Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Geschichte einer Sammlung in der die jungen Bengel teelösfelweise und mit zugehaltner Nase einfiltriert be¬ Er führte immer einen guten Stock bei sich, zu damaliger Zeit ein geflochtnes So war er bis an eine Stelle gekommen, wo der Weg dem Gebirge in der Von oben her zwischen den Stämmen und stumpfen des bewachsnen Felsens Der Italiener fing die Unterhaltung an: Der Signore geht sehr spät allein! Man erwartet mich! Es ist aber in der jetzigen Zeit nicht völlig sicher. Es treibt sich Volk herum. Ich bin Prussio.no, man fürchtet sich nicht, wenn man Prussiano ist. Mein Vater pflegte zu erzählen, daß die ersten großen Siege der Deutschen Mein Vater hatte während des Gesprächs seinen Weg wieder aufgenommen, Auf die Bemerkung von den Prussiani sagte er etwas von Anerkennung und Der Stock ist auch gut, sagte mein Vater und ließ ihn surren. Der Signore wird also erwartet? Ja, ich kann es Euch gleich vormachen. Sie waren an einer Stelle des Weges angekommen, wo eine Schlucht abfällt, of, vor", in der Tat, der Signore wird erwartet, sagte der Italiener. Sie Geschichte einer Sammlung in der die jungen Bengel teelösfelweise und mit zugehaltner Nase einfiltriert be¬ Er führte immer einen guten Stock bei sich, zu damaliger Zeit ein geflochtnes So war er bis an eine Stelle gekommen, wo der Weg dem Gebirge in der Von oben her zwischen den Stämmen und stumpfen des bewachsnen Felsens Der Italiener fing die Unterhaltung an: Der Signore geht sehr spät allein! Man erwartet mich! Es ist aber in der jetzigen Zeit nicht völlig sicher. Es treibt sich Volk herum. Ich bin Prussio.no, man fürchtet sich nicht, wenn man Prussiano ist. Mein Vater pflegte zu erzählen, daß die ersten großen Siege der Deutschen Mein Vater hatte während des Gesprächs seinen Weg wieder aufgenommen, Auf die Bemerkung von den Prussiani sagte er etwas von Anerkennung und Der Stock ist auch gut, sagte mein Vater und ließ ihn surren. Der Signore wird also erwartet? Ja, ich kann es Euch gleich vormachen. Sie waren an einer Stelle des Weges angekommen, wo eine Schlucht abfällt, of, vor», in der Tat, der Signore wird erwartet, sagte der Italiener. Sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0617" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296628"/> <fw type="header" place="top"> Geschichte einer Sammlung</fw><lb/> <p xml:id="ID_3132" prev="#ID_3131"> in der die jungen Bengel teelösfelweise und mit zugehaltner Nase einfiltriert be¬<lb/> kämen, was er und seine Jugendgenossen eins Bächen geschöpft hätten; sie hatten<lb/> unter selbstgemachten Spartcmergesetzen ihren Turnplatz bevölkert, und um den<lb/> Ruhm unter den Genossen, aber nicht um eine Zensurnummer hatten sie gefochten und<lb/> gerungen und waren in großen und in kleinen „Wellen" um die Gerüste geflogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3133"> Er führte immer einen guten Stock bei sich, zu damaliger Zeit ein geflochtnes<lb/> Rohr mit einer ansehnlichen Bleikugel im Knauf; den ließ er zum Rhythmus seines<lb/> Schrittes neben sich her schwingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3134"> So war er bis an eine Stelle gekommen, wo der Weg dem Gebirge in der<lb/> Art abgewonnen war, daß zur Rechten der Fels jäh aufsteigt, zur Linken jäh ab¬<lb/> fällt. An dieser Stelle war es ihm, als würden seine Sinne aufmerksam, doch ge¬<lb/> schah das Folgende zu schnell, als daß es eine Beobachtung zugelassen hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3135"> Von oben her zwischen den Stämmen und stumpfen des bewachsnen Felsens<lb/> sprang etwas Dunkles, Körperliches herab, und zwar so, daß es bei dem Schritt,<lb/> den mein Vater tat, mit ihm zusammenstoßen mußte; dabei stieß es einen Schrei,<lb/> eine Art Schlachtruf aus. Bei meinem Vater aber wirkte viel schneller, als Gedanke<lb/> oder Überlegung wirken können, die Reflexbewegung so, daß der schrittbereite Fuß<lb/> den Sprung nach rückwärts tat, der dem Ausfall vorangeht, und daß er unmittelbar<lb/> danach den Ausfall regelrecht vollzog. Zugleich erwiderte er den Schlachtruf in¬<lb/> stinktiv und so rasch, daß sich der Schall noch mit dem ersten mischte. So stand<lb/> er über dem Kerl, noch ehe der von dem Sprung aus großer Höhe herab wieder<lb/> bis zu seiner vollen Länge emporgeschnellt war. Dann maßen sie sich, der Deutsche,<lb/> in dem das einsetzende Bewußtsein den Schlag aufhielt, der Italiener, der ge¬<lb/> schmeidig der neuen Lage gerecht wurde und seine Waffe verbarg.</p><lb/> <p xml:id="ID_3136"> Der Italiener fing die Unterhaltung an:</p><lb/> <p xml:id="ID_3137"> Der Signore geht sehr spät allein!</p><lb/> <p xml:id="ID_3138"> Man erwartet mich!</p><lb/> <p xml:id="ID_3139"> Es ist aber in der jetzigen Zeit nicht völlig sicher. 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Dabei zeigte er ein schönes Messer, das<lb/> vorhin bei dem Sprunge von oben her sehr wirksam gewesen sein würde, wenn<lb/> meines Vaters unwillkürliche Bewegung nicht gewesen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_3144"> Der Stock ist auch gut, sagte mein Vater und ließ ihn surren.</p><lb/> <p xml:id="ID_3145"> Der Signore wird also erwartet?</p><lb/> <p xml:id="ID_3146"> Ja, ich kann es Euch gleich vormachen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3147"> Sie waren an einer Stelle des Weges angekommen, wo eine Schlucht abfällt,<lb/> sodaß das Ziel, das man erreichen will, ganz nahe jenseits liegt, während der Weg<lb/> in weitem Bogen um die Schlucht herumführt. Hier pflegte mein Vater seinen<lb/> Ruf zu tun, der von meiner Mutter, die drüben wartete, erwidert wurde. Er<lb/> rief, und sie standen lauschend einige Sekunden, und der Ruf kam mit voller<lb/> Klarheit durch die Nachtluft von drüben zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_3148"> of, vor», in der Tat, der Signore wird erwartet, sagte der Italiener. 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Geschichte einer Sammlung
in der die jungen Bengel teelösfelweise und mit zugehaltner Nase einfiltriert be¬
kämen, was er und seine Jugendgenossen eins Bächen geschöpft hätten; sie hatten
unter selbstgemachten Spartcmergesetzen ihren Turnplatz bevölkert, und um den
Ruhm unter den Genossen, aber nicht um eine Zensurnummer hatten sie gefochten und
gerungen und waren in großen und in kleinen „Wellen" um die Gerüste geflogen.
