Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die russische Volksvertretung Rußlands stellen meines Erachtens nur eine Frage an die Technik, weil Ru߬ Zur Durchführung der Reformen braucht die Regierung Zeit, mehrere, Die bürgerliche Demokratie scheint die ihr zugedachte Aufgabe richtig ver- In den letzten Ausführungen bin ich, so fürchte ich, etwas theoretisch Die Bestimmungen sind inzwischen erschienen, ohne jedoch eine größere Klarheit in
das Wahlgesetz hineinzutragen Die russische Volksvertretung Rußlands stellen meines Erachtens nur eine Frage an die Technik, weil Ru߬ Zur Durchführung der Reformen braucht die Regierung Zeit, mehrere, Die bürgerliche Demokratie scheint die ihr zugedachte Aufgabe richtig ver- In den letzten Ausführungen bin ich, so fürchte ich, etwas theoretisch Die Bestimmungen sind inzwischen erschienen, ohne jedoch eine größere Klarheit in
das Wahlgesetz hineinzutragen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296429"/> <fw type="header" place="top"> Die russische Volksvertretung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2321" prev="#ID_2320"> Rußlands stellen meines Erachtens nur eine Frage an die Technik, weil Ru߬<lb/> lands Reichtümer durch eine verständige Lösung der drei genannten Kernfragen<lb/> gehoben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2322"> Zur Durchführung der Reformen braucht die Regierung Zeit, mehrere,<lb/> viele Jahre. Die Zeit wird gewonnen durch Einberufung einer für die Re¬<lb/> gierung mit zwei Drittel Mehrheit eintretenden Volksvertretung für die Dauer<lb/> von fünf Jahren. Daneben will sich die Regierung die Kenntnisse der Kreise<lb/> nutzbar machen, die schon seit Jahren über die Einzelreformen in den verschiednen<lb/> Gegenden des Reichs gearbeitet haben, ohne sich jedoch durch eine intelligente<lb/> selbständig arbeitende Parlamentsmehrheit in eine ihr unerwünscht scheinende<lb/> oder nicht im Interesse des Gesamtstaats liegende Richtung drängen lassen<lb/> zu müssen. Daher die Zulassung der bemittelten Intelligenz (Wohnungs¬<lb/> mieter) auf ausdrücklichen Wunsch Wildes als tatsächlich beratende Abgeordnete;<lb/> denn die Zusammensetzung der Duma garantiert der Regierung, daß einzig die<lb/> von ihr gebilligte» Entwürfe die Anunhme der Duma finden werden, nicht<lb/> aber die ihr undurchführbar scheinenden Wünsche der Intelligenten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2323"> Die bürgerliche Demokratie scheint die ihr zugedachte Aufgabe richtig ver-<lb/> standen zu haben und aufnehmen zu wollen. Denn sowohl die Sjemstwo-<lb/> und Städtevertreter wie auch zwei Drittel des Lojüs sojüsov haben sich ent¬<lb/> gegen ihrer frühern Absicht bereit erklärt, an den Wahlen teilzunehmen und<lb/> zu versuchen, in möglichst großer Zahl in die Duma einzudringen. Sie haben<lb/> auch schon ihre Kandidaten aufgestellt. Die Regierung hat mittlerweile Ge¬<lb/> legenheit gehabt, die Geistesrichtung der einzelnen führenden Persönlichkeiten<lb/> ans den verschiednen Gruppen der fortschrittlichen Gesellschaft kennen zu lernen.<lb/> Sie ist nun bemüht, nur die Männer wählen zu lassen, die sie braucht. Gerade<lb/> jetzt werden die Bestimmungen für die Prvvinzbehörden ausgearbeitet, die<lb/> maßgebend für die Durchführung der Wahlen sein sollen.*) Daß es hierbei<lb/> ohne Ungerechtigkeiten nicht abgehn kann, scheint nur selbstverständlich, aber<lb/> im Interesse des Staats liegt es, daß die Duma das von der Regierung an¬<lb/> gestrebte Gesicht bekommt. Die Demokraten werden in den fünf Jahren genug<lb/> Gelegenheit finden, zu zeigen, ob sie befähigt sind zu arbeiten, und die Re¬<lb/> gierung hat Zeit, zu zeigen, daß sie es mit ihren Reformen ernst meint.</p><lb/> <p xml:id="ID_2324" next="#ID_2325"> In den letzten Ausführungen bin ich, so fürchte ich, etwas theoretisch<lb/> geworden. Denn wer bietet uus eine Garantie dafür, daß die sich in Arbeit<lb/> befindenden Neformprojekte'Wildes, Goremykins und Schwanebachs wirklich<lb/> zur Durchführung gelangen? Wird nicht morgen ein Mann vom Schlage des<lb/> Fürsten Schtscherbatow das Vertrauen des Zaren haben? Wird nicht aus<lb/> dem heutigen Hüter der Ordnung, Trepow, morgen ein unumschränkter Diktator<lb/> werden, der, wie der starke Plehwe es getan hat, die Polizciroutine zum Selbst¬<lb/> zweck erhebt? Hierin liegt die große Schwäche des Gesetzes. Weder der Zar,<lb/> noch die Negierung ist gehalten, die heute als notwendig erkannten Reformen<lb/> auch wirklich durchzuführen. Noch eins. In der Duma werden alle Schichten<lb/> und Nuancen des Kapitalismus vom Großunternehmer Grafen Scheremetjew</p><lb/> <note xml:id="FID_26" place="foot"> Die Bestimmungen sind inzwischen erschienen, ohne jedoch eine größere Klarheit in<lb/> das Wahlgesetz hineinzutragen</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0418]
Die russische Volksvertretung
Rußlands stellen meines Erachtens nur eine Frage an die Technik, weil Ru߬
lands Reichtümer durch eine verständige Lösung der drei genannten Kernfragen
gehoben werden.
