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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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gefluster und drohendes Murmeln zu erkennen. Zum Überfluß jagten sich mich
noch ein pacir Waldohreulen durch die Wipfel, schwebten mit geisterhaft geräusch¬
losem Fluge über meinem Hanpte und verschwanden mit lautem, lauguachhnllendem
Schrei, der beinahe wie Hundegebell klang, in den tiefsten Gründen des Forstes.
Wenn sie etwa die Absicht gehabt hatten, mich mit Furcht und Grauen zu erfüllen,
so darf ich bekennen, daß ihnen dies gründlich mißlang. Im Gegenteil: sie riefen
eine Reihe angenehmer Erinnerungen in mir wach, Erinnerungen an ein mir lieb
gewordnes Mitglied ihrer Familie, den alten kampflustigen Uhu, der mir als treuer
Weidgenoß vor' meiner Krähenhütte auf dem Glasteuer Revier so manchen schönen
Frühlings- und Herbsttag verkürzt hatte. Ach, wenn ich doch in der gemütlichen
Krähenhütte säße, so dachte ich. als es jetzt von den Zweigen zu tropfen begann,
da würde ich mirs auf der Strohschütte bequem machen und morgen mit dem
Frühzug in die Stadt fahren! Und ich mußte eines in der Hütte verbrachten
Abends gedenken, wo nach einem schweren Unwetter der Mond mit doppelt Hellem
Schein hinter dem Forste heraufgestiegen war. Als ich damals zu später Stunde
"us der Hütte trat, sah ich sechzig Gänge vor mir den kapitalen Kronhirsch in den
Kartoffeln stehn und so ruhig zu mir herüberäugen, als habe er gewußt, daß ich
nur die Doppelflinte bei mir führe. Der Kronhirsch! Bei der Erinnerung an ihn
begannen nieine Pulse wieder zu klopfen wie damals, und ein Gefühl der Weihe
überkam mich, nicht minder wunderbar und erhebend wie in jener Nachtstunde, wo
mich der König des Forstes seines Anblicks gewürdigt hatte.




Plötzlich war es mir, als hätte ich den Schlag einer fernen Turmuhr ver¬
nommen. Die Viertelstunde, die ich zu rasten gedacht hatte, mußte längst verstrichen
sein. Ich raffte mich, so schwer es mir auch wurde, auf, belud mich mit meinem
Gepäck und suchte die Landstraße so schnell wie möglich wieder zu erreichen. Aber
seltsam! Ich war doch nicht weit von der Straße abgewichen, und um konnte ich
sie nicht wiederfinden. Ich war von rechts her gekommen und mußte also wieder
w der Richtung nach rechts, aber je weiter ich ging oder vielmehr in meiner Auf¬
regung vorwärts stolperte, desto fremder erschien mir meine Umgebung. Der Regen
hatte nachgelassen, aber bei jedem Schritt wurde ich mit schweren Wassertropfen
überschüttet, die von den triefenden Zweigen niederrieselten. Der Wald wurde
dichter und'dichter, es schien, als wollten mir die Stämme den Weg versperren.
Kein Zweifel: hier war ich noch nicht gewesen, also umkehren und in der entgegen¬
gesetzten Richtung weitergehn! Gedacht, getan. Aber gerade als ich auf eine schmale
Lichtung zueilen wollte, die ganz in der Ferne sichtbar wurde, strauchelte ich über
eine Wurzel und kam zu Fall. Ich erhob mich und griff nach dem Mantel, der
wir von den Schultern gefallen war; als ich aber meinen Weg fortsetzen wollte,
Merkte ich, daß ich die Richtung verloren hatte, und daß sich vor mir und hinter
je eine Lichtung auftat. Vergebens versuchte ich, einen Schimmer des Mondes
^ erspähen; das trügerische Gestirn hatte sich so völlig hinter den Wolken ver¬
borgen, daß der Himmel überall gleich finster war. Die Zeit drängte, ich mußte
"us dem Walde heraus und wenn nicht die Landstraße, so doch das freie Feld zu
erreichen suchen. Vielleicht daß mir draußen irgendein fernes Licht oder der helle
schein, der Nachts über den erleuchteten Städten zu ruhen pflegt, einen Aufschlug
"ber meine verzweifelte Lage geben würde. Also vorwärts, ganz gleich, in welcher
Züchtung! Irgendwo mußte der Wald ja ein Ende nehmen.

