Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.ornamentierte" Rundbogen. Es ist der ""vergängliche Triumph des künstlerischen Also ein Denkmal der Mutterliebe und wohl auch ein wenig der weiblichen Noch zweimal trotz meinem kurzen Aufenthalt in Aquila zwang der Genius Dem schrecklichen Erdbeben von 1703, das den größten Teil der Stadt Der einzige Schmuck dieser glatten Hausteinwände ist durchgehends ein ornamentierte» Rundbogen. Es ist der »»vergängliche Triumph des künstlerischen Also ein Denkmal der Mutterliebe und wohl auch ein wenig der weiblichen Noch zweimal trotz meinem kurzen Aufenthalt in Aquila zwang der Genius Dem schrecklichen Erdbeben von 1703, das den größten Teil der Stadt Der einzige Schmuck dieser glatten Hausteinwände ist durchgehends ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296055"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_133" prev="#ID_132"> ornamentierte» Rundbogen. Es ist der »»vergängliche Triumph des künstlerischen<lb/> Menschengeistes über die alles in Vergessenheit stürzenden Schatten des Todes.<lb/> Ich las die Inschrift: Dieses Grabmal setzte Maria Pereirn Nvronia ans dem<lb/> erhabnen Stamm der hispanischen Könige, die Gattin des Grafen Latte Campo¬<lb/> neschi, ihrem süßen Kinde, ihrer einzigen Tochter Beatrice Camponeschi, die<lb/> fünfzehn Monate alt wurde, und zugleich sich selbst bei ihren Lebzeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_134"> Also ein Denkmal der Mutterliebe und wohl auch ein wenig der weiblichen<lb/> Eitelkeit. Oder was war stärker in der stolzen Grafin, der Wunsch, ihre edle<lb/> Gestalt der Nachwelt zu verewigen, oder an derselben Stelle wie das ihr so früh<lb/> vorangegangne Töchterchen den langen Schlaf zu halten?</p><lb/> <p xml:id="ID_135"> Noch zweimal trotz meinem kurzen Aufenthalt in Aquila zwang der Genius<lb/> Silvestro d'Arsicvlas meinen Fuß zu dieser Stätte, und jedesmal verließ ich<lb/> sie schwerem Herzens. In weihevoller Stunde gewann ich hier, für immer un¬<lb/> auslöschlich, eine der köstlichsten Bereicherungen meines Geistes. Das ruhm¬<lb/> volle Geschlecht der Camponeschi, das mit den Pretatti ähnlich wie die Montecchi<lb/> und Capuletti in Verona über zwei Jahrhunderte lang um die führende Stelle<lb/> in ihrer Vaterstadt kämpfte, hat sich noch andre Denkmäler, namentlich in der<lb/> Kirche S. Giuseppe, gesetzt. Aber auch das beste, ein Reiterdenkmal von 1432,<lb/> hält trotz manchen schätzenswerten Einzelheiten den Vergleich mit diesem in jeder<lb/> Beziehung vollendeten Kunstwerk nicht aus. Bald darauf (1490) erlosch das<lb/> mächtige Grafengeschlecht. Es ging unter in den kriegerischen Wirren jener<lb/> trüben Zeiten. Aber weniger in seinen Heldentaten lebt es weiter, die längst<lb/> ihre Bedeutung verloren haben, und wovon nur staubige Bücher erzählen. In<lb/> diesem einen Grabmal, das sein Reichtum und seine Kunstliebe kurz vor seinem<lb/> Verschwinden von der Erde errichtete, steht es deutlicher und herrlicher vor uns.<lb/> Es ist eine Art Vermächtnis, der letzte Gruß der Camponeschi an die Nachwelt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_136"> Dem schrecklichen Erdbeben von 1703, das den größten Teil der Stadt<lb/> in Trümmer gelegt und damit zugleich eine Menge Kunstschätze vernichtet hat,<lb/> sind von den neunundneunzig ursprünglichen Kirchen doch eine ganze Reihe<lb/> entgangen, wenigstens ihre schaufelten. Wenn wir von dem völlig uninteressanter<lb/> Dom am Hauptplatz und der Frührenaissancekirche S. Maria del Soccorso mit<lb/> ihrer Fassade aus rotem und weißem Marmor, (ähnlich wie in Collemaggio)<lb/> absehen, ist das Äußere dieser Kirchen geradezu nach einem und demselben Schema<lb/> gebaut. Bei allen sind die Fassaden quadratisch. Das gibt natürlich keine<lb/> unserm Auge geläufigen Verhältnisse. Es ist eben eine Eigentümlichkeit eines<lb/> bestimmten Landes und eines bestimmten Zeitalters, die man als solche achten<lb/> und schätzen muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_137" next="#ID_138"> Der einzige Schmuck dieser glatten Hausteinwände ist durchgehends ein<lb/> romanisches Portal und über dem etwas über der Mitte durchlaufenden Sims<lb/> eine große Rosette. Also: das Edelste auf dem nüchternsten. Damit ist der<lb/> Charakter von S. Maria ti Pagcmica, Madonna ti Nojo, S. Agnese, S. Marco,<lb/> S. Chiara, S. Domenico, S. Marciano u. a. gekennzeichnet. Einige, z. B. Santa<lb/> Giusta und Sau Silvestro, trage» an der rechten Seite ein recht keck aufgesetztes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0044]
ornamentierte» Rundbogen. Es ist der »»vergängliche Triumph des künstlerischen
Menschengeistes über die alles in Vergessenheit stürzenden Schatten des Todes.
