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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Geschichte einer Sammlung

den Pslazzo. Er fand eine Galerie von ungefähr zweihundert Bildern, darunter
etwa vierundzwanzig von den großen Meistern der italienischen Blütezeit. Die
Ahnen des Besitzers' hatten die Bilder zum Teil selbst bei den Künstlern in Auftrag
gegeben. Darüber gab es noch Verträge und Quittungen und einen Katalog, der
die Bilder in Kupferdrucken wiedergab.

Auf der Rückreise machten meine Eltern in Florenz Halt und fanden den
Marchese in einem prunkvollen Atelier; denn er malte zu seinem Vergnügen. Er
hatte gerade ein kleines Rokokostück in Arbeit, einen Innenraum mit einer kasset-
tierten Decke. Falls er Künstler gewesen wäre, hätte er so einen kostbaren Raum
in Florenz leicht finden und an Ort und Stelle malen können, so schön, wie man
ihn nur denken kann. Aber das war dem luxuriösen Dilettanten entweder nicht
beqnem oder nicht fürstlich genug. Er hatte sich vom Holzbildhauer eine Kassettierung
schnitzen lassen, genau in der Größe, wie er sie für sein Bildchen brauchte, und in
allerfeinster Arbeit. So war ihm sein Plafond ins Atelier gebracht worden, und
er konnte ihn malen, ohne ihn zu verkleinern, und ohne von seinem seidnen Stuhl
ciufzustehn. Mit einem alten geschnitzten Schrank, der auf das Bildchen kommen
sollte, hatte er es ebenso gemacht, hatte ein kleines, kostbar ausgeführtes Modell
machen lassen, das vor ihm stand.

Allmählich brachte mein Vater die Rede von diesen Enkelwerken auf die
Bildersammlung seiner Väter. Daß für ihn etwas davon erreichbar wäre, glaubte
mein Vater nicht; aber der Marchese hatte einige auserwählte davon bei sich in
Florenz, die wollte mein Vater gern sehen.

Eines stand auf einer Staffelei, eine Madonna mit den Merkmalen der
raffaelischen Zeit, der Nacken, die Schulter- und die Halsbewegung ganz be¬
zeichnend, diese Profilstellung der Schultern und die Zurückwendung des Kopfes
dem Beschauer entgegen, und bei dieser Wendung die ganz entfaltete Schönheit der
Hals- und Nackenlinie. Die "schöne Madonna" wurde sie von Kind und Kegel
gerufen, seit sie bei uus war.

Und wie ist sie schön! Die Augen hält sie heruntergeschlagen, weil sie den
Kindern zusieht, dem Bambino, das sie mit dem Arm hält, und dem kleinen
Johannes. Die reichen sich ein Blümchen zu. In diesem gesenkten Blick und in
dem lieblichen Munde der Madonna, was für eine Anmut, was für eine audacht-
erweckeude Holdseligkeit! Das ist ganz anders als die bewunderungswürdige Bravour
der uachraffaelischen Zeit, die unerschrocken jede Schwierigkeit nimmt. Dies ist wie
von einer beseelten und begnadigten Hand gemalt -- "Die schöne Madonna!"

Der Marchese sah wohl das Entzücken meiner Eltern und holte hinter einem
Vorhang, wo Blendrahmen und Ateliergerät an die Wände gelehnt waren, noch
einige Bilder hervor. Dabei war das von dem Russen verworfne, das unter den
fürstlichen Sammlern, den Vorfahren des Marchese, als Rembrandt gegolten hatte.
Bei uns heißt es der Katzenkerl. Da war Frans Hals mit seinem Mutwillen,
aber nicht mit der erdigen Farbe, die seine Sachen sonst haben, sodaß es ist, als
wenn er sich nicht die Zeit lassen könnte, der Farbe ihre Harmonien abzulocken in
dem Drange, das Grinsen oder das Fleischer, den Eindruck einer Sekunde hinzu¬
stellen, sondern hier war der warme Goldton der besten Niederländer, und da
hineingetaucht der Purpur und der weiße Seidenschimmer des Gewandes, die volle
Zartheit des Federflaums -- ein ganzes Meisterstück! Dabei eine Hand oder
eigentlich ein Händchen, klein und kurz, das in seiner Dürftigkeit wieder an Rem-
brandt erinnert, dessen Schönheitssinn sich in der Farbe genug tat, währeud er in
der Form von dem unbefangensten Naturalismus war.

Es war nicht zu verwundern, daß dieser Erbe eines hohen Adels, wenn er
seinen Sitz aus der vergessenen Landstadt nach Florenz verlegte, diese Perlen der
alten Sammlung aus dem Palazzo in Cesena wegnahm, um sie in seiner Umgebung
zu haben. Aber der Sinn der Sache war anders, denn nach einigem Zögern und
Räuspern fragte er: Sagt Ihnen etwas davon zu? Mein Vater sah ihn ungläubig


Geschichte einer Sammlung

den Pslazzo. Er fand eine Galerie von ungefähr zweihundert Bildern, darunter
etwa vierundzwanzig von den großen Meistern der italienischen Blütezeit. Die
Ahnen des Besitzers' hatten die Bilder zum Teil selbst bei den Künstlern in Auftrag
gegeben. Darüber gab es noch Verträge und Quittungen und einen Katalog, der
die Bilder in Kupferdrucken wiedergab.