, Am ganzen Körper triefend, zitternd vor Müdigkeit und Erregung, rannte
'es Weiter. Plötzlich wurde es vor mir lichter, die hohen Kiefern wichen zurück u,,d
machten niedrigem Buschholz Platz, zwischen dem sich eine feuchte Wiese ausdehnte.
Meinen Füßen tat die kühle Nässe wohl; ich achtete nicht darauf, daß ich be, jedem
Schritte tiefer einsank, und daß das Wasser unter meinen Sohlen gurgelte und
gluckste, bis es endlich von oben in die Schäfte meiner Stiefel lief. Das war der


gefluster und drohendes Murmeln zu erkennen. Zum Überfluß jagten sich mich
noch ein pacir Waldohreulen durch die Wipfel, schwebten mit geisterhaft geräusch¬
losem Fluge über meinem Hanpte und verschwanden mit lautem, lauguachhnllendem
Schrei, der beinahe wie Hundegebell klang, in den tiefsten Gründen des Forstes.
Wenn sie etwa die Absicht gehabt hatten, mich mit Furcht und Grauen zu erfüllen,
so darf ich bekennen, daß ihnen dies gründlich mißlang. Im Gegenteil: sie riefen
eine Reihe angenehmer Erinnerungen in mir wach, Erinnerungen an ein mir lieb
gewordnes Mitglied ihrer Familie, den alten kampflustigen Uhu, der mir als treuer
Weidgenoß vor' meiner Krähenhütte auf dem Glasteuer Revier so manchen schönen
Frühlings- und Herbsttag verkürzt hatte. Ach, wenn ich doch in der gemütlichen
Krähenhütte säße, so dachte ich. als es jetzt von den Zweigen zu tropfen begann,
da würde ich mirs auf der Strohschütte bequem machen und morgen mit dem
Frühzug in die Stadt fahren! Und ich mußte eines in der Hütte verbrachten
Abends gedenken, wo nach einem schweren Unwetter der Mond mit doppelt Hellem
Schein hinter dem Forste heraufgestiegen war. Als ich damals zu später Stunde
"us der Hütte trat, sah ich sechzig Gänge vor mir den kapitalen Kronhirsch in den
Kartoffeln stehn und so ruhig zu mir herüberäugen, als habe er gewußt, daß ich
nur die Doppelflinte bei mir führe. Der Kronhirsch! Bei der Erinnerung an ihn
begannen nieine Pulse wieder zu klopfen wie damals, und ein Gefühl der Weihe
überkam mich, nicht minder wunderbar und erhebend wie in jener Nachtstunde, wo
mich der König des Forstes seines Anblicks gewürdigt hatte.




Plötzlich war es mir, als hätte ich den Schlag einer fernen Turmuhr ver¬
nommen. Die Viertelstunde, die ich zu rasten gedacht hatte, mußte längst verstrichen
sein. Ich raffte mich, so schwer es mir auch wurde, auf, belud mich mit meinem
Gepäck und suchte die Landstraße so schnell wie möglich wieder zu erreichen. Aber
seltsam! Ich war doch nicht weit von der Straße abgewichen, und um konnte ich
sie nicht wiederfinden. Ich war von rechts her gekommen und mußte also wieder
w der Richtung nach rechts, aber je weiter ich ging oder vielmehr in meiner Auf¬
regung vorwärts stolperte, desto fremder erschien mir meine Umgebung. Der Regen
hatte nachgelassen, aber bei jedem Schritt wurde ich mit schweren Wassertropfen
überschüttet, die von den triefenden Zweigen niederrieselten. Der Wald wurde
dichter und'dichter, es schien, als wollten mir die Stämme den Weg versperren.
Kein Zweifel: hier war ich noch nicht gewesen, also umkehren und in der entgegen¬
gesetzten Richtung weitergehn! Gedacht, getan. Aber gerade als ich auf eine schmale
Lichtung zueilen wollte, die ganz in der Ferne sichtbar wurde, strauchelte ich über
eine Wurzel und kam zu Fall. Ich erhob mich und griff nach dem Mantel, der
wir von den Schultern gefallen war; als ich aber meinen Weg fortsetzen wollte,
Merkte ich, daß ich die Richtung verloren hatte, und daß sich vor mir und hinter
je eine Lichtung auftat. Vergebens versuchte ich, einen Schimmer des Mondes
^ erspähen; das trügerische Gestirn hatte sich so völlig hinter den Wolken ver¬
borgen, daß der Himmel überall gleich finster war. Die Zeit drängte, ich mußte
»us dem Walde heraus und wenn nicht die Landstraße, so doch das freie Feld zu
erreichen suchen. Vielleicht daß mir draußen irgendein fernes Licht oder der helle
schein, der Nachts über den erleuchteten Städten zu ruhen pflegt, einen Aufschlug
"ber meine verzweifelte Lage geben würde. Also vorwärts, ganz gleich, in welcher
Züchtung! Irgendwo mußte der Wald ja ein Ende nehmen.

