Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Geschichte einer Sammlung

War, und wir uns in einem Nest an der ligurischen Küste aufhielten, wo sich alles
Lebendige zum Ufer hin sammelte, hatte ich den Eindruck, daß ich in meinem Leben
noch nie so viele und so schöne Kinder gesehen hätte.
"

Die "Musica ist eine wundervoll gezeichnete Frauensperson, eine der glück¬
lichsten Darstellungen der spätern Bologneser Zeit. Sie kennen ja die uachraffaelische
Routine, besonders die der Bologneser, die die Technik schlechtweg beherrschen, und
denen eigentlich keine Leinwand mehr groß genug ist, sie mit Menschenarmen und
Menschenbeinen voll zu malen. Daß Domenichino noch nicht diesen Sprung ins
inhaltlose Farbenturnier getan hatte, davon sprechen ja die Fresken und so ein
Bild wie die Kommunion des heiligen Hieronymus im Vatikan oder die Jagd der
Diana in der Villa Borghese. Aber ein andres, das Sie nicht kennen, ein wunder¬
schönes Bild, von dem erzähle ich Ihnen später einmal. Es stellt die Ermordung
des Sissera durch Jack dar, und damals war es noch im Besitz eines alten Ge¬
schlechts in den Marken.

Daß die Bologneser dann so schnell herunterkamen? Ich denke mir, sie be¬
rauschten sich in der nachrasfaelischen Zeit immer mehr an der neuen Sache, daß
auf Leinwand gemalt wurde. Es war doch noch nicht lange her, daß größere
Sachen uns das Fresko an der beworfnen Wand angewiesen waren, und die
Staffeleibilder auf Holzplatten, die ihrer Natur nach im Raum beschränkt sind.
Nun aber konnte die Bildfläche vom Webstuhl abgeschnitten, zusammengesetzt, ver¬
größert, zusammengerollt und wieder ausgespannt werden. Man brauchte gar
keine Sitze der Vornehmen oder Kirchen mehr. Bilder wollten alle Leute gern
haben, das Publikum stand der Arbeit der Maler nicht fern wie heute, wo man
denkt, daß die Künstler für eine Marotte hungern, die niemand interessiert als
sie selber.

Und nachdem ein Jahrhundert noch in schwindender Zurückhaltung der Neuerung
gegenüber zugebracht war, wuchsen sie mehr und mehr ins Kraut, Sie ver¬
wechselten die möglichst geschwinde Bewältigung von Flächen mit dem liebevoll
und leidenschaftlich gehegten Wachstum von Kunstwerken. Aber Domenichino hat
noch eine Hand in der Erbschaft der Großen vor ihm und kann wunderschöne
Dinge da herausheben. Daß die Musica ihm zugeschrieben wurde, stützte sich außer¬
dem noch darauf, daß unter Domenichinos Fresken in der Kuppel von San Andrea
della valle die Figur der Fortezza eine Schwester von ihr zu sein schien, ähnlich
in Fülle und Kraft und der freien Bewegung des emporgerichteten Kopfes.

Die Musica sitzt, die Hand mit der Feder auf einem Blatt Papier, den Kopf
und die Augen nach aufwärts gewandt, und nun ist es bewunderungswürdig, mit
welcher zärtlichen Freude diese Übergänge gemalt sind, vom Nacken zur Brust und
zur Schulter und diese Kehle! Bei aller Üppigkeit die feinste Durchbildung, nichts
verschwommnes, soudern die zarteste Linienführung. Der Kopf mit der starken
Untersicht, was für eine verwegne Sache, da er von vorn gesehen ist, und man in
Nase und Mund hineinsehen muß. Aber das ist alles ohne Verlegenheit und so
sicher durchgeführt, daß der Eindruck unbekümmerter Schönheit dabei herauskommt.
Der Mund, in den man hineinsieht, ist leicht geöffnet, als wenn er etwas nach¬
formen wollte, was ihm von oben zugerufen wird. Und dadurch, daß der Kopf
zurückgewandt ist, erscheint der Lorbeerkranz, den die Frau trägt, als dunkle Silhouette,
von der er sich abhebt.

