Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Armenrecht, Anwaltszwang und Gerichtskostengesetz "mutwillig oder aussichtslos" bezeichnen; denn wie oben erwähnt, muß die Oder: Jemand, der dem Gericht als ein gewandter und reicher Geschäfts¬ Der Paragraph 12g der Zivilprozeßordnung, wonach über das Gesuch um Bewilligung
des Armenrechts ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden kann, hat eine mündliche Verhandlung nur mit dem das Armenrecht Nachsuchenden im Auge; der Zuziehung des Gegners bedarf es nicht. Armenrecht, Anwaltszwang und Gerichtskostengesetz „mutwillig oder aussichtslos" bezeichnen; denn wie oben erwähnt, muß die Oder: Jemand, der dem Gericht als ein gewandter und reicher Geschäfts¬ Der Paragraph 12g der Zivilprozeßordnung, wonach über das Gesuch um Bewilligung
des Armenrechts ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden kann, hat eine mündliche Verhandlung nur mit dem das Armenrecht Nachsuchenden im Auge; der Zuziehung des Gegners bedarf es nicht. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296476"/> <fw type="header" place="top"> Armenrecht, Anwaltszwang und Gerichtskostengesetz</fw><lb/> <p xml:id="ID_2485" prev="#ID_2484"> „mutwillig oder aussichtslos" bezeichnen; denn wie oben erwähnt, muß die<lb/> Haltlosigkeit des vom Nachsuchenden geltend zu machenden Anspruchs gewisser¬<lb/> maßen offenbar sein, und so liegt hier der Fall doch nicht, weil hier die<lb/> Grundlosigkeit des Anspruchs vielmehr nur aus mehrfachen Schlußfolgerungen,<lb/> die vielleicht doch nicht zutreffend sind, hergeleitet werden kann. Daß der das<lb/> Armenrecht Nachsuchende seine Angaben glaubhaft machen müsse, also etwa<lb/> durch Vorlegung von Urkunden oder von eidesstattlichen Versicherungen dritter<lb/> die Überzeugung von der Nichtigkeit seiner tatsächlichen Behauptungen dem<lb/> Gericht beibringen müsse, sagt das Gesetz nicht; dagegen verlangt der Para¬<lb/> graph 118 Absatz 3 der Zivilprozeßordnung nur, daß der das Armenrecht<lb/> Nachsuchende „das Streitverhültnis unter Angabe der Beweismittel darzu¬<lb/> legen" habe. Die dem Gericht obliegende Vorprüfung des Anspruchs kann<lb/> aber der Natur der Sache nach nur eine summarische sein, da sie eben nur<lb/> zur Entscheidung über das Gesuch um Erteilung des Armenrechts, nicht zur<lb/> Feststellung des Anspruchs selbst geschieht; eine Zeugenvernehmung oder ein<lb/> Vortermin, worin der das Armenrecht Nachsuchende und sein Gegner einander<lb/> gegenübergestellt werden,*) ist also ausgeschlossen, und die bloße Anhörung<lb/> des Gegners über den gegen ihn beabsichtigten Anspruch, mag sie auch nicht<lb/> gerade gesetzlich unzulässig sein, hat schon an sich ihre Bedenken gegen sich<lb/> und könnte jedenfalls nur ganz ausnahmsweise geeignet sein, dem Gericht die<lb/> Überzeugung beizubringen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig oder<lb/> aussichtslos. Das Gericht kann freilich den das Armenrecht Nachsuchenden<lb/> unter Hervorhebung der gegen seinen Anspruch streitenden Bedenken zur nähern<lb/> Aufklärung, also zur Beseitigung der Bedenken auffordern; aber wenn der das<lb/> Armenrecht Nachsuchende dreist genug ist, seine frühern Anführungen aufrecht<lb/> zu erhalten oder gar durch neue aufzuputzen, so wird das Gericht wiederum<lb/> kaum je in der Lage sein, die Feststellung mutwilliger oder aussichtsloser<lb/> Rechtsverfvlgung zu treffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2486" next="#ID_2487"> Oder: Jemand, der dem Gericht als ein gewandter und reicher Geschäfts¬<lb/> mann bekannt ist, tritt einen ihm angeblich zustehenden Anspruch einem ver¬<lb/> mögenslosen Agenten ab, und dieser sucht die Erteilung des Armenrechts zur<lb/> Verfolgung des Anspruchs nach. Das Gericht kann sich hier mit Sicherheit<lb/> sagen, daß wenn dieser Anspruch dem Geschäftsmann in der Tat zustünde, er<lb/> ihn gewiß selbst geltend gemacht hätte, daß die Abtretung an den vermögens¬<lb/> losen Agenten also nur verfolgt ist, weil der reiche Geschäftsmann den An¬<lb/> spruch nicht durchführen zu können fürchtet, sich nicht der Gefahr aussetzen<lb/> will, aus seinem eignen Geldbeutel die Kosten des Verlornen Prozesses zu<lb/> zahlen. Aber die Feststellung, daß der abgetretne Anspruch gar nicht zu Recht<lb/> bestehe, die beabsichtigte Rechtsverfolgung also mutwillig oder aussichtslos sei.