, Am ganzen Körper triefend, zitternd vor Müdigkeit und Erregung, rannte
'es Weiter. Plötzlich wurde es vor mir lichter, die hohen Kiefern wichen zurück u,,d
machten niedrigem Buschholz Platz, zwischen dem sich eine feuchte Wiese ausdehnte.
Meinen Füßen tat die kühle Nässe wohl; ich achtete nicht darauf, daß ich be, jedem
Schritte tiefer einsank, und daß das Wasser unter meinen Sohlen gurgelte und
gluckste, bis es endlich von oben in die Schäfte meiner Stiefel lief. Das war der


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[0393] gefluster und drohendes Murmeln zu erkennen. Zum Überfluß jagten sich mich noch ein pacir Waldohreulen durch die Wipfel, schwebten mit geisterhaft geräusch¬ losem Fluge über meinem Hanpte und verschwanden mit lautem, lauguachhnllendem Schrei, der beinahe wie Hundegebell klang, in den tiefsten Gründen des Forstes. Wenn sie etwa die Absicht gehabt hatten, mich mit Furcht und Grauen zu erfüllen, so darf ich bekennen, daß ihnen dies gründlich mißlang. Im Gegenteil: sie riefen eine Reihe angenehmer Erinnerungen in mir wach, Erinnerungen an ein mir lieb gewordnes Mitglied ihrer Familie, den alten kampflustigen Uhu, der mir als treuer Weidgenoß vor' meiner Krähenhütte auf dem Glasteuer Revier so manchen schönen Frühlings- und Herbsttag verkürzt hatte. Ach, wenn ich doch in der gemütlichen Krähenhütte säße, so dachte ich. als es jetzt von den Zweigen zu tropfen begann, da würde ich mirs auf der Strohschütte bequem machen und morgen mit dem Frühzug in die Stadt fahren! Und ich mußte eines in der Hütte verbrachten Abends gedenken, wo nach einem schweren Unwetter der Mond mit doppelt Hellem Schein hinter dem Forste heraufgestiegen war. Als ich damals zu später Stunde "us der Hütte trat, sah ich sechzig Gänge vor mir den kapitalen Kronhirsch in den Kartoffeln stehn und so ruhig zu mir herüberäugen, als habe er gewußt, daß ich nur die Doppelflinte bei mir führe. Der Kronhirsch! Bei der Erinnerung an ihn begannen nieine Pulse wieder zu klopfen wie damals, und ein Gefühl der Weihe überkam mich, nicht minder wunderbar und erhebend wie in jener Nachtstunde, wo mich der König des Forstes seines Anblicks gewürdigt hatte. Plötzlich war es mir, als hätte ich den Schlag einer fernen Turmuhr ver¬ nommen. Die Viertelstunde, die ich zu rasten gedacht hatte, mußte längst verstrichen sein. Ich raffte mich, so schwer es mir auch wurde, auf, belud mich mit meinem Gepäck und suchte die Landstraße so schnell wie möglich wieder zu erreichen. Aber seltsam! Ich war doch nicht weit von der Straße abgewichen, und um konnte ich sie nicht wiederfinden. Ich war von rechts her gekommen und mußte also wieder w der Richtung nach rechts, aber je weiter ich ging oder vielmehr in meiner Auf¬ regung vorwärts stolperte, desto fremder erschien mir meine Umgebung. Der Regen hatte nachgelassen, aber bei jedem Schritt wurde ich mit schweren Wassertropfen überschüttet, die von den triefenden Zweigen niederrieselten. Der Wald wurde dichter und'dichter, es schien, als wollten mir die Stämme den Weg versperren. Kein Zweifel: hier war ich noch nicht gewesen, also umkehren und in der entgegen¬ gesetzten Richtung weitergehn! Gedacht, getan. Aber gerade als ich auf eine schmale Lichtung zueilen wollte, die ganz in der Ferne sichtbar wurde, strauchelte ich über eine Wurzel und kam zu Fall. Ich erhob mich und griff nach dem Mantel, der wir von den Schultern gefallen war; als ich aber meinen Weg fortsetzen wollte, Merkte ich, daß ich die Richtung verloren hatte, und daß sich vor mir und hinter je eine Lichtung auftat. Vergebens versuchte ich, einen Schimmer des Mondes ^ erspähen; das trügerische Gestirn hatte sich so völlig hinter den Wolken ver¬ borgen, daß der Himmel überall gleich finster war. Die Zeit drängte, ich mußte »us dem Walde heraus und wenn nicht die Landstraße, so doch das freie Feld zu erreichen suchen. Vielleicht daß mir draußen irgendein fernes Licht oder der helle schein, der Nachts über den erleuchteten Städten zu ruhen pflegt, einen Aufschlug "ber meine verzweifelte Lage geben würde. Also vorwärts, ganz gleich, in welcher Züchtung! Irgendwo mußte der Wald ja ein Ende nehmen. , Am ganzen Körper triefend, zitternd vor Müdigkeit und Erregung, rannte 'es Weiter. Plötzlich wurde es vor mir lichter, die hohen Kiefern wichen zurück u,,d machten niedrigem Buschholz Platz, zwischen dem sich eine feuchte Wiese ausdehnte. Meinen Füßen tat die kühle Nässe wohl; ich achtete nicht darauf, daß ich be, jedem Schritte tiefer einsank, und daß das Wasser unter meinen Sohlen gurgelte und gluckste, bis es endlich von oben in die Schäfte meiner Stiefel lief. Das war der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/393>, abgerufen am 15.01.2025.