Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche Wettbewerb soll der Panamakanal fertig sein. Das ist für diese Verhältnisse eine knappe Auch im Handel wird sich die Eröffnung des Panamakanals als ein Daraus ergibt sich nun mit unabweisbarer Gewißheit, daß die europäische Die neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche Wettbewerb soll der Panamakanal fertig sein. Das ist für diese Verhältnisse eine knappe Auch im Handel wird sich die Eröffnung des Panamakanals als ein Daraus ergibt sich nun mit unabweisbarer Gewißheit, daß die europäische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296421"/> <fw type="header" place="top"> Die neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche Wettbewerb</fw><lb/> <p xml:id="ID_2294" prev="#ID_2293"> soll der Panamakanal fertig sein. Das ist für diese Verhältnisse eine knappe<lb/> Frist. Dann erscheint in den pazifischen Gewässern neben den beiden bisherigen<lb/> Schwerpunkten, dem englischen und dem japanischen, ein dritter, der amerikanische.<lb/> Wie das politische Jongleurspiel verlaufen wird, kann man noch gar nicht ab¬<lb/> sehen. Es dürfte aber hcinfig vorkommen, daß zwei zusammentreten, um den<lb/> dritten in Zaum zu halten. Sind England und Japan gegen Amerika ver¬<lb/> bündet, so kann die englische Flotte leicht den Panamakanal sperren und da¬<lb/> durch Japan in Sicherheit versetzen. Aber dann können sich die Vereinigten<lb/> Staaten an Kanada schadlos halten, einem Lande, wo sie schon jetzt zahllose<lb/> Verbündete und Landsleute haben, und wo sie durch eine feindliche Zollpolitik<lb/> leicht noch viel mehr Annexionslust entfalten können. Dem Angriff der Ver¬<lb/> einigten Staaten auf Kanada direkt zu begegnen, ist England ganz unmöglich,<lb/> es ist ihm nur freigestellt, seinen Gegner durch Wegnahme der Philippinen zu<lb/> verwunden. Ein solcher Streit aber könnte natürlich für England nur wenig<lb/> verlockend sein; es wird sich vielmehr bemühen, zwischen Japan und den<lb/> Amerikanern immer den Mittler zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2295"> Auch im Handel wird sich die Eröffnung des Panamakanals als ein<lb/> starker Trumpf für die Amerikaner erweisen. In Europa steht man eisig kühl<lb/> zu der neuen Wasserstraße. Denn uns bringt sie nennenswerte Wegabkürzungen<lb/> nur nach der Westküste Amerikas, die aber wegen der langen von Norden nach<lb/> Süden gehenden Gebirgskette nur ein schmales Kulturland hat. Alle großen<lb/> amerikanischen Ströme gehn in den Atlantischen, nicht in den Stillen Ozean.<lb/> Die Hauptausfuhrartikel Westamerikas sind Salpeter aus Chile und Weizen<lb/> aus Kalifornien und Oregon. Salpeter ist von geringem Werte, der Umweg<lb/> um das Kap Horn ist nicht so groß, daß der Salpeterhandel die zweifellos<lb/> hohen Kanalkosten tragen könnte. Für die Ausfuhr spielt die amerikanische<lb/> Westküste eine ansehnliche, aber doch keineswegs überwältigende Rolle. Deutsch¬<lb/> land exportierte 1904 nach Chile, Peru und Ecuador nur für 60,7 Millionen<lb/> Mark, wovon 44,7 Millionen Mark allein auf Chile fallen, dessen Handel<lb/> wohl wesentlich bei dem alten billigen Weg um das Kap Horn bleiben wird.<lb/> Also für Europa macht die Wegabkürzung nach der Westküste Amerikas nicht<lb/> viel aus. Was jedoch Ostasien und Australien anlangt, so bringt der<lb/> Panamakanal für Europa überhaupt gar keine Wegersparnis. Ganz anders<lb/> steht die Sache für die Häfen der Ostküste der Vereinigten Staaten. So lange<lb/> diese auf den Weg um das Kap Horn angewiesen waren, hatten sie keinen<lb/> bedeutenden Vorsprung vor Liverpool, Antwerpen, Bremen, Hamburg. Mit<lb/> Eröffnung des Panamakanals reduziert sich für sie die Entfernung nach<lb/> Valparaiso, Guyaauil, S. Francisco viel mehr als für die europäischen Häfen.<lb/> Und vollends gewinnen sie im Handel mit Japan, Nordchina und Neuseeland.<lb/> Dorthin hatten sie jetzt einen absolut weitern Weg als die Schiffe aus Europa,<lb/> während sie fortan einen absolut nähern Weg haben als diese. Am meisten<lb/> macht sich das im Verkehr mit Japan geltend.</p><lb/> <p xml:id="ID_2296" next="#ID_2297"> Daraus ergibt sich nun mit unabweisbarer Gewißheit, daß die europäische<lb/> Handelskonkurrenz in Ostasien fortan nicht nur einer verstärkten Eigenproduktion<lb/> Japans und Chinas begegnen wird, sondern auch einem erleichterten Welt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0410]
Die neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche Wettbewerb
soll der Panamakanal fertig sein. Das ist für diese Verhältnisse eine knappe
Frist. Dann erscheint in den pazifischen Gewässern neben den beiden bisherigen
Schwerpunkten, dem englischen und dem japanischen, ein dritter, der amerikanische.