Dieses Bild entzückte meinen Vater je länger je mehr, sodaß er ein persönliches
Verhältnis dazu gewann, und daß sein Schicksal ihn so beschäftigte, daß er herum¬
ging, um der Frau Musica einen Platz in einem guten Hause zu verschaffen. Für
sich selber fand er es zu groß, in bürgerliche Räume würde es nicht Passen, wenn
er einmal um unser, der Kinder willen nach Deutschland zurückgehn würde. Aber
es war ihm außerdem für das, was er ausgeben konnte, zu teuer. Mein Vater
ist damals zu reichen und vornehmen Leuten gegangen, die er kannte, und hat sie
auf die Musica aufmerksam gemacht, aber keiner wollte etwas davon wissen.


Grenzboten IV 190S 79
Geschichte einer Sammlung

War, und wir uns in einem Nest an der ligurischen Küste aufhielten, wo sich alles
Lebendige zum Ufer hin sammelte, hatte ich den Eindruck, daß ich in meinem Leben
noch nie so viele und so schöne Kinder gesehen hätte.
"

Die „Musica ist eine wundervoll gezeichnete Frauensperson, eine der glück¬
lichsten Darstellungen der spätern Bologneser Zeit. Sie kennen ja die uachraffaelische
Routine, besonders die der Bologneser, die die Technik schlechtweg beherrschen, und
denen eigentlich keine Leinwand mehr groß genug ist, sie mit Menschenarmen und
Menschenbeinen voll zu malen. Daß Domenichino noch nicht diesen Sprung ins
inhaltlose Farbenturnier getan hatte, davon sprechen ja die Fresken und so ein
Bild wie die Kommunion des heiligen Hieronymus im Vatikan oder die Jagd der
Diana in der Villa Borghese. Aber ein andres, das Sie nicht kennen, ein wunder¬
schönes Bild, von dem erzähle ich Ihnen später einmal. Es stellt die Ermordung
des Sissera durch Jack dar, und damals war es noch im Besitz eines alten Ge¬
schlechts in den Marken.

Daß die Bologneser dann so schnell herunterkamen? Ich denke mir, sie be¬
rauschten sich in der nachrasfaelischen Zeit immer mehr an der neuen Sache, daß
auf Leinwand gemalt wurde. Es war doch noch nicht lange her, daß größere
Sachen uns das Fresko an der beworfnen Wand angewiesen waren, und die
Staffeleibilder auf Holzplatten, die ihrer Natur nach im Raum beschränkt sind.
Nun aber konnte die Bildfläche vom Webstuhl abgeschnitten, zusammengesetzt, ver¬
größert, zusammengerollt und wieder ausgespannt werden. Man brauchte gar
keine Sitze der Vornehmen oder Kirchen mehr. Bilder wollten alle Leute gern
haben, das Publikum stand der Arbeit der Maler nicht fern wie heute, wo man
denkt, daß die Künstler für eine Marotte hungern, die niemand interessiert als
sie selber.

Und nachdem ein Jahrhundert noch in schwindender Zurückhaltung der Neuerung
gegenüber zugebracht war, wuchsen sie mehr und mehr ins Kraut, Sie ver¬
wechselten die möglichst geschwinde Bewältigung von Flächen mit dem liebevoll
und leidenschaftlich gehegten Wachstum von Kunstwerken. Aber Domenichino hat
noch eine Hand in der Erbschaft der Großen vor ihm und kann wunderschöne
Dinge da herausheben. Daß die Musica ihm zugeschrieben wurde, stützte sich außer¬
dem noch darauf, daß unter Domenichinos Fresken in der Kuppel von San Andrea
della valle die Figur der Fortezza eine Schwester von ihr zu sein schien, ähnlich
in Fülle und Kraft und der freien Bewegung des emporgerichteten Kopfes.