Er führte immer einen guten Stock bei sich, zu damaliger Zeit ein geflochtnes
Rohr mit einer ansehnlichen Bleikugel im Knauf; den ließ er zum Rhythmus seines
Schrittes neben sich her schwingen.
So war er bis an eine Stelle gekommen, wo der Weg dem Gebirge in der
Art abgewonnen war, daß zur Rechten der Fels jäh aufsteigt, zur Linken jäh ab¬
fällt. An dieser Stelle war es ihm, als würden seine Sinne aufmerksam, doch ge¬
schah das Folgende zu schnell, als daß es eine Beobachtung zugelassen hätte.
Von oben her zwischen den Stämmen und stumpfen des bewachsnen Felsens
sprang etwas Dunkles, Körperliches herab, und zwar so, daß es bei dem Schritt,
den mein Vater tat, mit ihm zusammenstoßen mußte; dabei stieß es einen Schrei,
eine Art Schlachtruf aus. Bei meinem Vater aber wirkte viel schneller, als Gedanke
oder Überlegung wirken können, die Reflexbewegung so, daß der schrittbereite Fuß
den Sprung nach rückwärts tat, der dem Ausfall vorangeht, und daß er unmittelbar
danach den Ausfall regelrecht vollzog. Zugleich erwiderte er den Schlachtruf in¬
stinktiv und so rasch, daß sich der Schall noch mit dem ersten mischte. So stand
er über dem Kerl, noch ehe der von dem Sprung aus großer Höhe herab wieder
bis zu seiner vollen Länge emporgeschnellt war. Dann maßen sie sich, der Deutsche,
in dem das einsetzende Bewußtsein den Schlag aufhielt, der Italiener, der ge¬
schmeidig der neuen Lage gerecht wurde und seine Waffe verbarg.
Der Italiener fing die Unterhaltung an:
Der Signore geht sehr spät allein!
Man erwartet mich!
Es ist aber in der jetzigen Zeit nicht völlig sicher. Es treibt sich Volk herum.
Ich bin Prussio.no, man fürchtet sich nicht, wenn man Prussiano ist.
Mein Vater pflegte zu erzählen, daß die ersten großen Siege der Deutschen
im siebziger Kriege in Italien unbegrenztes Erstaunen erweckt hätten, und daß die
natürliche Zärtlichkeit, die die Italiener für die Franzosen haben, auf eine Weile
in Bewunderung für die Deutschen, die Prussiani, umgeschlagen wäre.
Mein Vater hatte während des Gesprächs seinen Weg wieder aufgenommen,
der andre hatte sich ihm zum Begleiter gemacht und blieb an seiner Seite. Aber
mein Vater ließ den Stock mit dem Bleiknauf in der Luft neben sich her surren.
Mein Vater sagte, der Italiener wäre die ganze Zeit von der größten Höflichkeit
gewesen.
Auf die Bemerkung von den Prussiani sagte er etwas von Anerkennung und
Bewunderung, setzte aber doch hinzu: Es ist gewagt, so allein zu gehn. Ich zum
Beispiel trage immer so etwas bei mir! Dabei zeigte er ein schönes Messer, das
vorhin bei dem Sprunge von oben her sehr wirksam gewesen sein würde, wenn
meines Vaters unwillkürliche Bewegung nicht gewesen wäre.
Der Stock ist auch gut, sagte mein Vater und ließ ihn surren.
Der Signore wird also erwartet?
Ja, ich kann es Euch gleich vormachen.
Sie waren an einer Stelle des Weges angekommen, wo eine Schlucht abfällt,
sodaß das Ziel, das man erreichen will, ganz nahe jenseits liegt, während der Weg
in weitem Bogen um die Schlucht herumführt. Hier pflegte mein Vater seinen
Ruf zu tun, der von meiner Mutter, die drüben wartete, erwidert wurde. Er
rief, und sie standen lauschend einige Sekunden, und der Ruf kam mit voller
Klarheit durch die Nachtluft von drüben zurück.
of, vor», in der Tat, der Signore wird erwartet, sagte der Italiener. Sie
gingen weiter, und nach einem Weilchen fing er noch einmal an:
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