bedeutung der Presse für die Kultur

tungen herausgegeben werden. Vielleicht interessieren in diesem Zusammenhange
einige Zahlen über das Zeitungswesen in unsern deutschen Kolonien. Danach
kamen an deutschen Zeitungen nach Kiautschou im Jahre 1903: 508 Exemplare
mit etwa 93000 Nummern, während dort erschienen und durch die Reichspvst
befördert wurden 44 Exemplare mit 2300 Nummern. In unsre afrikanischen
Schutzgebiete gingen 1776 Exemplare mit 315796 Nummern, während von
dort befördert wurden 109 Exemplare mit 5694 Nummern.

In die Südseekolonien gingen 322 Exemplare mit 45000 Nummern,
während von Samoa 14 Exemplare mit 741 Nummern kamen. Sodann seien
als bemerkenswert noch folgende Zahlen erwähnt:

in die asiatische Türkei gingen 1903 > . . Sit» Exemplare mit SV320 Nummern
nach Marokko (deutsche Postnnstalten) , , , 154 „ „ 3L79S
nach Ägypten mit Nubien und Sudan . , , 19!) „ „ 48 7K2 „
nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika 190 „ „ 100824 „

Wir ersehen aus diesen Zahlen, in welchem — recht bescheidnen — Um¬
fange deutsche Zeitungen über die Erde wandern.

Als besondres Preßerzeugnis Ostasiens muß hier noch das Wochenblatt
unsrer Ostasiatischen Brigade Erwähnung finden, das in Tientsin herausgegeben
wird und außer Nachrichten über das Leben und Treiben der deutschen Truppen
in China auch politische und militärische Mitteilungen aus deren Gesichtskreise
enthält. Diese von Angehörigen der Brigade geschriebne und technisch herge¬
stellte Zeitung ist wohl einzig in ihrer Art und wird demnächst, wie die
Brigade selbst, der Vergangenheit angehören, für künftige Zeitungssammlungen
deshalb eine besondre Rarität sein.

Wir können das Kapitel von der Bedeutung der Presse für die Kultur
nicht verlassen, ohne uns mit den lebendigen Trägern dieser Bedeutung, den
Journalisten, beschäftigt zu haben. Wohl ist die Zeitung etwas unpersönliches.
Sie wirkt als bedrucktes Stück Papier, und das Publikum fragt in der Regel
wenig danach, ob der, der seine Kraft und Begabung daran gesetzt hat, dieses
Blatt Papier nach bestem, pflichtmäßigem Ermessen zu füllen, Schulze oder
Müller heißt. So lange das Blatt Glauben findet, ist die Persönlichkeit, die
dahinter steht, dem großen Publikum meist recht gleichgiltig. Glaubt es an
das Blatt nicht mehr, so fragt es noch weniger nach dem Verfasser und dem
Herausgeber. Auch hier bestätigen die Ausnahmen die Regel.

Der Dienst der Presse ist nicht leicht. Er legt dem Journalisten eine
vierfache Verantwortlichkeit auf: die vor seinem Gewissen, die vor dem Publikum,
die vor seiner Zeitung als gewerblichen Unternehmen und endlich die vor dem
Strafgesetz. Es dürfte wenig Berufe geben, die mit einer solchen Fülle der
Verantwortlichkeit belastet sind, und deren Trüger im großen unt> ganzen oft
so wenig Ansehen für ihre Hingabe genießen. Zum Teil liegt das in unserm
nationalen Charakter. Der Deutsche — ich will nicht einmal an das travaillsr
xour 1s roi as ?ruf3v erinnern — setzt im allgemeinen eine Ehre darein, still
der Sache zu dienen und seine Person dahinter zurücktreten zu lassen. Ohne
diese hervorragende nationale Eigenschaft würden wir nicht einen Beamtenstand


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/712>, abgerufen am 15.01.2025.