Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Rußlands neuster Bahnbau in Zentralasien durchzogen und von den dampfgetriebnen Wagenkarawanen durchfahren werden, Die sibirisch-mandschurische Eisenbahn, obgleich weitaus der größte und Der älteste Teil ist die transkaspische Bahn, die unmittelbar nach der Rußlands neuster Bahnbau in Zentralasien durchzogen und von den dampfgetriebnen Wagenkarawanen durchfahren werden, Die sibirisch-mandschurische Eisenbahn, obgleich weitaus der größte und Der älteste Teil ist die transkaspische Bahn, die unmittelbar nach der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296021"/> <fw type="header" place="top"> Rußlands neuster Bahnbau in Zentralasien</fw><lb/> <p xml:id="ID_10" prev="#ID_9"> durchzogen und von den dampfgetriebnen Wagenkarawanen durchfahren werden,<lb/> den großen Segen des neuzeitlichen Verkehrs. Bei uns in Deutschland halte<lb/> die Eisenbahn nur den auf Chausseen cinhermsselnden Frcichtwngen zu ver¬<lb/> drängen, in Asien gibt es keine Chausseen. Dort tritt die Eisenbahn an die<lb/> Stelle der Karawanen von Kamelen, Eseln, Lastpferden und (in Sibirien)<lb/> Schlitten. Wenn man einmal mit eignen Augen den dürftigen Last- und<lb/> Geschwindigkeitseffekt solcher Karawanen gesehen hat, kann man den ungeheuern<lb/> Abstand ermessen. Sogar Kleinasien, wo die uraltherkömmtlichen Verkehrs-<lb/> verhältnisse doch viel günstiger lagen als in Transkaspien, in Sibirien und<lb/> in der Kirgisensteppe, ist dnrch die Eisenbahn vom Bosporus nach Angora und<lb/> nach Koula und neuerdings nach dein kilikischen Tnurus aus seinem anderthalb-<lb/> tausendjährigeu Schlaf geweckt worden; die von ihr berührten Gegenden sind<lb/> wie umgewandelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_11"> Die sibirisch-mandschurische Eisenbahn, obgleich weitaus der größte und<lb/> wichtigste Teil der russischen Bahnbauten in Asien, kaun hier beiseite gelassen<lb/> werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_12" next="#ID_13"> Der älteste Teil ist die transkaspische Bahn, die unmittelbar nach der<lb/> Bewältigung der Telle-Turkmenen, die an der Nordgrenze Persiens entlang<lb/> den Verkehr versperrten, erbaut ist. Der Betrieb auf der ersten Strecke wurde<lb/> im Jahre 1880 eröffnet. Seitdem wurde sie weit über den Ann-Darja hinaus<lb/> vorgeschoben, bis nach Andischan in der fernen, an die chinesische Westprovinz<lb/> Ostturkestan stoßenden Greuzprovinz Fergana, und sogar über den Syr-Darsa<lb/> hinaus nach Taschkend ist sie gedrungen. Das alte Kulturland Turkestan wurde<lb/> dadurch mit Europa verbunden. Schon zu Alexanders des Großen Zeit war<lb/> es ein hochentwickeltes Land, mit dem sich damals schwerlich irgendein Teil<lb/> West- oder Nordeuropas messen konnte. Alexander eroberte die Stadt Mara-<lb/> kanda, die als Samarkand noch heute besteht, also an Alter vielleicht mit Rom<lb/> wetteifern kann. Bacterien war ein Teil Persiens, und nicht der am wenigsten<lb/> kultivierte. Firdusis Heimat lag dort, er schwelgt in Schilderung der para¬<lb/> diesischen Pracht Merus, der heutigen Oase Merw. Damals wurde diese be¬<lb/> wässert durch die künstliche Aufstauung des Flusses Murghab, die vou einem<lb/> Heer aus Buchara erst vor zwei Jahrhunderten zerstört worden ist, und deren<lb/> Wiederherstellung die Russen sofort in die Hand nahmen — leider mit einem<lb/> Mißerfolg. Baktrien hatte schon vor jenem unglücklichen Ereignis sein schwerstes<lb/> Schicksal erlitten: die Überflutung durch die Mongoleuscharen, wobei der größte<lb/> Teil der altiranischeu, persischen Bevölkerung vernichtet wurde. Nußland hat<lb/> Turkestan wieder zum Gedeihen gebracht. Es hat den ewigen Kriegen zwischen<lb/> den einzelnen Khanaten ein Ende gemacht und die friedlichen seßhaften Bauern<lb/> gegen die Räubereien der Steppennomaden geschützt. Mit der transkaspischen<lb/> Eisenbahn gab es dem in vielen Teilen fruchtbaren und wohlbewässerten<lb/> Lande — die von den Pamirs und vom Thianschangebirge nordwärts ab¬<lb/> strömenden Gewässer tränken das Land — Gelegenheit, seine Erzeugnisse auf<lb/> auswärtige Märkte zu bringen. Namentlich fällt dabei die Baumwollkultur<lb/> ins Gewicht. Baumwolle ist ein in Indien heimisches Gewächs, das nach<lb/> Amerika erst vor reichlich hundert Jahren eingeführt worden ist. Die indische</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Rußlands neuster Bahnbau in Zentralasien
