Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Vie neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche Wettbewerb 44,7 Millionen Mark. Sie ist also in dem einen Jahre um 18 Prozent ge¬ Mit einer Verschärfung des japanischen Wettbewerbs muß man auch in Während das britische Reich als solches in den denkbar besten Beziehungen Vie neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche Wettbewerb 44,7 Millionen Mark. Sie ist also in dem einen Jahre um 18 Prozent ge¬ Mit einer Verschärfung des japanischen Wettbewerbs muß man auch in Während das britische Reich als solches in den denkbar besten Beziehungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0408" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296419"/> <fw type="header" place="top"> Vie neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche Wettbewerb</fw><lb/> <p xml:id="ID_2288" prev="#ID_2287"> 44,7 Millionen Mark. Sie ist also in dem einen Jahre um 18 Prozent ge¬<lb/> stiegen. Noch mehr stieg die Ausfuhr Englands nach Japan. Es tritt in der<lb/> letzten Zeit deutlich hervor, daß die Japaner das ihnen politisch verbundne<lb/> England auch im Handel bevorzugen. Hat doch der englische Geldmarkt<lb/> nahezu die sämtlichen japanischen Anleihen aufgenommen, während sich Deutsch¬<lb/> land nur zögernd und erst zuletzt daran beteiligte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2289"> Mit einer Verschärfung des japanischen Wettbewerbs muß man auch in<lb/> andern Gebieten rechnen. In Hinterindien wird man ihm sicher weit mehr<lb/> begegnen als zuvor. Sodann namentlich im holländischen Sundareich, einem<lb/> auch politisch sehr schwachen Gebilde, das mit der neuen ostasiatischen Gro߬<lb/> macht ernstlich zu rechnen hat. Holland hat deshalb den Abschluß des neuen<lb/> englisch-japanischen Bündnisvertrags warn: begrüßt, weil durch ihn etwaigen<lb/> japanischen ELpansionsgelüsten Zügel angelegt sind. Ja man darf weiter die<lb/> Frage aufwerfen, ob den Engländern in Ostindien die Japaner immer will-<lb/> kommne Gäste sein werden. Wirtschaftlich haben sie wohl weniger zu bedeute»,<lb/> denn Indien mit seinen 295 Millionen Einwohnern ist ein Feld, aus dem<lb/> sogar das englische Riesenkapital genug Beschäftigung findet, wo also die ver¬<lb/> gleichsweise beschränkten Mittel der Japaner wenig ausrichten können. Aber<lb/> politisch hat die Sicherheit, die England gegen Rußland gewonnen hat, eine<lb/> unerfreuliche Kehrseite, die auch vorurteilsfreien Mitgliedern der englischen<lb/> Opposition nicht entgangen ist. Gesetzt, die indische Nordgrenze oder das<lb/> englische Interesse an Afghanistan und an Persien bedürfte der im Vertrage<lb/> vorgesehenen japanischen Hilfe. Dann würden japanische Divisionen auf<lb/> englischen Eildampfern herankommen, in Kalkutta und in Karatschi gelandet<lb/> und auf den Eisenbahnen an die bedrohten Punkte geschafft werden. So weit<lb/> gut. Die Frage ist nur, ob sie wieder fortgehn würden. Vielleicht machten<lb/> sie es wie die von Jerusalem heimkehrenden Normannen, die in Sorrent von<lb/> den Langobarden zum Beistande gegen die Sarazenen angerufen wurden, die<lb/> auch die Sarazenen überwanden, aber nun selber in Süditalien ein Reich<lb/> gründeten. Ob die Engländer dem gewachsen wären, ist nicht so ganz sicher.<lb/> Die Japaner würden wohl nicht ohne Erfolg die mit der englischen Herrschaft<lb/> unzufriedne indische Bevölkerung aufrufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2290" next="#ID_2291"> Während das britische Reich als solches in den denkbar besten Beziehungen<lb/> zu Japan steht, verhält sich Australien anders. Der australische Bund ist<lb/> nahezu eine selbständige Republik, die mit dem Mutterlande nur noch in losem<lb/> Zusammenhange steht. Wie allen Europäerkolonien läßt England auch ihm<lb/> in der innern Verwaltung vollständig freie Hand. Die sozialdemokratische<lb/> Partei ist dort sehr stark; sie hat schon mehrmals das Ministerium gebildet,<lb/> was freilich nicht gehindert hat, daß bei dem Eisenbahnerausstande nicht ge¬<lb/> fackelt worden ist, und daß die ungebärdigen Leute einfach unterworfen worden<lb/> sind. Neuseeland, das nicht zum australischen Commonwealth gehört, ist noch<lb/> viel sozialdemokratischer. Eine scharfe Abwehrpolitik entfaltet man gegen das<lb/> Eindringen fremder Arbeitskräfte, von denen ein Lohndruck zu befürchten wäre.<lb/> Das geht auch gegen Weiße, noch viel mehr aber gegen Farbige. Chinesen<lb/> zu landen ist bei schwerer Strafe verboten. Mancher harmlose Kapitän hat</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0408]
Vie neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche Wettbewerb
44,7 Millionen Mark. Sie ist also in dem einen Jahre um 18 Prozent ge¬
stiegen. Noch mehr stieg die Ausfuhr Englands nach Japan. Es tritt in der
letzten Zeit deutlich hervor, daß die Japaner das ihnen politisch verbundne
England auch im Handel bevorzugen. Hat doch der englische Geldmarkt
nahezu die sämtlichen japanischen Anleihen aufgenommen, während sich Deutsch¬
land nur zögernd und erst zuletzt daran beteiligte.
