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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Nach der Hühnerhunde

die Stimme des armen Professors Eberhard, der offenbar zurückgeblieben war, und
während er über dem Waldrande die unglücklichsten Flugbewegungen ausführte,
rief: Halt! Halt! Ich habe einen Überschuh verloren!

Aber nur ein im Sturme verwehendes fernes Hohngelüchter war die Antwort
auf den Hilferuf des Unglücklichen, er ließ Überschuh Überschuh sein, schraubte sich
in kleinen Kreisen empor und zog, wacker gegen den Wind ankämpfend, den Ge¬
nossen nach.

Ich lauschte noch eine Weile und schloß, als ich nichts mehr vernahm, das
Fenster.

Das also, sagte ich zu mir, war die berühmte wilde Jagd! Hübsch, daß du
das auch einmal zu sehen bekommen hast! Sieht doch in Wirklichkeit etwas anders
aus als auf der Bühne, wenn der Freischütz gegeben wird.

Mein nächster Gedanke aber war, daß ich nun im Schlosse ganz allein sei.
Jetzt war also der Augenblick gekommen, wo ich meinen Plan in aller Ruhe aus-
führen konnte. Bequemer hätte es mir Baron Samiel gar nicht machen können.
Er mochte ein liebenswürdiger Wirt, ein gerechter Weidmann, ein tüchtiger Wild¬
heger sein, das ließ sich alles nicht bestreiten, aber ein dummer Teufel war er
nebenbei auch.

In weniger als zwei Minuten war ich angekleidet, nahm den Leuchter in
die Linke, das Weidmesser in die Rechte und trat auf den Korridor hinaus.
Überall herrschte die Stille des Grabes. Ich eilte die Treppe hinunter, fand nach
einigem Suchen die Hoftür und gelangte, nachdem mir der Wind ein paarmal das
Licht ausgelöscht hatte, glücklich in das Gewölbe nnter der Remise, wo, wie ich
wußte, der Hirsch cmsbewalirt wurde. Er hing mit dem um das Geweih ge-
schlungner Seil an einem dicht unter der Decke eingeschlagnen Haken, während der
Schweiß noch immer aus der Bauchhöhle tropfte und auf den Fliesen eine große
schwärzliche Lache bildete. Wie sollte ich nun den schweren Körper herunterholen?
Ich sann hin und her und kam schließlich auf den Einfall, ein leeres Rotwciufaß
herbeiznrollen, neben dem Hirsch aufrecht an die Wand zu stellen, hinaufzusteigen
und den Strick einfach mit einem Messer durchzuschneiden. Mit furchtbarem Ge¬
palter fiel der Hirsch zu Boden, daß der Schweiß rechts und links an die frisch
getünchten Wände spritzte.

Ich suchte und fand die Handsäge, mit der Martin beim Ausbrechen das
Schloß gelöst hatte, legte den Kopf zurecht, ergriff mit der linken Hand eine der
Stangen, setzte den linken Fuß auf den Windfang und begann, nachdem ich Decke
und Kopfwildbret mit meinem Nicker ausgeschärft hatte, das Sägeblatt durch den
Schädelknochen zu führen. Das war bei der Stärke des Knochens keine leichte
Arbeit; die Arme zitterten mir vor Anstrengung und Aufregung, und mehr als
einmal mußte ich innehalten und mir die perlenden Tropfen von der Stirn wischen.
Aber endlich sah ich meine Mühe belohnt: ich hielt ein Geweih in Händen, dessen
Stärke und Gewicht mir jetzt erst recht zum Bewußtsein kamen.

Nun galt es, die zweite Arbeit zu vollbringen! Ich kehrte in das Schloß
zurück, lehnte meine Trophäe an die Wand und begab mich in den Speisesaal, um
von hier aus in das Bibliothekzimmer einzudringen. Aber die Tür war, wie ich
befürchtet hatte, verschlossen, und der Schlüssel war abgezogen. Halt! dachte ich,
der gute Eberhard müßte kein deutscher Professor sein, wenn er den Schlüssel nicht
wohlverwahrt in der Tasche der Hose stecken hätte, die er gestern Abend trug!
Also hinauf auf sein Zimmer und gründlich nachgesucht!

Gedacht, getan. Ich bin kein Pedant, aber wie es in Eberhards Stube aus¬
sah, das ging mir doch über die Hutschnur. Die Tischdecke lag auf dem Bett,
über den Tisch war ein alter Lodenmantel gebreitet, darauf lagen in wirrem
Durcheinander Patronen und leere Hülsen, Manuskriptblätter und Krähenfedern,
Bücher und schmutzige Kragen, Reste eines Butterbrotes und ölgetränkte Gewehr¬
putzlappen, und mitten in diesem Chaos stand ein einzelner Stiefel, dessen Ober¬
leder an einer schadhaften Stelle mit Heftpflaster überklebt war. Über den Boden


Nach der Hühnerhunde

die Stimme des armen Professors Eberhard, der offenbar zurückgeblieben war, und
während er über dem Waldrande die unglücklichsten Flugbewegungen ausführte,
rief: Halt! Halt! Ich habe einen Überschuh verloren!