Ich las die Inschrift: Dieses Grabmal setzte Maria Pereirn Nvronia ans dem
erhabnen Stamm der hispanischen Könige, die Gattin des Grafen Latte Campo¬
neschi, ihrem süßen Kinde, ihrer einzigen Tochter Beatrice Camponeschi, die
fünfzehn Monate alt wurde, und zugleich sich selbst bei ihren Lebzeiten.
Also ein Denkmal der Mutterliebe und wohl auch ein wenig der weiblichen
Eitelkeit. Oder was war stärker in der stolzen Grafin, der Wunsch, ihre edle
Gestalt der Nachwelt zu verewigen, oder an derselben Stelle wie das ihr so früh
vorangegangne Töchterchen den langen Schlaf zu halten?
Noch zweimal trotz meinem kurzen Aufenthalt in Aquila zwang der Genius
Silvestro d'Arsicvlas meinen Fuß zu dieser Stätte, und jedesmal verließ ich
sie schwerem Herzens. In weihevoller Stunde gewann ich hier, für immer un¬
auslöschlich, eine der köstlichsten Bereicherungen meines Geistes. Das ruhm¬
volle Geschlecht der Camponeschi, das mit den Pretatti ähnlich wie die Montecchi
und Capuletti in Verona über zwei Jahrhunderte lang um die führende Stelle
in ihrer Vaterstadt kämpfte, hat sich noch andre Denkmäler, namentlich in der
Kirche S. Giuseppe, gesetzt. Aber auch das beste, ein Reiterdenkmal von 1432,
hält trotz manchen schätzenswerten Einzelheiten den Vergleich mit diesem in jeder
Beziehung vollendeten Kunstwerk nicht aus. Bald darauf (1490) erlosch das
mächtige Grafengeschlecht. Es ging unter in den kriegerischen Wirren jener
trüben Zeiten. Aber weniger in seinen Heldentaten lebt es weiter, die längst
ihre Bedeutung verloren haben, und wovon nur staubige Bücher erzählen. In
diesem einen Grabmal, das sein Reichtum und seine Kunstliebe kurz vor seinem
Verschwinden von der Erde errichtete, steht es deutlicher und herrlicher vor uns.
Es ist eine Art Vermächtnis, der letzte Gruß der Camponeschi an die Nachwelt.
Dem schrecklichen Erdbeben von 1703, das den größten Teil der Stadt
in Trümmer gelegt und damit zugleich eine Menge Kunstschätze vernichtet hat,
sind von den neunundneunzig ursprünglichen Kirchen doch eine ganze Reihe
entgangen, wenigstens ihre schaufelten. Wenn wir von dem völlig uninteressanter
Dom am Hauptplatz und der Frührenaissancekirche S. Maria del Soccorso mit
ihrer Fassade aus rotem und weißem Marmor, (ähnlich wie in Collemaggio)
absehen, ist das Äußere dieser Kirchen geradezu nach einem und demselben Schema
gebaut. Bei allen sind die Fassaden quadratisch. Das gibt natürlich keine
unserm Auge geläufigen Verhältnisse. Es ist eben eine Eigentümlichkeit eines
bestimmten Landes und eines bestimmten Zeitalters, die man als solche achten
und schätzen muß.
Der einzige Schmuck dieser glatten Hausteinwände ist durchgehends ein
romanisches Portal und über dem etwas über der Mitte durchlaufenden Sims
eine große Rosette. Also: das Edelste auf dem nüchternsten. Damit ist der
Charakter von S. Maria ti Pagcmica, Madonna ti Nojo, S. Agnese, S. Marco,
S. Chiara, S. Domenico, S. Marciano u. a. gekennzeichnet. Einige, z. B. Santa
Giusta und Sau Silvestro, trage» an der rechten Seite ein recht keck aufgesetztes
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