Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten die Ilm gestorben war, zur Vollendung ihrer Erziehung in Begleitung zweier Von ihren Ratgebern, darunter namentlich auch von der Universität Jena Die Negierung führte inzwischen für die ältern Brüder der neunzehnjährige In den erhaltnen Briefen erkundigen sie sich namentlich nach den Kom¬ Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten die Ilm gestorben war, zur Vollendung ihrer Erziehung in Begleitung zweier Von ihren Ratgebern, darunter namentlich auch von der Universität Jena Die Negierung führte inzwischen für die ältern Brüder der neunzehnjährige In den erhaltnen Briefen erkundigen sie sich namentlich nach den Kom¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296216"/> <fw type="header" place="top"> Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1170" prev="#ID_1169"> die Ilm gestorben war, zur Vollendung ihrer Erziehung in Begleitung zweier<lb/> Hofmeister und eines kleinen Gefolges Anfang Mai 1619 eine zweijährige Reise<lb/> durch die Schweiz, dnrch Oberitalien und Südfrankreich nach Paris. Denn<lb/> schon damals begann sich die später den deutschen Territorien so verhängnisvoll<lb/> werdende Meinung zu verbreiten, daß man sich nur an dem französischen Hofe<lb/> die zu einem fürstlichen Auftreten und zu fürstlicher Lebensführung nötigen<lb/> Anschauungen, Kenntnisse und Formen aneignen könne. In Montpellier er¬<lb/> krankte Johann Friedrich an den Blattern. Die Ansteckung scheint durch einen<lb/> Brief Bernhards, seines von ihm später am meisten gehaßten Bruders, herbei¬<lb/> geführt worden zu sein, worin ihm dieser die Nachricht der Genesung von jener<lb/> Krankheit mitteilte. Der Rückweg führte die Prinzen durch die Niederlande. Am<lb/> 18. Juni 1621 kehrten sie nach Weimar zurück. Dort fanden sie alles nnter dem<lb/> Zeichen des gewaltigen Krieges, dessen erster Akt sich schon dem Ende näherte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1171"> Von ihren Ratgebern, darunter namentlich auch von der Universität Jena<lb/> angefeuert und bestärkt, hatten ihre ältern Brüder, die Herzöge Johann Ernst,<lb/> Friedrich und Wilhelm, die Warnungen des Kaisers und des Kurfürsten von<lb/> Sachsen in den Wind schlagend, für die Sache des evangelischen Glaubens und<lb/> des zum König von Böhmen erwählten Pfalzgrafen Friedrich das Schwert<lb/> gezogen, waren aber in der Schlacht am Weißen Berge bei Prag trotz dem<lb/> tapfersten Verhalten — Johann Ernst hatte eine Stückkngel den Helm vom<lb/> Kopf gerissen, und ein Schuß hatte den Brustpanzer getroffen — von den<lb/> vereinigten kaiserlichen und liguistischen Truppen aufs Haupt geschlagen worden.<lb/> Der Reichsacht gewärtig und wohl auch nicht gewillt, nach einem so kurzen<lb/> und unglücklichen Debüt die Ehren und die Freiheit des Kriegshandwerks wieder<lb/> mit der Stille und Enge des kleinfürstlichen Lebens zu vertauschen, mieden die<lb/> Herzöge ihre angestammten Länder. Johann Ernst hielt sich zunächst im<lb/> Braunschweigischen auf und begab sich dann in die Dienste des Prinzen Wilhelm<lb/> von Oranien nach Holland, wo der Krieg mit Spanien nach Ablauf der zwölf¬<lb/> jährigen Waffenruhe von neuem entbrannte. Friedrich und Wilhelm dagegen<lb/> hatten sich zunächst dem Grafen Ernst von Mansfeld angeschlossen, der in den<lb/> Rheinlanden die Sache des Winterkönigs auf eigne Faust weiter verfocht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1172"> Die Negierung führte inzwischen für die ältern Brüder der neunzehnjährige<lb/> Herzog Ernst. Nun litt es auch Johann Friedrich und den kaum siebzehn¬<lb/> jährigen Bernhard nicht länger in der für die vielen Brüder zu eng gewordnen<lb/> Residenz. Auch sie warben nunmehr Truppen an und nahmen nach Beseitigung<lb/> der Hindernisse, die ihnen ihre Brüder anfangs bereiteten, unter dem Mark¬<lb/> grafen Friedrich von Baden-Durlach Dienste, der inzwischen ebenso wie der Herzog<lb/> Christian von Braunschweig gegen Kaiser und Liga die Waffen erhoben hatte.<lb/> Neben der Begeisterung für die evangelische Konfession, von der sicher ihre Ent¬<lb/> schlüsse mit geleitet wurden, war es wohl besonders auch der Glanz und die<lb/> Aufregung des Kriegslebens, das Bestreben, es ihren ältern Brüdern gleich zu<lb/> wu. auch ihrerseits Ruhm und Ehre, Land und Leute zu gewinnen, was ihnen<lb/> den Degen in die Hand drückte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1173" next="#ID_1174"> In den erhaltnen Briefen erkundigen sie sich namentlich nach den Kom¬<lb/> mandos, die sie erhalten würden, nach der Montur und dem Aussehen der be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0205]
Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten
die Ilm gestorben war, zur Vollendung ihrer Erziehung in Begleitung zweier
Hofmeister und eines kleinen Gefolges Anfang Mai 1619 eine zweijährige Reise
durch die Schweiz, dnrch Oberitalien und Südfrankreich nach Paris. Denn
schon damals begann sich die später den deutschen Territorien so verhängnisvoll
werdende Meinung zu verbreiten, daß man sich nur an dem französischen Hofe
die zu einem fürstlichen Auftreten und zu fürstlicher Lebensführung nötigen
Anschauungen, Kenntnisse und Formen aneignen könne. In Montpellier er¬
krankte Johann Friedrich an den Blattern. Die Ansteckung scheint durch einen
Brief Bernhards, seines von ihm später am meisten gehaßten Bruders, herbei¬
geführt worden zu sein, worin ihm dieser die Nachricht der Genesung von jener
Krankheit mitteilte. Der Rückweg führte die Prinzen durch die Niederlande. Am
18. Juni 1621 kehrten sie nach Weimar zurück. Dort fanden sie alles nnter dem
Zeichen des gewaltigen Krieges, dessen erster Akt sich schon dem Ende näherte.
Von ihren Ratgebern, darunter namentlich auch von der Universität Jena
angefeuert und bestärkt, hatten ihre ältern Brüder, die Herzöge Johann Ernst,
Friedrich und Wilhelm, die Warnungen des Kaisers und des Kurfürsten von
Sachsen in den Wind schlagend, für die Sache des evangelischen Glaubens und
des zum König von Böhmen erwählten Pfalzgrafen Friedrich das Schwert
gezogen, waren aber in der Schlacht am Weißen Berge bei Prag trotz dem
tapfersten Verhalten — Johann Ernst hatte eine Stückkngel den Helm vom
Kopf gerissen, und ein Schuß hatte den Brustpanzer getroffen — von den
vereinigten kaiserlichen und liguistischen Truppen aufs Haupt geschlagen worden.
Der Reichsacht gewärtig und wohl auch nicht gewillt, nach einem so kurzen
und unglücklichen Debüt die Ehren und die Freiheit des Kriegshandwerks wieder
mit der Stille und Enge des kleinfürstlichen Lebens zu vertauschen, mieden die
Herzöge ihre angestammten Länder. Johann Ernst hielt sich zunächst im
Braunschweigischen auf und begab sich dann in die Dienste des Prinzen Wilhelm
von Oranien nach Holland, wo der Krieg mit Spanien nach Ablauf der zwölf¬
jährigen Waffenruhe von neuem entbrannte. Friedrich und Wilhelm dagegen
hatten sich zunächst dem Grafen Ernst von Mansfeld angeschlossen, der in den
Rheinlanden die Sache des Winterkönigs auf eigne Faust weiter verfocht.
Die Negierung führte inzwischen für die ältern Brüder der neunzehnjährige
Herzog Ernst. Nun litt es auch Johann Friedrich und den kaum siebzehn¬
jährigen Bernhard nicht länger in der für die vielen Brüder zu eng gewordnen
Residenz. Auch sie warben nunmehr Truppen an und nahmen nach Beseitigung
der Hindernisse, die ihnen ihre Brüder anfangs bereiteten, unter dem Mark¬
grafen Friedrich von Baden-Durlach Dienste, der inzwischen ebenso wie der Herzog
Christian von Braunschweig gegen Kaiser und Liga die Waffen erhoben hatte.
Neben der Begeisterung für die evangelische Konfession, von der sicher ihre Ent¬
schlüsse mit geleitet wurden, war es wohl besonders auch der Glanz und die
Aufregung des Kriegslebens, das Bestreben, es ihren ältern Brüdern gleich zu
wu. auch ihrerseits Ruhm und Ehre, Land und Leute zu gewinnen, was ihnen
den Degen in die Hand drückte.
In den erhaltnen Briefen erkundigen sie sich namentlich nach den Kom¬
mandos, die sie erhalten würden, nach der Montur und dem Aussehen der be-
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