Zur Durchführung der Reformen braucht die Regierung Zeit, mehrere,
viele Jahre. Die Zeit wird gewonnen durch Einberufung einer für die Re¬
gierung mit zwei Drittel Mehrheit eintretenden Volksvertretung für die Dauer
von fünf Jahren. Daneben will sich die Regierung die Kenntnisse der Kreise
nutzbar machen, die schon seit Jahren über die Einzelreformen in den verschiednen
Gegenden des Reichs gearbeitet haben, ohne sich jedoch durch eine intelligente
selbständig arbeitende Parlamentsmehrheit in eine ihr unerwünscht scheinende
oder nicht im Interesse des Gesamtstaats liegende Richtung drängen lassen
zu müssen. Daher die Zulassung der bemittelten Intelligenz (Wohnungs¬
mieter) auf ausdrücklichen Wunsch Wildes als tatsächlich beratende Abgeordnete;
denn die Zusammensetzung der Duma garantiert der Regierung, daß einzig die
von ihr gebilligte» Entwürfe die Anunhme der Duma finden werden, nicht
aber die ihr undurchführbar scheinenden Wünsche der Intelligenten.
Die bürgerliche Demokratie scheint die ihr zugedachte Aufgabe richtig ver-
standen zu haben und aufnehmen zu wollen. Denn sowohl die Sjemstwo-
und Städtevertreter wie auch zwei Drittel des Lojüs sojüsov haben sich ent¬
gegen ihrer frühern Absicht bereit erklärt, an den Wahlen teilzunehmen und
zu versuchen, in möglichst großer Zahl in die Duma einzudringen. Sie haben
auch schon ihre Kandidaten aufgestellt. Die Regierung hat mittlerweile Ge¬
legenheit gehabt, die Geistesrichtung der einzelnen führenden Persönlichkeiten
ans den verschiednen Gruppen der fortschrittlichen Gesellschaft kennen zu lernen.
Sie ist nun bemüht, nur die Männer wählen zu lassen, die sie braucht. Gerade
jetzt werden die Bestimmungen für die Prvvinzbehörden ausgearbeitet, die
maßgebend für die Durchführung der Wahlen sein sollen.*) Daß es hierbei
ohne Ungerechtigkeiten nicht abgehn kann, scheint nur selbstverständlich, aber
im Interesse des Staats liegt es, daß die Duma das von der Regierung an¬
gestrebte Gesicht bekommt. Die Demokraten werden in den fünf Jahren genug
Gelegenheit finden, zu zeigen, ob sie befähigt sind zu arbeiten, und die Re¬
gierung hat Zeit, zu zeigen, daß sie es mit ihren Reformen ernst meint.
In den letzten Ausführungen bin ich, so fürchte ich, etwas theoretisch
geworden. Denn wer bietet uus eine Garantie dafür, daß die sich in Arbeit
befindenden Neformprojekte'Wildes, Goremykins und Schwanebachs wirklich
zur Durchführung gelangen? Wird nicht morgen ein Mann vom Schlage des
Fürsten Schtscherbatow das Vertrauen des Zaren haben? Wird nicht aus
dem heutigen Hüter der Ordnung, Trepow, morgen ein unumschränkter Diktator
werden, der, wie der starke Plehwe es getan hat, die Polizciroutine zum Selbst¬
zweck erhebt? Hierin liegt die große Schwäche des Gesetzes. Weder der Zar,
noch die Negierung ist gehalten, die heute als notwendig erkannten Reformen
auch wirklich durchzuführen. Noch eins. In der Duma werden alle Schichten
und Nuancen des Kapitalismus vom Großunternehmer Grafen Scheremetjew
Die Bestimmungen sind inzwischen erschienen, ohne jedoch eine größere Klarheit in
das Wahlgesetz hineinzutragen
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