<lb/> lst aus dem vorgetragnen Sachverhalt nicht wohl zu treffen; und die Fest-<lb/> stellung. daß die Abtretung nur zum Schein erfolgt sei, hat, wenn sie über-</p><lb/> <note xml:id="FID_29" place="foot"> Der Paragraph 12g der Zivilprozeßordnung, wonach über das Gesuch um Bewilligung<lb/> des Armenrechts ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden kann, hat eine<lb/> mündliche Verhandlung nur mit dem das Armenrecht Nachsuchenden im Auge; der Zuziehung<lb/> des Gegners bedarf es nicht.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0465]
Armenrecht, Anwaltszwang und Gerichtskostengesetz
„mutwillig oder aussichtslos" bezeichnen; denn wie oben erwähnt, muß die
Haltlosigkeit des vom Nachsuchenden geltend zu machenden Anspruchs gewisser¬
maßen offenbar sein, und so liegt hier der Fall doch nicht, weil hier die
Grundlosigkeit des Anspruchs vielmehr nur aus mehrfachen Schlußfolgerungen,
die vielleicht doch nicht zutreffend sind, hergeleitet werden kann. Daß der das
Armenrecht Nachsuchende seine Angaben glaubhaft machen müsse, also etwa
durch Vorlegung von Urkunden oder von eidesstattlichen Versicherungen dritter
die Überzeugung von der Nichtigkeit seiner tatsächlichen Behauptungen dem
Gericht beibringen müsse, sagt das Gesetz nicht; dagegen verlangt der Para¬
graph 118 Absatz 3 der Zivilprozeßordnung nur, daß der das Armenrecht
Nachsuchende „das Streitverhültnis unter Angabe der Beweismittel darzu¬
legen" habe. Die dem Gericht obliegende Vorprüfung des Anspruchs kann
aber der Natur der Sache nach nur eine summarische sein, da sie eben nur
zur Entscheidung über das Gesuch um Erteilung des Armenrechts, nicht zur
Feststellung des Anspruchs selbst geschieht; eine Zeugenvernehmung oder ein
Vortermin, worin der das Armenrecht Nachsuchende und sein Gegner einander
gegenübergestellt werden,*) ist also ausgeschlossen, und die bloße Anhörung
des Gegners über den gegen ihn beabsichtigten Anspruch, mag sie auch nicht
gerade gesetzlich unzulässig sein, hat schon an sich ihre Bedenken gegen sich
und könnte jedenfalls nur ganz ausnahmsweise geeignet sein, dem Gericht die
Überzeugung beizubringen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig oder
aussichtslos. Das Gericht kann freilich den das Armenrecht Nachsuchenden
unter Hervorhebung der gegen seinen Anspruch streitenden Bedenken zur nähern
Aufklärung, also zur Beseitigung der Bedenken auffordern; aber wenn der das
Armenrecht Nachsuchende dreist genug ist, seine frühern Anführungen aufrecht
zu erhalten oder gar durch neue aufzuputzen, so wird das Gericht wiederum
kaum je in der Lage sein, die Feststellung mutwilliger oder aussichtsloser
Rechtsverfvlgung zu treffen.
Oder: Jemand, der dem Gericht als ein gewandter und reicher Geschäfts¬
mann bekannt ist, tritt einen ihm angeblich zustehenden Anspruch einem ver¬
mögenslosen Agenten ab, und dieser sucht die Erteilung des Armenrechts zur
Verfolgung des Anspruchs nach. Das Gericht kann sich hier mit Sicherheit
sagen, daß wenn dieser Anspruch dem Geschäftsmann in der Tat zustünde, er
ihn gewiß selbst geltend gemacht hätte, daß die Abtretung an den vermögens¬
losen Agenten also nur verfolgt ist, weil der reiche Geschäftsmann den An¬
spruch nicht durchführen zu können fürchtet, sich nicht der Gefahr aussetzen
will, aus seinem eignen Geldbeutel die Kosten des Verlornen Prozesses zu
zahlen. Aber die Feststellung, daß der abgetretne Anspruch gar nicht zu Recht
bestehe, die beabsichtigte Rechtsverfolgung also mutwillig oder aussichtslos sei.
lst aus dem vorgetragnen Sachverhalt nicht wohl zu treffen; und die Fest-
stellung. daß die Abtretung nur zum Schein erfolgt sei, hat, wenn sie über-
Der Paragraph 12g der Zivilprozeßordnung, wonach über das Gesuch um Bewilligung
des Armenrechts ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden kann, hat eine
mündliche Verhandlung nur mit dem das Armenrecht Nachsuchenden im Auge; der Zuziehung
des Gegners bedarf es nicht.
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