Die Musica sitzt, die Hand mit der Feder auf einem Blatt Papier, den Kopf
und die Augen nach aufwärts gewandt, und nun ist es bewunderungswürdig, mit
welcher zärtlichen Freude diese Übergänge gemalt sind, vom Nacken zur Brust und
zur Schulter und diese Kehle! Bei aller Üppigkeit die feinste Durchbildung, nichts
verschwommnes, soudern die zarteste Linienführung. Der Kopf mit der starken
Untersicht, was für eine verwegne Sache, da er von vorn gesehen ist, und man in
Nase und Mund hineinsehen muß. Aber das ist alles ohne Verlegenheit und so
sicher durchgeführt, daß der Eindruck unbekümmerter Schönheit dabei herauskommt.
Der Mund, in den man hineinsieht, ist leicht geöffnet, als wenn er etwas nach¬
formen wollte, was ihm von oben zugerufen wird. Und dadurch, daß der Kopf
zurückgewandt ist, erscheint der Lorbeerkranz, den die Frau trägt, als dunkle Silhouette,
von der er sich abhebt.

Dieses Bild entzückte meinen Vater je länger je mehr, sodaß er ein persönliches
Verhältnis dazu gewann, und daß sein Schicksal ihn so beschäftigte, daß er herum¬
ging, um der Frau Musica einen Platz in einem guten Hause zu verschaffen. Für
sich selber fand er es zu groß, in bürgerliche Räume würde es nicht Passen, wenn
er einmal um unser, der Kinder willen nach Deutschland zurückgehn würde. Aber
es war ihm außerdem für das, was er ausgeben konnte, zu teuer. Mein Vater
ist damals zu reichen und vornehmen Leuten gegangen, die er kannte, und hat sie
auf die Musica aufmerksam gemacht, aber keiner wollte etwas davon wissen.