Auf der Rückreise machten meine Eltern in Florenz Halt und fanden den
Marchese in einem prunkvollen Atelier; denn er malte zu seinem Vergnügen. Er
hatte gerade ein kleines Rokokostück in Arbeit, einen Innenraum mit einer kasset-
tierten Decke. Falls er Künstler gewesen wäre, hätte er so einen kostbaren Raum
in Florenz leicht finden und an Ort und Stelle malen können, so schön, wie man
ihn nur denken kann. Aber das war dem luxuriösen Dilettanten entweder nicht
beqnem oder nicht fürstlich genug. Er hatte sich vom Holzbildhauer eine Kassettierung
schnitzen lassen, genau in der Größe, wie er sie für sein Bildchen brauchte, und in
allerfeinster Arbeit. So war ihm sein Plafond ins Atelier gebracht worden, und
er konnte ihn malen, ohne ihn zu verkleinern, und ohne von seinem seidnen Stuhl
ciufzustehn. Mit einem alten geschnitzten Schrank, der auf das Bildchen kommen
sollte, hatte er es ebenso gemacht, hatte ein kleines, kostbar ausgeführtes Modell
machen lassen, das vor ihm stand.

Allmählich brachte mein Vater die Rede von diesen Enkelwerken auf die
Bildersammlung seiner Väter. Daß für ihn etwas davon erreichbar wäre, glaubte
mein Vater nicht; aber der Marchese hatte einige auserwählte davon bei sich in
Florenz, die wollte mein Vater gern sehen.

Eines stand auf einer Staffelei, eine Madonna mit den Merkmalen der
raffaelischen Zeit, der Nacken, die Schulter- und die Halsbewegung ganz be¬
zeichnend, diese Profilstellung der Schultern und die Zurückwendung des Kopfes
dem Beschauer entgegen, und bei dieser Wendung die ganz entfaltete Schönheit der
Hals- und Nackenlinie. Die „schöne Madonna" wurde sie von Kind und Kegel
gerufen, seit sie bei uus war.

Und wie ist sie schön! Die Augen hält sie heruntergeschlagen, weil sie den
Kindern zusieht, dem Bambino, das sie mit dem Arm hält, und dem kleinen
Johannes. Die reichen sich ein Blümchen zu. In diesem gesenkten Blick und in
dem lieblichen Munde der Madonna, was für eine Anmut, was für eine audacht-
erweckeude Holdseligkeit! Das ist ganz anders als die bewunderungswürdige Bravour
der uachraffaelischen Zeit, die unerschrocken jede Schwierigkeit nimmt. Dies ist wie
von einer beseelten und begnadigten Hand gemalt — „Die schöne Madonna!"

Der Marchese sah wohl das Entzücken meiner Eltern und holte hinter einem
Vorhang, wo Blendrahmen und Ateliergerät an die Wände gelehnt waren, noch
einige Bilder hervor. Dabei war das von dem Russen verworfne, das unter den
fürstlichen Sammlern, den Vorfahren des Marchese, als Rembrandt gegolten hatte.
Bei uns heißt es der Katzenkerl. Da war Frans Hals mit seinem Mutwillen,
aber nicht mit der erdigen Farbe, die seine Sachen sonst haben, sodaß es ist, als
wenn er sich nicht die Zeit lassen könnte, der Farbe ihre Harmonien abzulocken in
dem Drange, das Grinsen oder das Fleischer, den Eindruck einer Sekunde hinzu¬
stellen, sondern hier war der warme Goldton der besten Niederländer, und da
hineingetaucht der Purpur und der weiße Seidenschimmer des Gewandes, die volle
Zartheit des Federflaums — ein ganzes Meisterstück! Dabei eine Hand oder
eigentlich ein Händchen, klein und kurz, das in seiner Dürftigkeit wieder an Rem-
brandt erinnert, dessen Schönheitssinn sich in der Farbe genug tat, währeud er in
der Form von dem unbefangensten Naturalismus war.

Es war nicht zu verwundern, daß dieser Erbe eines hohen Adels, wenn er
seinen Sitz aus der vergessenen Landstadt nach Florenz verlegte, diese Perlen der
alten Sammlung aus dem Palazzo in Cesena wegnahm, um sie in seiner Umgebung
zu haben. Aber der Sinn der Sache war anders, denn nach einigem Zögern und
Räuspern fragte er: Sagt Ihnen etwas davon zu? Mein Vater sah ihn ungläubig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/666>, abgerufen am 15.01.2025.