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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Uonstcmtinoxolitanische Reiseerlebnisse

Sonnenuntergang zuhause sein. So gebietet der Prophet. Auch unsre Gnädige
mahnte nun energisch zur Umkehr. Und sie hatte Recht. Denn die Rückfahrt
dauerte weit länger, als wir sie uns vorgestellt hatten, und das Sitzen auf den
lehnenlosen Bänken wurde zuletzt zur Qual, besonders für unsre Dame. Wir
verließen deshalb schon bei der alten Galatabrücke unser Boot und gingen durch
eine Zypressenallee direkt nach Pera hinauf. Mein österreichischer Genosse sagte
nachher, er habe die preußischen Offiziere bisher nur nach den Fliegenden Blättern
beurteilt und sei muss äußerste überrascht, in ihnen so liebenswürdige und um¬
gängliche Herren gefunden zu haben. Er werde in seiner Heimat, dem südlichen Öster¬
reich, für die neugewonnene Anschauung energisch eintreten. Nachdem ich mir rasch
meinen Verband, der abgegangen war, in der Apotheke hatte wiederherstellen lassen,
ging ich noch in der Dunkelheit ins Hotel Kroeker, um die beiden Damen zu besuchen,
die mich so liebenswürdig eingeladen hatten; es war aber leider schon zu spät. Sie
hatten sich, ermüdet wie sie waren, schon in ihre Gemächer zurückgezogen.

Diese Süßwassertonr war also durch allzuviel süßes Wasser geschädigt worden.
Wenig Tage darauf machten wir aber einen vollen Tagesausflug, der nicht ver¬
regnete, und zwar nach Skutari. Der General war verhindert, und auch die
gnädige Frau erklärte, als wir unsre Verabredung trafen, sie werde nicht mit¬
kommen, da sie gehört habe, daß die "heulenden Derwische" in Skutari ein'ent¬
setzlicher, nervenaufregender Anblick seien. Sie fand sich aber am festgesetzten Tage
dennoch zu unsrer Freude an der Dampfschisfstation ein und fuhr mit. Wir
fanden in Skutari eine echt asiatische Türkenstadt, die mich lebhast in ihrem ganzen
Aussehen an die Dardanellen erinnerte. Kaum waren wir ausgestiegen, so wurden
wir sofort von Kutschern umdrängt, suchten uns den schönsten Wagen heraus und
fuhren durch die holprigen Gassen mit den Holzgittern und Handelsbuden. Unter¬
wegs kauften wir einen der hohen, gestochenen Körbe voll der köstlichsten Erd¬
beeren, die uns massenhaft für billiges Geld angeboten wurden. Diesen stellten
wir zwischen unsre Füße in den Wagen und schmausten während der Fahrt nach
Herzenslust. Die Frau Kaimakam konnte überhaupt das massenhafte, billige Obst
und Gemüse nicht genug rühmen, das es in Konstantinopel gäbe, und zwar zu
nach unsern Begriffen fast lächerlichen Preisen und dabei in unerschöpflicher Ab¬
wechslung und vorzüglichster Qualität. Sie zählte all die Herrlichkeiten auf, die
Allah fast das ganze Jahr seinen Gläubigen und den unter seinem Schutze als
Gäste wohnenden Fremden der Reihe nach auftischt, sodaß es uns Herren schien,
als sei Konstantinopel ein wahres Eldorado für Hausfrauen, besonders wenn sie
die Küche möglichst vegetarisch führen. Mit dem Fleisch soll es weniger berühmt
aussehen.