Grenzboten IV 190S 79
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0615" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296626"/>
          <fw type="header" place="top"> Geschichte einer Sammlung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3114" prev="#ID_3113"> War, und wir uns in einem Nest an der ligurischen Küste aufhielten, wo sich alles<lb/>
Lebendige zum Ufer hin sammelte, hatte ich den Eindruck, daß ich in meinem Leben<lb/>
noch nie so viele und so schöne Kinder gesehen hätte.<lb/>
"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3115"> Die &#x201E;Musica ist eine wundervoll gezeichnete Frauensperson, eine der glück¬<lb/>
lichsten Darstellungen der spätern Bologneser Zeit. Sie kennen ja die uachraffaelische<lb/>
Routine, besonders die der Bologneser, die die Technik schlechtweg beherrschen, und<lb/>
denen eigentlich keine Leinwand mehr groß genug ist, sie mit Menschenarmen und<lb/>
Menschenbeinen voll zu malen. Daß Domenichino noch nicht diesen Sprung ins<lb/>
inhaltlose Farbenturnier getan hatte, davon sprechen ja die Fresken und so ein<lb/>
Bild wie die Kommunion des heiligen Hieronymus im Vatikan oder die Jagd der<lb/>
Diana in der Villa Borghese. Aber ein andres, das Sie nicht kennen, ein wunder¬<lb/>
schönes Bild, von dem erzähle ich Ihnen später einmal. Es stellt die Ermordung<lb/>
des Sissera durch Jack dar, und damals war es noch im Besitz eines alten Ge¬<lb/>
schlechts in den Marken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3116"> Daß die Bologneser dann so schnell herunterkamen? Ich denke mir, sie be¬<lb/>
rauschten sich in der nachrasfaelischen Zeit immer mehr an der neuen Sache, daß<lb/>
auf Leinwand gemalt wurde. Es war doch noch nicht lange her, daß größere<lb/>
Sachen uns das Fresko an der beworfnen Wand angewiesen waren, und die<lb/>
Staffeleibilder auf Holzplatten, die ihrer Natur nach im Raum beschränkt sind.<lb/>
Nun aber konnte die Bildfläche vom Webstuhl abgeschnitten, zusammengesetzt, ver¬<lb/>
größert, zusammengerollt und wieder ausgespannt werden. Man brauchte gar<lb/>
keine Sitze der Vornehmen oder Kirchen mehr. Bilder wollten alle Leute gern<lb/>
haben, das Publikum stand der Arbeit der Maler nicht fern wie heute, wo man<lb/>
denkt, daß die Künstler für eine Marotte hungern, die niemand interessiert als<lb/>
sie selber.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3117"> Und nachdem ein Jahrhundert noch in schwindender Zurückhaltung der Neuerung<lb/>
gegenüber zugebracht war, wuchsen sie mehr und mehr ins Kraut, Sie ver¬<lb/>
wechselten die möglichst geschwinde Bewältigung von Flächen mit dem liebevoll<lb/>
und leidenschaftlich gehegten Wachstum von Kunstwerken. Aber Domenichino hat<lb/>
noch eine Hand in der Erbschaft der Großen vor ihm und kann wunderschöne<lb/>
Dinge da herausheben. Daß die Musica ihm zugeschrieben wurde, stützte sich außer¬<lb/>
dem noch darauf, daß unter Domenichinos Fresken in der Kuppel von San Andrea<lb/>
della valle die Figur der Fortezza eine Schwester von ihr zu sein schien, ähnlich<lb/>
in Fülle und Kraft und der freien Bewegung des emporgerichteten Kopfes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3118"> Die Musica sitzt, die Hand mit der Feder auf einem Blatt Papier, den Kopf<lb/>
und die Augen nach aufwärts gewandt, und nun ist es bewunderungswürdig, mit<lb/>
welcher zärtlichen Freude diese Übergänge gemalt sind, vom Nacken zur Brust und<lb/>
zur Schulter und diese Kehle! Bei aller Üppigkeit die feinste Durchbildung, nichts<lb/>
verschwommnes, soudern die zarteste Linienführung. Der Kopf mit der starken<lb/>
Untersicht, was für eine verwegne Sache, da er von vorn gesehen ist, und man in<lb/>
Nase und Mund hineinsehen muß. Aber das ist alles ohne Verlegenheit und so<lb/>
sicher durchgeführt, daß der Eindruck unbekümmerter Schönheit dabei herauskommt.<lb/>
Der Mund, in den man hineinsieht, ist leicht geöffnet, als wenn er etwas nach¬<lb/>
formen wollte, was ihm von oben zugerufen wird. Und dadurch, daß der Kopf<lb/>
zurückgewandt ist, erscheint der Lorbeerkranz, den die Frau trägt, als dunkle Silhouette,<lb/>
von der er sich abhebt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3119"> Dieses Bild entzückte meinen Vater je länger je mehr, sodaß er ein persönliches<lb/>
Verhältnis dazu gewann, und daß sein Schicksal ihn so beschäftigte, daß er herum¬<lb/>
ging, um der Frau Musica einen Platz in einem guten Hause zu verschaffen. Für<lb/>
sich selber fand er es zu groß, in bürgerliche Räume würde es nicht Passen, wenn<lb/>
er einmal um unser, der Kinder willen nach Deutschland zurückgehn würde. Aber<lb/>