Mit einer Verschärfung des japanischen Wettbewerbs muß man auch in
andern Gebieten rechnen. In Hinterindien wird man ihm sicher weit mehr
begegnen als zuvor. Sodann namentlich im holländischen Sundareich, einem
auch politisch sehr schwachen Gebilde, das mit der neuen ostasiatischen Gro߬
macht ernstlich zu rechnen hat. Holland hat deshalb den Abschluß des neuen
englisch-japanischen Bündnisvertrags warn: begrüßt, weil durch ihn etwaigen
japanischen ELpansionsgelüsten Zügel angelegt sind. Ja man darf weiter die
Frage aufwerfen, ob den Engländern in Ostindien die Japaner immer will-
kommne Gäste sein werden. Wirtschaftlich haben sie wohl weniger zu bedeute»,
denn Indien mit seinen 295 Millionen Einwohnern ist ein Feld, aus dem
sogar das englische Riesenkapital genug Beschäftigung findet, wo also die ver¬
gleichsweise beschränkten Mittel der Japaner wenig ausrichten können. Aber
politisch hat die Sicherheit, die England gegen Rußland gewonnen hat, eine
unerfreuliche Kehrseite, die auch vorurteilsfreien Mitgliedern der englischen
Opposition nicht entgangen ist. Gesetzt, die indische Nordgrenze oder das
englische Interesse an Afghanistan und an Persien bedürfte der im Vertrage
vorgesehenen japanischen Hilfe. Dann würden japanische Divisionen auf
englischen Eildampfern herankommen, in Kalkutta und in Karatschi gelandet
und auf den Eisenbahnen an die bedrohten Punkte geschafft werden. So weit
gut. Die Frage ist nur, ob sie wieder fortgehn würden. Vielleicht machten
sie es wie die von Jerusalem heimkehrenden Normannen, die in Sorrent von
den Langobarden zum Beistande gegen die Sarazenen angerufen wurden, die
auch die Sarazenen überwanden, aber nun selber in Süditalien ein Reich
gründeten. Ob die Engländer dem gewachsen wären, ist nicht so ganz sicher.
Die Japaner würden wohl nicht ohne Erfolg die mit der englischen Herrschaft
unzufriedne indische Bevölkerung aufrufen.
Während das britische Reich als solches in den denkbar besten Beziehungen
zu Japan steht, verhält sich Australien anders. Der australische Bund ist
nahezu eine selbständige Republik, die mit dem Mutterlande nur noch in losem
Zusammenhange steht. Wie allen Europäerkolonien läßt England auch ihm
in der innern Verwaltung vollständig freie Hand. Die sozialdemokratische
Partei ist dort sehr stark; sie hat schon mehrmals das Ministerium gebildet,
was freilich nicht gehindert hat, daß bei dem Eisenbahnerausstande nicht ge¬
fackelt worden ist, und daß die ungebärdigen Leute einfach unterworfen worden
sind. Neuseeland, das nicht zum australischen Commonwealth gehört, ist noch
viel sozialdemokratischer. Eine scharfe Abwehrpolitik entfaltet man gegen das
Eindringen fremder Arbeitskräfte, von denen ein Lohndruck zu befürchten wäre.
Das geht auch gegen Weiße, noch viel mehr aber gegen Farbige. Chinesen
zu landen ist bei schwerer Strafe verboten. Mancher harmlose Kapitän hat
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