Unter solchen Gesprächen fuhren wir, zuletzt zwischen türkischen Gärten, Land¬
häusern und Weinbergen, hinauf zum Bulgurlu, den die Deutschen in Konstantinopel
gern den "Bismarckberg" nennen, weil die drei seinen Gipfel zierenden Bäume
jenen drei Haupthaaren gleichen, die die fremden Mächte so oft in ihren anti¬
deutschen Suppen gefunden haben. Eine Viertelstunde unterhalb seines Gipfels liegt
ein von hohen Platanen beschattetes Plateau, auf dem die berühmte Quelle
Tschamlidscha entspringt. Hier ist eine türkische Kafseewirtschaft, deren Besitzer den
braunen Labetrunk aus dem köstlichen Wasser bereitet. Am Freitag versammelt
sich hier die mohammedanische, am Sonntag die christliche Welt von Skutari, und
es spielen sich hier in kleinerm Maßstabe dieselben Szenen ab wie an den süßen
Wassern. Wir saßen vor dem vergitterten Holzhause nieder, und Hauschild fragte
den Kaffeetürken, ob denn der Pascha schon sein Sommerlusthaus bezogen habe
Der Türke schaute ordentlich erschreckt auf und gab dann ganz leise seine Antwort
Die Türken sprechen überhaupt niemals auf der Straße den Namen eines Würden-
trägers, geschweige denn das Wort Sultan oder Padischah laut aus, sie sprechen
überhaupt am liebsten nicht von solchen Herren. Schon das bloße Reden von
ihnen bringt in den Verdacht revolutionärer Gesinnung, und Geheimpolizisten aide
renboten IV 1904


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Uonstcmtinoxolitanische Reiseerlebnisse

Sonnenuntergang zuhause sein. So gebietet der Prophet. Auch unsre Gnädige
mahnte nun energisch zur Umkehr. Und sie hatte Recht. Denn die Rückfahrt
dauerte weit länger, als wir sie uns vorgestellt hatten, und das Sitzen auf den
lehnenlosen Bänken wurde zuletzt zur Qual, besonders für unsre Dame. Wir
verließen deshalb schon bei der alten Galatabrücke unser Boot und gingen durch
eine Zypressenallee direkt nach Pera hinauf. Mein österreichischer Genosse sagte
nachher, er habe die preußischen Offiziere bisher nur nach den Fliegenden Blättern
beurteilt und sei muss äußerste überrascht, in ihnen so liebenswürdige und um¬
gängliche Herren gefunden zu haben. Er werde in seiner Heimat, dem südlichen Öster¬
reich, für die neugewonnene Anschauung energisch eintreten. Nachdem ich mir rasch
meinen Verband, der abgegangen war, in der Apotheke hatte wiederherstellen lassen,
ging ich noch in der Dunkelheit ins Hotel Kroeker, um die beiden Damen zu besuchen,
die mich so liebenswürdig eingeladen hatten; es war aber leider schon zu spät. Sie
hatten sich, ermüdet wie sie waren, schon in ihre Gemächer zurückgezogen.

Diese Süßwassertonr war also durch allzuviel süßes Wasser geschädigt worden.
Wenig Tage darauf machten wir aber einen vollen Tagesausflug, der nicht ver¬
regnete, und zwar nach Skutari. Der General war verhindert, und auch die
gnädige Frau erklärte, als wir unsre Verabredung trafen, sie werde nicht mit¬
kommen, da sie gehört habe, daß die „heulenden Derwische" in Skutari ein'ent¬
setzlicher, nervenaufregender Anblick seien. Sie fand sich aber am festgesetzten Tage
dennoch zu unsrer Freude an der Dampfschisfstation ein und fuhr mit. Wir
fanden in Skutari eine echt asiatische Türkenstadt, die mich lebhast in ihrem ganzen
Aussehen an die Dardanellen erinnerte. Kaum waren wir ausgestiegen, so wurden
wir sofort von Kutschern umdrängt, suchten uns den schönsten Wagen heraus und
fuhren durch die holprigen Gassen mit den Holzgittern und Handelsbuden. Unter¬
wegs kauften wir einen der hohen, gestochenen Körbe voll der köstlichsten Erd¬
beeren, die uns massenhaft für billiges Geld angeboten wurden. Diesen stellten
wir zwischen unsre Füße in den Wagen und schmausten während der Fahrt nach
Herzenslust. Die Frau Kaimakam konnte überhaupt das massenhafte, billige Obst
und Gemüse nicht genug rühmen, das es in Konstantinopel gäbe, und zwar zu
nach unsern Begriffen fast lächerlichen Preisen und dabei in unerschöpflicher Ab¬
wechslung und vorzüglichster Qualität. Sie zählte all die Herrlichkeiten auf, die
Allah fast das ganze Jahr seinen Gläubigen und den unter seinem Schutze als
Gäste wohnenden Fremden der Reihe nach auftischt, sodaß es uns Herren schien,
als sei Konstantinopel ein wahres Eldorado für Hausfrauen, besonders wenn sie
die Küche möglichst vegetarisch führen. Mit dem Fleisch soll es weniger berühmt
aussehen.

