Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Eine Kulturgeschichte des Römerreichs ein (ohne die Zeitabschnitte deutlich erkennbar zu machen), muß demnach in Für Grupp wäre sogar die stoffliche Anordnung in noch höherm Grade In den verschiedenen Endzwecken der beiden Autoren liegt die Erklärung Eine Kulturgeschichte des Römerreichs ein (ohne die Zeitabschnitte deutlich erkennbar zu machen), muß demnach in Für Grupp wäre sogar die stoffliche Anordnung in noch höherm Grade In den verschiedenen Endzwecken der beiden Autoren liegt die Erklärung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296151"/> <fw type="header" place="top"> Eine Kulturgeschichte des Römerreichs</fw><lb/> <p xml:id="ID_805" prev="#ID_804"> ein (ohne die Zeitabschnitte deutlich erkennbar zu machen), muß demnach in<lb/> jeder Periode sämtliche Gegenstände abhandeln und zerhackt so jeden Gegen¬<lb/> stand in viele kleine durch das ganze Werk verstreute Kapitel. Auf diese Weise<lb/> kommt es nicht zu einer zusammenhängenden Darstellung der Entwicklung der<lb/> einzelnen Kulturgebiete, und darum bleiben auftauchende Widersprüche un¬<lb/> gelöst stehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_806"> Für Grupp wäre sogar die stoffliche Anordnung in noch höherm Grade<lb/> angezeigt gewesen. Denn während es Friedlünder nur um ein großartiges<lb/> Gemälde der damaligen Welt zu tun ist, will Grupp zeigen, wie aus ihr<lb/> durch die Einwirkung des Christentums und der Germanen die neue hervor¬<lb/> gegangen ist. Das schien nun freilich die chronologische Anordnung gerade<lb/> zu fordern, und ganz konnte auch wirklich nicht auf sie verzichtet werden.<lb/> Aber dieser Forderung wäre mit der Einteilung in zwei große Perioden, denen<lb/> je ein Band gewidmet werden konnte, genügt worden. Innerhalb jeder solchen<lb/> Periode aber mußten Gegenstünde wie Sklaverei und Kolonat, Provinzial-<lb/> vcrwaltung, Heerwesen im Zusammenhange behandelt werden, wenn der Leser<lb/> einen klaren Überblick über ihre Entwicklung bekommen sollte. In einem solchen<lb/> Zusammenhange würden auch die vielen wertvollen Einzelheiten, die man in<lb/> andern Werken vergebens sucht, zum Beispiel das Landvermessungswesen, die<lb/> Provinziallandtage, viel besser zur Geltung gekommen sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_807" next="#ID_808"> In den verschiedenen Endzwecken der beiden Autoren liegt die Erklärung<lb/> dafür, daß bei Friedländer, der uns die Herrlichkeit der alten Welt im<lb/> Abendsonnenglanze zeigt, die Lichtseiten der griechisch-römischen Kultur stärker<lb/> hervortreten, bei Grupp, der die Unvermeidlichkeit ihres Untergangs als Be¬<lb/> dingung für das Werden einer neuen Welt zu zeigen hat, die Schattenseiten.<lb/> Dem Werden dieser neuen christlich-germanischen Welt sind die letzten Kapitel<lb/> des ersten und die meisten des zweiten Bandes gewidmet, während Friedländer<lb/> das Christentum und die Germanen nur gelegentlich manchmal erwähnt und<lb/> dem ersten nur eine einzige besondre Betrachtung gönnt, die jedoch auch nur<lb/> fünf, Seiten lang ist (I, 503 bis 508). Grupps Werk ersetzt ein Handbuch der<lb/> christlichen Archäologie. Er ist Katholik, behandelt aber diese für den ortho¬<lb/> doxen katholischen Glauben gefährliche Periode der kirchlichen Entwicklung mit<lb/> gewissenhafter wissenschaftlicher Objektivität und freimütiger Unbefangenheit.<lb/> Er gehört zu den Katholiken, die im festen Glauben an die Göttlichkeit ihrer<lb/> Kirche die Klüfte, die sich da auftun, überspringen, ohne sie zu bemerken.<lb/> Nicht das Christentum steht in Gefahr, in diesen Klüften zu versinken, ja nicht<lb/> einmal der Katholizismus, der doch außer den spezifisch jesuitisch-ultramontanen<lb/> noch andre Bestandteile hat, die ihn vom lutherischen und vom kalvinischen<lb/> Glauben unterscheiden. Aber die orthodoxe Lehre von den Heilsmitteln und<lb/> von der Hierarchie muß bei jedem, der sich nicht eines bombenfesten und dabei<lb/> höchst naiven Glaubens erfreut, eine starke Erschütterung erleiden, wenn er<lb/> den Zustand der Kirche der ersten drei Jahrhunderte betrachtet, den Grupp<lb/> wahrheitsgetreu darstellt: die eucharistische Feier, die so himmelweit verschieden<lb/> ist von der heutigen Messe, die verheirateten Gemeindeültesten, aus denen mit<lb/> der Zeit Opferpriester geworden sind; wenn er dann das allmähliche Ein-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
Eine Kulturgeschichte des Römerreichs
ein (ohne die Zeitabschnitte deutlich erkennbar zu machen), muß demnach in
jeder Periode sämtliche Gegenstände abhandeln und zerhackt so jeden Gegen¬
stand in viele kleine durch das ganze Werk verstreute Kapitel. Auf diese Weise
kommt es nicht zu einer zusammenhängenden Darstellung der Entwicklung der
einzelnen Kulturgebiete, und darum bleiben auftauchende Widersprüche un¬
gelöst stehn.