Wie das politische Jongleurspiel verlaufen wird, kann man noch gar nicht ab¬
sehen. Es dürfte aber hcinfig vorkommen, daß zwei zusammentreten, um den
dritten in Zaum zu halten. Sind England und Japan gegen Amerika ver¬
bündet, so kann die englische Flotte leicht den Panamakanal sperren und da¬
durch Japan in Sicherheit versetzen. Aber dann können sich die Vereinigten
Staaten an Kanada schadlos halten, einem Lande, wo sie schon jetzt zahllose
Verbündete und Landsleute haben, und wo sie durch eine feindliche Zollpolitik
leicht noch viel mehr Annexionslust entfalten können. Dem Angriff der Ver¬
einigten Staaten auf Kanada direkt zu begegnen, ist England ganz unmöglich,
es ist ihm nur freigestellt, seinen Gegner durch Wegnahme der Philippinen zu
verwunden. Ein solcher Streit aber könnte natürlich für England nur wenig
verlockend sein; es wird sich vielmehr bemühen, zwischen Japan und den
Amerikanern immer den Mittler zu machen.
Auch im Handel wird sich die Eröffnung des Panamakanals als ein
starker Trumpf für die Amerikaner erweisen. In Europa steht man eisig kühl
zu der neuen Wasserstraße. Denn uns bringt sie nennenswerte Wegabkürzungen
nur nach der Westküste Amerikas, die aber wegen der langen von Norden nach
Süden gehenden Gebirgskette nur ein schmales Kulturland hat. Alle großen
amerikanischen Ströme gehn in den Atlantischen, nicht in den Stillen Ozean.
Die Hauptausfuhrartikel Westamerikas sind Salpeter aus Chile und Weizen
aus Kalifornien und Oregon. Salpeter ist von geringem Werte, der Umweg
um das Kap Horn ist nicht so groß, daß der Salpeterhandel die zweifellos
hohen Kanalkosten tragen könnte. Für die Ausfuhr spielt die amerikanische
Westküste eine ansehnliche, aber doch keineswegs überwältigende Rolle. Deutsch¬
land exportierte 1904 nach Chile, Peru und Ecuador nur für 60,7 Millionen
Mark, wovon 44,7 Millionen Mark allein auf Chile fallen, dessen Handel
wohl wesentlich bei dem alten billigen Weg um das Kap Horn bleiben wird.
Also für Europa macht die Wegabkürzung nach der Westküste Amerikas nicht
viel aus. Was jedoch Ostasien und Australien anlangt, so bringt der
Panamakanal für Europa überhaupt gar keine Wegersparnis. Ganz anders
steht die Sache für die Häfen der Ostküste der Vereinigten Staaten. So lange
diese auf den Weg um das Kap Horn angewiesen waren, hatten sie keinen
bedeutenden Vorsprung vor Liverpool, Antwerpen, Bremen, Hamburg. Mit
Eröffnung des Panamakanals reduziert sich für sie die Entfernung nach
Valparaiso, Guyaauil, S. Francisco viel mehr als für die europäischen Häfen.
Und vollends gewinnen sie im Handel mit Japan, Nordchina und Neuseeland.
Dorthin hatten sie jetzt einen absolut weitern Weg als die Schiffe aus Europa,
während sie fortan einen absolut nähern Weg haben als diese. Am meisten
macht sich das im Verkehr mit Japan geltend.
Daraus ergibt sich nun mit unabweisbarer Gewißheit, daß die europäische
Handelskonkurrenz in Ostasien fortan nicht nur einer verstärkten Eigenproduktion
Japans und Chinas begegnen wird, sondern auch einem erleichterten Welt-
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