es war ihm außerdem für das, was er ausgeben konnte, zu teuer. Mein Vater<lb/>
ist damals zu reichen und vornehmen Leuten gegangen, die er kannte, und hat sie<lb/>
auf die Musica aufmerksam gemacht, aber keiner wollte etwas davon wissen.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 190S 79</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0615] Geschichte einer Sammlung War, und wir uns in einem Nest an der ligurischen Küste aufhielten, wo sich alles Lebendige zum Ufer hin sammelte, hatte ich den Eindruck, daß ich in meinem Leben noch nie so viele und so schöne Kinder gesehen hätte. " Die „Musica ist eine wundervoll gezeichnete Frauensperson, eine der glück¬ lichsten Darstellungen der spätern Bologneser Zeit. Sie kennen ja die uachraffaelische Routine, besonders die der Bologneser, die die Technik schlechtweg beherrschen, und denen eigentlich keine Leinwand mehr groß genug ist, sie mit Menschenarmen und Menschenbeinen voll zu malen. Daß Domenichino noch nicht diesen Sprung ins inhaltlose Farbenturnier getan hatte, davon sprechen ja die Fresken und so ein Bild wie die Kommunion des heiligen Hieronymus im Vatikan oder die Jagd der Diana in der Villa Borghese. Aber ein andres, das Sie nicht kennen, ein wunder¬ schönes Bild, von dem erzähle ich Ihnen später einmal. Es stellt die Ermordung des Sissera durch Jack dar, und damals war es noch im Besitz eines alten Ge¬ schlechts in den Marken. Daß die Bologneser dann so schnell herunterkamen? Ich denke mir, sie be¬ rauschten sich in der nachrasfaelischen Zeit immer mehr an der neuen Sache, daß auf Leinwand gemalt wurde. Es war doch noch nicht lange her, daß größere Sachen uns das Fresko an der beworfnen Wand angewiesen waren, und die Staffeleibilder auf Holzplatten, die ihrer Natur nach im Raum beschränkt sind. Nun aber konnte die Bildfläche vom Webstuhl abgeschnitten, zusammengesetzt, ver¬ größert, zusammengerollt und wieder ausgespannt werden. Man brauchte gar keine Sitze der Vornehmen oder Kirchen mehr. Bilder wollten alle Leute gern haben, das Publikum stand der Arbeit der Maler nicht fern wie heute, wo man denkt, daß die Künstler für eine Marotte hungern, die niemand interessiert als sie selber. Und nachdem ein Jahrhundert noch in schwindender Zurückhaltung der Neuerung gegenüber zugebracht war, wuchsen sie mehr und mehr ins Kraut, Sie ver¬ wechselten die möglichst geschwinde Bewältigung von Flächen mit dem liebevoll und leidenschaftlich gehegten Wachstum von Kunstwerken. Aber Domenichino hat noch eine Hand in der Erbschaft der Großen vor ihm und kann wunderschöne Dinge da herausheben. Daß die Musica ihm zugeschrieben wurde, stützte sich außer¬ dem noch darauf, daß unter Domenichinos Fresken in der Kuppel von San Andrea della valle die Figur der Fortezza eine Schwester von ihr zu sein schien, ähnlich in Fülle und Kraft und der freien Bewegung des emporgerichteten Kopfes. Die Musica sitzt, die Hand mit der Feder auf einem Blatt Papier, den Kopf und die Augen nach aufwärts gewandt, und nun ist es bewunderungswürdig, mit welcher zärtlichen Freude diese Übergänge gemalt sind, vom Nacken zur Brust und zur Schulter und diese Kehle! Bei aller Üppigkeit die feinste Durchbildung, nichts verschwommnes, soudern die zarteste Linienführung. Der Kopf mit der starken Untersicht, was für eine verwegne Sache, da er von vorn gesehen ist, und man in Nase und Mund hineinsehen muß. Aber das ist alles ohne Verlegenheit und so sicher durchgeführt, daß der Eindruck unbekümmerter Schönheit dabei herauskommt. Der Mund, in den man hineinsieht, ist leicht geöffnet, als wenn er etwas nach¬ formen wollte, was ihm von oben zugerufen wird. Und dadurch, daß der Kopf zurückgewandt ist, erscheint der Lorbeerkranz, den die Frau trägt, als dunkle Silhouette, von der er sich abhebt. Dieses Bild entzückte meinen Vater je länger je mehr, sodaß er ein persönliches Verhältnis dazu gewann, und daß sein Schicksal ihn so beschäftigte, daß er herum¬ ging, um der Frau Musica einen Platz in einem guten Hause zu verschaffen. Für sich selber fand er es zu groß, in bürgerliche Räume würde es nicht Passen, wenn er einmal um unser, der Kinder willen nach Deutschland zurückgehn würde. Aber es war ihm außerdem für das, was er ausgeben konnte, zu teuer. Mein Vater ist damals zu reichen und vornehmen Leuten gegangen, die er kannte, und hat sie auf die Musica aufmerksam gemacht, aber keiner wollte etwas davon wissen. Grenzboten IV 190S 79

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/615
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/615>, abgerufen am 15.01.2025.