Für Grupp wäre sogar die stoffliche Anordnung in noch höherm Grade
angezeigt gewesen. Denn während es Friedlünder nur um ein großartiges
Gemälde der damaligen Welt zu tun ist, will Grupp zeigen, wie aus ihr
durch die Einwirkung des Christentums und der Germanen die neue hervor¬
gegangen ist. Das schien nun freilich die chronologische Anordnung gerade
zu fordern, und ganz konnte auch wirklich nicht auf sie verzichtet werden.
Aber dieser Forderung wäre mit der Einteilung in zwei große Perioden, denen
je ein Band gewidmet werden konnte, genügt worden. Innerhalb jeder solchen
Periode aber mußten Gegenstünde wie Sklaverei und Kolonat, Provinzial-
vcrwaltung, Heerwesen im Zusammenhange behandelt werden, wenn der Leser
einen klaren Überblick über ihre Entwicklung bekommen sollte. In einem solchen
Zusammenhange würden auch die vielen wertvollen Einzelheiten, die man in
andern Werken vergebens sucht, zum Beispiel das Landvermessungswesen, die
Provinziallandtage, viel besser zur Geltung gekommen sein.
In den verschiedenen Endzwecken der beiden Autoren liegt die Erklärung
dafür, daß bei Friedländer, der uns die Herrlichkeit der alten Welt im
Abendsonnenglanze zeigt, die Lichtseiten der griechisch-römischen Kultur stärker
hervortreten, bei Grupp, der die Unvermeidlichkeit ihres Untergangs als Be¬
dingung für das Werden einer neuen Welt zu zeigen hat, die Schattenseiten.
Dem Werden dieser neuen christlich-germanischen Welt sind die letzten Kapitel
des ersten und die meisten des zweiten Bandes gewidmet, während Friedländer
das Christentum und die Germanen nur gelegentlich manchmal erwähnt und
dem ersten nur eine einzige besondre Betrachtung gönnt, die jedoch auch nur
fünf, Seiten lang ist (I, 503 bis 508). Grupps Werk ersetzt ein Handbuch der
christlichen Archäologie. Er ist Katholik, behandelt aber diese für den ortho¬
doxen katholischen Glauben gefährliche Periode der kirchlichen Entwicklung mit
gewissenhafter wissenschaftlicher Objektivität und freimütiger Unbefangenheit.
Er gehört zu den Katholiken, die im festen Glauben an die Göttlichkeit ihrer
Kirche die Klüfte, die sich da auftun, überspringen, ohne sie zu bemerken.
Nicht das Christentum steht in Gefahr, in diesen Klüften zu versinken, ja nicht
einmal der Katholizismus, der doch außer den spezifisch jesuitisch-ultramontanen
noch andre Bestandteile hat, die ihn vom lutherischen und vom kalvinischen
Glauben unterscheiden. Aber die orthodoxe Lehre von den Heilsmitteln und
von der Hierarchie muß bei jedem, der sich nicht eines bombenfesten und dabei
höchst naiven Glaubens erfreut, eine starke Erschütterung erleiden, wenn er
den Zustand der Kirche der ersten drei Jahrhunderte betrachtet, den Grupp
wahrheitsgetreu darstellt: die eucharistische Feier, die so himmelweit verschieden
ist von der heutigen Messe, die verheirateten Gemeindeültesten, aus denen mit
der Zeit Opferpriester geworden sind; wenn er dann das allmähliche Ein-
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