Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.si'o Kolonialschnle zu Witzenhausen das in der Anstalt erlernte direkt in der Praxis verwerten zu können. Was Noch nach einer andern Seite hat man ein gewisses Mißtrauen gegen die Die Zeiten sind vorbei, in denen man glaubte, was zuhause nichts tauge, Wenn man den Gang der Zöglinge verfolgt, die in die Kolonien gegangen si'o Kolonialschnle zu Witzenhausen das in der Anstalt erlernte direkt in der Praxis verwerten zu können. Was Noch nach einer andern Seite hat man ein gewisses Mißtrauen gegen die Die Zeiten sind vorbei, in denen man glaubte, was zuhause nichts tauge, Wenn man den Gang der Zöglinge verfolgt, die in die Kolonien gegangen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296212"/> <fw type="header" place="top"> si'o Kolonialschnle zu Witzenhausen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1158" prev="#ID_1157"> das in der Anstalt erlernte direkt in der Praxis verwerten zu können. Was<lb/> lernt man denn? Man lernt erstens, wie man es nicht machen soll, und das<lb/> ist schon ein großer Gewinn. Und man lernt zweitens, wo Barthel Most holt,<lb/> und das ist ein noch größerer Gewinn. Möglich, daß das, was der Zögling in<lb/> der Schule an Chemie gelernt hat, uicht hinreicht, eine zuverlässige Boden¬<lb/> analyse zu machen, aber er hat gelernt, wieviel auf diese Analyse ankommt, er<lb/> hat gelernt, eine Probe zu nehmen, er weiß, wer ihm die Analyse machen kann,<lb/> und er versteht es, eine richtige Frage zu stellen. Und bei einer solchen Aus¬<lb/> bildung unterscheidet er sich wesentlich von dem bloßen Praktiker, der manches<lb/> hübsch zusammenreimt, aber sich in andern Dingen nicht zu raten und zu<lb/> helfen weiß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1159"> Noch nach einer andern Seite hat man ein gewisses Mißtrauen gegen die<lb/> aus der Witzenhäuser Schule hervorgegangnen Zöglinge laut werden lassen.<lb/> Bei der Gründung der Schule waren christliche Kreise beteiligt, und sie hatten<lb/> die Hoffnung ausgesprochen, daß die Mission an den aus dieser Schule hervor¬<lb/> gegangnen jungen Leuten Freunde haben werde. Nun hat man vermuten wollen,<lb/> daß in der Witzenhäuser Schule ein christlicher Dilettantismus erzogen werde, mit<lb/> dem man in der Praxis nichts anfangen könne. Damit polemisiert man aber gegen<lb/> eine Seite der Anstalt, die als ein besondrer Vorzug hervorgehoben werden muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1160"> Die Zeiten sind vorbei, in denen man glaubte, was zuhause nichts tauge,<lb/> sei gut genug für die Kolonien. Umgekehrt, wenn unsre Kolonien gedeihen<lb/> sollen, so muß das Heimatland seine besten Söhne hinaussenden. Aber mich<lb/> die Zeiten sind vorbei, wo man sich von gewissen Weltreisenden imponieren<lb/> ließ, die sich, weil sie ein unbekanntes Land „durchquert" hatten, für die Fort¬<lb/> geschrittensten ihres Geschlechts hielten, die ihren Zarathustra als Bibel bei sich<lb/> führten, die Welt als Tierbude ansahen und die Bestrebungen, die auf Hebung<lb/> tiefer stehender Nassen ausgingen, mißverstände»! und lächerlich machten. Das,<lb/> was mau den Tropenkoller nannte, was war es eigentlich? Es war der<lb/> Zusammenbruch ungefestigter Charaktere, die wohl zuhause unter den Augen<lb/> der Polizei guttaten, aber draußen Schiffbruch litten, weil sie nichts zuver¬<lb/> lässiges in sich hatten. Die Witzenhäuscr Schule will Zöglinge aussenden,<lb/> denen uicht bloß etwas im Kopfe sitzt, sondern die auch Herz und Charakter<lb/> haben, Leute, auf die man sich verlassen kann. Und das will sie nicht gründen<lb/> auf moderne Fragezeichen, sondern auf gute vaterländische und gute christliche<lb/> Gesinnung. Von Kopfhängerei ist nicht die Rede. Die Schule will einen guten<lb/> Korpsgeist erwecken und pflegen, nicht bloß, solange die Zöglinge in der An¬<lb/> stalt wohnen, sondern auch später. Wie der Offizier im Korps seine Heimat,<lb/> sein gesellschaftliches und moralisches Fundament hat, so sollen auch die jungen<lb/> Leute in der Anstalt eine dauernde Heimat und eine dauernde Stütze haben.