Aber nur ein im Sturme verwehendes fernes Hohngelüchter war die Antwort
auf den Hilferuf des Unglücklichen, er ließ Überschuh Überschuh sein, schraubte sich
in kleinen Kreisen empor und zog, wacker gegen den Wind ankämpfend, den Ge¬
nossen nach.

Ich lauschte noch eine Weile und schloß, als ich nichts mehr vernahm, das
Fenster.

Das also, sagte ich zu mir, war die berühmte wilde Jagd! Hübsch, daß du
das auch einmal zu sehen bekommen hast! Sieht doch in Wirklichkeit etwas anders
aus als auf der Bühne, wenn der Freischütz gegeben wird.

Mein nächster Gedanke aber war, daß ich nun im Schlosse ganz allein sei.
Jetzt war also der Augenblick gekommen, wo ich meinen Plan in aller Ruhe aus-
führen konnte. Bequemer hätte es mir Baron Samiel gar nicht machen können.
Er mochte ein liebenswürdiger Wirt, ein gerechter Weidmann, ein tüchtiger Wild¬
heger sein, das ließ sich alles nicht bestreiten, aber ein dummer Teufel war er
nebenbei auch.

In weniger als zwei Minuten war ich angekleidet, nahm den Leuchter in
die Linke, das Weidmesser in die Rechte und trat auf den Korridor hinaus.
Überall herrschte die Stille des Grabes. Ich eilte die Treppe hinunter, fand nach
einigem Suchen die Hoftür und gelangte, nachdem mir der Wind ein paarmal das
Licht ausgelöscht hatte, glücklich in das Gewölbe nnter der Remise, wo, wie ich
wußte, der Hirsch cmsbewalirt wurde. Er hing mit dem um das Geweih ge-
schlungner Seil an einem dicht unter der Decke eingeschlagnen Haken, während der
Schweiß noch immer aus der Bauchhöhle tropfte und auf den Fliesen eine große
schwärzliche Lache bildete. Wie sollte ich nun den schweren Körper herunterholen?
Ich sann hin und her und kam schließlich auf den Einfall, ein leeres Rotwciufaß
herbeiznrollen, neben dem Hirsch aufrecht an die Wand zu stellen, hinaufzusteigen
und den Strick einfach mit einem Messer durchzuschneiden. Mit furchtbarem Ge¬
palter fiel der Hirsch zu Boden, daß der Schweiß rechts und links an die frisch
getünchten Wände spritzte.

Ich suchte und fand die Handsäge, mit der Martin beim Ausbrechen das
Schloß gelöst hatte, legte den Kopf zurecht, ergriff mit der linken Hand eine der
Stangen, setzte den linken Fuß auf den Windfang und begann, nachdem ich Decke
und Kopfwildbret mit meinem Nicker ausgeschärft hatte, das Sägeblatt durch den
Schädelknochen zu führen. Das war bei der Stärke des Knochens keine leichte
Arbeit; die Arme zitterten mir vor Anstrengung und Aufregung, und mehr als
einmal mußte ich innehalten und mir die perlenden Tropfen von der Stirn wischen.
Aber endlich sah ich meine Mühe belohnt: ich hielt ein Geweih in Händen, dessen
Stärke und Gewicht mir jetzt erst recht zum Bewußtsein kamen.

Nun galt es, die zweite Arbeit zu vollbringen! Ich kehrte in das Schloß
zurück, lehnte meine Trophäe an die Wand und begab mich in den Speisesaal, um
von hier aus in das Bibliothekzimmer einzudringen. Aber die Tür war, wie ich
befürchtet hatte, verschlossen, und der Schlüssel war abgezogen. Halt! dachte ich,
der gute Eberhard müßte kein deutscher Professor sein, wenn er den Schlüssel nicht
wohlverwahrt in der Tasche der Hose stecken hätte, die er gestern Abend trug!
Also hinauf auf sein Zimmer und gründlich nachgesucht!

