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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Das geistliche Leben in Leipzig bis zum Beginn der Reformation

Jahrhunderts beginnt. Bei der Unsicherheit der Zeit war es natürlich, daß
sich Propst und Konventualen ihre Freiheiten, Rechte und Besitzungen wieder¬
holt von Markgraf, Kaiser und Papst bestätigen ließen, wobei von irgend¬
welchen Verpflichtungen des Klosters immer weniger die Rede war. Dennoch
vermochten sie nicht zu verhindern, daß die weltlichen Mächte, die das Be¬
streben hatten, Einfluß auf die Klvsterangelegenheiten zu gewinnen, im
Jahre 1361 einen Eingriff in die freie Propstwahl machten und die Brüder
nötigten, den Propst von Se. Afra in Meißen, Ulrich von Maltitz, nach
Leipzig zu berufen. Dieser schaltete aber so willkürlich mit dem Besitz und
den Regeln des Klosters, daß ihn der Bischof von Merseburg 1368 absetzte
und den Verkehr mit ihm mit der Strafe der Exkommunikation bedrohte. Es
bedürfte jedoch noch der päpstlichen Intervention, ehe die unliebsame Angelegen¬
heit beigelegt war.

Mit den wachsenden Einkünften machte sich bei den "Thomassern," wie
die Chorherren genannt wurden, ein gewisser Luxus bemerkbar, der haupt¬
sächlich in der Neigung, die Ordenstracht zu verändern, seinen Ausdruck fand,
Der Bischof von Merseburg, der den Konventualen im Jahre 1394 gewisse
Freiheiten in der Tracht zugebilligt hatte, wollte ihnen deshalb die Ver¬
günstigung später wieder entziehn, mußte sich aber auf Befehl des Papstes
Martins des Fünften, an den sich das Kloster gewandt hatte, zu einer Be¬
stätigung des Kleiderprivilegs entschließen.

Nach dem Thomaskloster entstanden in Leipzig noch drei andre Klöster.
Das erste davon war ein Nonnenkloster, das von dem Orte Hohenlohe bei
Lützen im ersten Drittel des dreizehnten Jahrhunderts in die Stadt verlegt
wurde, angeblich wegen Wassermangels. Man hatte zuerst beabsichtigt, es
neben dem Thomaskloster zu errichten, "damit die Nonnen ihren Chor neben
dem der Kanoniker hätten, weil es als herrliche Verehrung erschienen sei, wenn
Gott in der Höhe mit seinen Heiligen von beiden Geschlechtern in ein und
demselben Kloster gepriesen würde," aber die Bedenken zweier Kanoniker, die
in der Nachbarschaft der Nonnen einen Fallstrick des bösen Feindes sahen und
sich in ihrer Gewissensnot an den Erzbischof von Magdeburg wandten, ver¬
anlaßten diesen, dem Plane seine Genehmigung zu versagen. So wurde denn
das Kloster der Zisterzienserinnen, oder wie das Volk sie nannte, der Georgen¬
nonnen vor der Stadtmauer -- etwa zwischen der Peters- und der Thomas¬
kirche -- errichtet. Hundert Jahre nach seiner Gründung verfügte es über
einen ansehnlichen Grundbesitz; ans seiner Geschichte ist jedoch wenig bekannt.
Das zweite der Klöster war das 1229 gestiftete Dominikanerkloster, oder wie
es später bezeichnet wurde, das Kloster zu Se. Paul Predigerordens. Es lag
an der Stelle des heutigen Hauptgebäudes der Universität, wurde im Laufe
der Zeit ebenfalls reich mit Gütern ausgestattet und hatte überall in der Um¬
gegend Termineien oder Terminierhäuser als Stützpunkte für die Tätigkeit der
Mönche als Prediger und Almosensammler.