<lb/> Es ist leicht einzusehen, von wie guter Wirkung diese Einrichtung ans die Zu¬<lb/> kunft der jungen Leute sein muß. Die Pflege also der persönliche» Seite, die<lb/> Ausbildung und Festigung des Charakters der Zöglinge ist eine Seite der<lb/> fachmännischer Erziehung, die der Kolouialschnle eigentümlich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1161" next="#ID_1162"> Wenn man den Gang der Zöglinge verfolgt, die in die Kolonien gegangen<lb/> sind, so muß man sagen, daß es kein dornenloser Weg ist. Kulturpionier</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0201]
si'o Kolonialschnle zu Witzenhausen
das in der Anstalt erlernte direkt in der Praxis verwerten zu können. Was
lernt man denn? Man lernt erstens, wie man es nicht machen soll, und das
ist schon ein großer Gewinn. Und man lernt zweitens, wo Barthel Most holt,
und das ist ein noch größerer Gewinn. Möglich, daß das, was der Zögling in
der Schule an Chemie gelernt hat, uicht hinreicht, eine zuverlässige Boden¬
analyse zu machen, aber er hat gelernt, wieviel auf diese Analyse ankommt, er
hat gelernt, eine Probe zu nehmen, er weiß, wer ihm die Analyse machen kann,
und er versteht es, eine richtige Frage zu stellen. Und bei einer solchen Aus¬
bildung unterscheidet er sich wesentlich von dem bloßen Praktiker, der manches
hübsch zusammenreimt, aber sich in andern Dingen nicht zu raten und zu
helfen weiß.
Noch nach einer andern Seite hat man ein gewisses Mißtrauen gegen die
aus der Witzenhäuser Schule hervorgegangnen Zöglinge laut werden lassen.
Bei der Gründung der Schule waren christliche Kreise beteiligt, und sie hatten
die Hoffnung ausgesprochen, daß die Mission an den aus dieser Schule hervor¬
gegangnen jungen Leuten Freunde haben werde. Nun hat man vermuten wollen,
daß in der Witzenhäuser Schule ein christlicher Dilettantismus erzogen werde, mit
dem man in der Praxis nichts anfangen könne. Damit polemisiert man aber gegen
eine Seite der Anstalt, die als ein besondrer Vorzug hervorgehoben werden muß.
Die Zeiten sind vorbei, in denen man glaubte, was zuhause nichts tauge,
sei gut genug für die Kolonien. Umgekehrt, wenn unsre Kolonien gedeihen
sollen, so muß das Heimatland seine besten Söhne hinaussenden. Aber mich
die Zeiten sind vorbei, wo man sich von gewissen Weltreisenden imponieren
ließ, die sich, weil sie ein unbekanntes Land „durchquert" hatten, für die Fort¬
geschrittensten ihres Geschlechts hielten, die ihren Zarathustra als Bibel bei sich
führten, die Welt als Tierbude ansahen und die Bestrebungen, die auf Hebung
tiefer stehender Nassen ausgingen, mißverstände»! und lächerlich machten. Das,
was mau den Tropenkoller nannte, was war es eigentlich? Es war der
Zusammenbruch ungefestigter Charaktere, die wohl zuhause unter den Augen
der Polizei guttaten, aber draußen Schiffbruch litten, weil sie nichts zuver¬
lässiges in sich hatten. Die Witzenhäuscr Schule will Zöglinge aussenden,
denen uicht bloß etwas im Kopfe sitzt, sondern die auch Herz und Charakter
haben, Leute, auf die man sich verlassen kann. Und das will sie nicht gründen
auf moderne Fragezeichen, sondern auf gute vaterländische und gute christliche
Gesinnung. Von Kopfhängerei ist nicht die Rede. Die Schule will einen guten
Korpsgeist erwecken und pflegen, nicht bloß, solange die Zöglinge in der An¬
stalt wohnen, sondern auch später. Wie der Offizier im Korps seine Heimat,
sein gesellschaftliches und moralisches Fundament hat, so sollen auch die jungen
Leute in der Anstalt eine dauernde Heimat und eine dauernde Stütze haben.
Es ist leicht einzusehen, von wie guter Wirkung diese Einrichtung ans die Zu¬
kunft der jungen Leute sein muß. Die Pflege also der persönliche» Seite, die
Ausbildung und Festigung des Charakters der Zöglinge ist eine Seite der
fachmännischer Erziehung, die der Kolouialschnle eigentümlich ist.
Wenn man den Gang der Zöglinge verfolgt, die in die Kolonien gegangen
sind, so muß man sagen, daß es kein dornenloser Weg ist. Kulturpionier
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