Gedacht, getan. Ich bin kein Pedant, aber wie es in Eberhards Stube aus¬
sah, das ging mir doch über die Hutschnur. Die Tischdecke lag auf dem Bett,
über den Tisch war ein alter Lodenmantel gebreitet, darauf lagen in wirrem
Durcheinander Patronen und leere Hülsen, Manuskriptblätter und Krähenfedern,
Bücher und schmutzige Kragen, Reste eines Butterbrotes und ölgetränkte Gewehr¬
putzlappen, und mitten in diesem Chaos stand ein einzelner Stiefel, dessen Ober¬
leder an einer schadhaften Stelle mit Heftpflaster überklebt war. Über den Boden


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[0560] Nach der Hühnerhunde die Stimme des armen Professors Eberhard, der offenbar zurückgeblieben war, und während er über dem Waldrande die unglücklichsten Flugbewegungen ausführte, rief: Halt! Halt! Ich habe einen Überschuh verloren! Aber nur ein im Sturme verwehendes fernes Hohngelüchter war die Antwort auf den Hilferuf des Unglücklichen, er ließ Überschuh Überschuh sein, schraubte sich in kleinen Kreisen empor und zog, wacker gegen den Wind ankämpfend, den Ge¬ nossen nach. Ich lauschte noch eine Weile und schloß, als ich nichts mehr vernahm, das Fenster. Das also, sagte ich zu mir, war die berühmte wilde Jagd! Hübsch, daß du das auch einmal zu sehen bekommen hast! Sieht doch in Wirklichkeit etwas anders aus als auf der Bühne, wenn der Freischütz gegeben wird. Mein nächster Gedanke aber war, daß ich nun im Schlosse ganz allein sei. Jetzt war also der Augenblick gekommen, wo ich meinen Plan in aller Ruhe aus- führen konnte. Bequemer hätte es mir Baron Samiel gar nicht machen können. Er mochte ein liebenswürdiger Wirt, ein gerechter Weidmann, ein tüchtiger Wild¬ heger sein, das ließ sich alles nicht bestreiten, aber ein dummer Teufel war er nebenbei auch. In weniger als zwei Minuten war ich angekleidet, nahm den Leuchter in die Linke, das Weidmesser in die Rechte und trat auf den Korridor hinaus. Überall herrschte die Stille des Grabes. Ich eilte die Treppe hinunter, fand nach einigem Suchen die Hoftür und gelangte, nachdem mir der Wind ein paarmal das Licht ausgelöscht hatte, glücklich in das Gewölbe nnter der Remise, wo, wie ich wußte, der Hirsch cmsbewalirt wurde. Er hing mit dem um das Geweih ge- schlungner Seil an einem dicht unter der Decke eingeschlagnen Haken, während der Schweiß noch immer aus der Bauchhöhle tropfte und auf den Fliesen eine große schwärzliche Lache bildete. Wie sollte ich nun den schweren Körper herunterholen? Ich sann hin und her und kam schließlich auf den Einfall, ein leeres Rotwciufaß herbeiznrollen, neben dem Hirsch aufrecht an die Wand zu stellen, hinaufzusteigen und den Strick einfach mit einem Messer durchzuschneiden. Mit furchtbarem Ge¬ palter fiel der Hirsch zu Boden, daß der Schweiß rechts und links an die frisch getünchten Wände spritzte. Ich suchte und fand die Handsäge, mit der Martin beim Ausbrechen das Schloß gelöst hatte, legte den Kopf zurecht, ergriff mit der linken Hand eine der Stangen, setzte den linken Fuß auf den Windfang und begann, nachdem ich Decke und Kopfwildbret mit meinem Nicker ausgeschärft hatte, das Sägeblatt durch den Schädelknochen zu führen. Das war bei der Stärke des Knochens keine leichte Arbeit; die Arme zitterten mir vor Anstrengung und Aufregung, und mehr als einmal mußte ich innehalten und mir die perlenden Tropfen von der Stirn wischen. Aber endlich sah ich meine Mühe belohnt: ich hielt ein Geweih in Händen, dessen Stärke und Gewicht mir jetzt erst recht zum Bewußtsein kamen. Nun galt es, die zweite Arbeit zu vollbringen! Ich kehrte in das Schloß zurück, lehnte meine Trophäe an die Wand und begab mich in den Speisesaal, um von hier aus in das Bibliothekzimmer einzudringen. Aber die Tür war, wie ich befürchtet hatte, verschlossen, und der Schlüssel war abgezogen. Halt! dachte ich, der gute Eberhard müßte kein deutscher Professor sein, wenn er den Schlüssel nicht wohlverwahrt in der Tasche der Hose stecken hätte, die er gestern Abend trug! Also hinauf auf sein Zimmer und gründlich nachgesucht! Gedacht, getan. Ich bin kein Pedant, aber wie es in Eberhards Stube aus¬ sah, das ging mir doch über die Hutschnur. Die Tischdecke lag auf dem Bett, über den Tisch war ein alter Lodenmantel gebreitet, darauf lagen in wirrem Durcheinander Patronen und leere Hülsen, Manuskriptblätter und Krähenfedern, Bücher und schmutzige Kragen, Reste eines Butterbrotes und ölgetränkte Gewehr¬ putzlappen, und mitten in diesem Chaos stand ein einzelner Stiefel, dessen Ober¬ leder an einer schadhaften Stelle mit Heftpflaster überklebt war. Über den Boden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/560>, abgerufen am 15.01.2025.