durchzogen und von den dampfgetriebnen Wagenkarawanen durchfahren werden,
den großen Segen des neuzeitlichen Verkehrs. Bei uns in Deutschland halte
die Eisenbahn nur den auf Chausseen cinhermsselnden Frcichtwngen zu ver¬
drängen, in Asien gibt es keine Chausseen. Dort tritt die Eisenbahn an die
Stelle der Karawanen von Kamelen, Eseln, Lastpferden und (in Sibirien)
Schlitten. Wenn man einmal mit eignen Augen den dürftigen Last- und
Geschwindigkeitseffekt solcher Karawanen gesehen hat, kann man den ungeheuern
Abstand ermessen. Sogar Kleinasien, wo die uraltherkömmtlichen Verkehrs-
verhältnisse doch viel günstiger lagen als in Transkaspien, in Sibirien und
in der Kirgisensteppe, ist dnrch die Eisenbahn vom Bosporus nach Angora und
nach Koula und neuerdings nach dein kilikischen Tnurus aus seinem anderthalb-
tausendjährigeu Schlaf geweckt worden; die von ihr berührten Gegenden sind
wie umgewandelt.
Die sibirisch-mandschurische Eisenbahn, obgleich weitaus der größte und
wichtigste Teil der russischen Bahnbauten in Asien, kaun hier beiseite gelassen
werden.
Der älteste Teil ist die transkaspische Bahn, die unmittelbar nach der
Bewältigung der Telle-Turkmenen, die an der Nordgrenze Persiens entlang
den Verkehr versperrten, erbaut ist. Der Betrieb auf der ersten Strecke wurde
im Jahre 1880 eröffnet. Seitdem wurde sie weit über den Ann-Darja hinaus
vorgeschoben, bis nach Andischan in der fernen, an die chinesische Westprovinz
Ostturkestan stoßenden Greuzprovinz Fergana, und sogar über den Syr-Darsa
hinaus nach Taschkend ist sie gedrungen. Das alte Kulturland Turkestan wurde
dadurch mit Europa verbunden. Schon zu Alexanders des Großen Zeit war
es ein hochentwickeltes Land, mit dem sich damals schwerlich irgendein Teil
West- oder Nordeuropas messen konnte. Alexander eroberte die Stadt Mara-
kanda, die als Samarkand noch heute besteht, also an Alter vielleicht mit Rom
wetteifern kann. Bacterien war ein Teil Persiens, und nicht der am wenigsten
kultivierte. Firdusis Heimat lag dort, er schwelgt in Schilderung der para¬
diesischen Pracht Merus, der heutigen Oase Merw. Damals wurde diese be¬
wässert durch die künstliche Aufstauung des Flusses Murghab, die vou einem
Heer aus Buchara erst vor zwei Jahrhunderten zerstört worden ist, und deren
Wiederherstellung die Russen sofort in die Hand nahmen — leider mit einem
Mißerfolg. Baktrien hatte schon vor jenem unglücklichen Ereignis sein schwerstes
Schicksal erlitten: die Überflutung durch die Mongoleuscharen, wobei der größte
Teil der altiranischeu, persischen Bevölkerung vernichtet wurde. Nußland hat
Turkestan wieder zum Gedeihen gebracht. Es hat den ewigen Kriegen zwischen
den einzelnen Khanaten ein Ende gemacht und die friedlichen seßhaften Bauern
gegen die Räubereien der Steppennomaden geschützt. Mit der transkaspischen
Eisenbahn gab es dem in vielen Teilen fruchtbaren und wohlbewässerten
Lande — die von den Pamirs und vom Thianschangebirge nordwärts ab¬
strömenden Gewässer tränken das Land — Gelegenheit, seine Erzeugnisse auf
auswärtige Märkte zu bringen. Namentlich fällt dabei die Baumwollkultur
ins Gewicht. Baumwolle ist ein in Indien heimisches Gewächs, das nach
Amerika erst vor reichlich hundert Jahren eingeführt worden ist. Die indische
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