Zuletzt zogen die Franziskaner oder Barfüßer in Leipzig ein und siedelten
sich auf dem heute noch nach ihnen genannten Barfußberg, etwa an der Stelle
des MattlMirchhofs, an. Da sie nach den Regeln ihres Ordens keinen Besitz


Das geistliche Leben in Leipzig bis zum Beginn der Reformation

Jahrhunderts beginnt. Bei der Unsicherheit der Zeit war es natürlich, daß
sich Propst und Konventualen ihre Freiheiten, Rechte und Besitzungen wieder¬
holt von Markgraf, Kaiser und Papst bestätigen ließen, wobei von irgend¬
welchen Verpflichtungen des Klosters immer weniger die Rede war. Dennoch
vermochten sie nicht zu verhindern, daß die weltlichen Mächte, die das Be¬
streben hatten, Einfluß auf die Klvsterangelegenheiten zu gewinnen, im
Jahre 1361 einen Eingriff in die freie Propstwahl machten und die Brüder
nötigten, den Propst von Se. Afra in Meißen, Ulrich von Maltitz, nach
Leipzig zu berufen. Dieser schaltete aber so willkürlich mit dem Besitz und
den Regeln des Klosters, daß ihn der Bischof von Merseburg 1368 absetzte
und den Verkehr mit ihm mit der Strafe der Exkommunikation bedrohte. Es
bedürfte jedoch noch der päpstlichen Intervention, ehe die unliebsame Angelegen¬
heit beigelegt war.

Mit den wachsenden Einkünften machte sich bei den „Thomassern," wie
die Chorherren genannt wurden, ein gewisser Luxus bemerkbar, der haupt¬
sächlich in der Neigung, die Ordenstracht zu verändern, seinen Ausdruck fand,
Der Bischof von Merseburg, der den Konventualen im Jahre 1394 gewisse
Freiheiten in der Tracht zugebilligt hatte, wollte ihnen deshalb die Ver¬
günstigung später wieder entziehn, mußte sich aber auf Befehl des Papstes
Martins des Fünften, an den sich das Kloster gewandt hatte, zu einer Be¬
stätigung des Kleiderprivilegs entschließen.

Nach dem Thomaskloster entstanden in Leipzig noch drei andre Klöster.
Das erste davon war ein Nonnenkloster, das von dem Orte Hohenlohe bei
Lützen im ersten Drittel des dreizehnten Jahrhunderts in die Stadt verlegt
wurde, angeblich wegen Wassermangels. Man hatte zuerst beabsichtigt, es
neben dem Thomaskloster zu errichten, „damit die Nonnen ihren Chor neben
dem der Kanoniker hätten, weil es als herrliche Verehrung erschienen sei, wenn
Gott in der Höhe mit seinen Heiligen von beiden Geschlechtern in ein und
demselben Kloster gepriesen würde," aber die Bedenken zweier Kanoniker, die
in der Nachbarschaft der Nonnen einen Fallstrick des bösen Feindes sahen und
sich in ihrer Gewissensnot an den Erzbischof von Magdeburg wandten, ver¬
anlaßten diesen, dem Plane seine Genehmigung zu versagen. So wurde denn
das Kloster der Zisterzienserinnen, oder wie das Volk sie nannte, der Georgen¬
nonnen vor der Stadtmauer — etwa zwischen der Peters- und der Thomas¬
kirche — errichtet. Hundert Jahre nach seiner Gründung verfügte es über
einen ansehnlichen Grundbesitz; ans seiner Geschichte ist jedoch wenig bekannt.
Das zweite der Klöster war das 1229 gestiftete Dominikanerkloster, oder wie
es später bezeichnet wurde, das Kloster zu Se. Paul Predigerordens. Es lag
an der Stelle des heutigen Hauptgebäudes der Universität, wurde im Laufe
der Zeit ebenfalls reich mit Gütern ausgestattet und hatte überall in der Um¬
gegend Termineien oder Terminierhäuser als Stützpunkte für die Tätigkeit der
Mönche als Prediger und Almosensammler.

Zuletzt zogen die Franziskaner oder Barfüßer in Leipzig ein und siedelten
sich auf dem heute noch nach ihnen genannten Barfußberg, etwa an der Stelle
des MattlMirchhofs, an. Da sie nach den Regeln ihres Ordens keinen Besitz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/595>, abgerufen am 15.01.2025.