Unter solchen Gesprächen fuhren wir, zuletzt zwischen türkischen Gärten, Land¬
häusern und Weinbergen, hinauf zum Bulgurlu, den die Deutschen in Konstantinopel
gern den „Bismarckberg" nennen, weil die drei seinen Gipfel zierenden Bäume
jenen drei Haupthaaren gleichen, die die fremden Mächte so oft in ihren anti¬
deutschen Suppen gefunden haben. Eine Viertelstunde unterhalb seines Gipfels liegt
ein von hohen Platanen beschattetes Plateau, auf dem die berühmte Quelle
Tschamlidscha entspringt. Hier ist eine türkische Kafseewirtschaft, deren Besitzer den
braunen Labetrunk aus dem köstlichen Wasser bereitet. Am Freitag versammelt
sich hier die mohammedanische, am Sonntag die christliche Welt von Skutari, und
es spielen sich hier in kleinerm Maßstabe dieselben Szenen ab wie an den süßen
Wassern. Wir saßen vor dem vergitterten Holzhause nieder, und Hauschild fragte
den Kaffeetürken, ob denn der Pascha schon sein Sommerlusthaus bezogen habe
Der Türke schaute ordentlich erschreckt auf und gab dann ganz leise seine Antwort
Die Türken sprechen überhaupt niemals auf der Straße den Namen eines Würden-
trägers, geschweige denn das Wort Sultan oder Padischah laut aus, sie sprechen
überhaupt am liebsten nicht von solchen Herren. Schon das bloße Reden von
ihnen bringt in den Verdacht revolutionärer Gesinnung, und Geheimpolizisten aide
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[0753] Uonstcmtinoxolitanische Reiseerlebnisse Sonnenuntergang zuhause sein. So gebietet der Prophet. Auch unsre Gnädige mahnte nun energisch zur Umkehr. Und sie hatte Recht. Denn die Rückfahrt dauerte weit länger, als wir sie uns vorgestellt hatten, und das Sitzen auf den lehnenlosen Bänken wurde zuletzt zur Qual, besonders für unsre Dame. Wir verließen deshalb schon bei der alten Galatabrücke unser Boot und gingen durch eine Zypressenallee direkt nach Pera hinauf. Mein österreichischer Genosse sagte nachher, er habe die preußischen Offiziere bisher nur nach den Fliegenden Blättern beurteilt und sei muss äußerste überrascht, in ihnen so liebenswürdige und um¬ gängliche Herren gefunden zu haben. Er werde in seiner Heimat, dem südlichen Öster¬ reich, für die neugewonnene Anschauung energisch eintreten. Nachdem ich mir rasch meinen Verband, der abgegangen war, in der Apotheke hatte wiederherstellen lassen, ging ich noch in der Dunkelheit ins Hotel Kroeker, um die beiden Damen zu besuchen, die mich so liebenswürdig eingeladen hatten; es war aber leider schon zu spät. Sie hatten sich, ermüdet wie sie waren, schon in ihre Gemächer zurückgezogen. Diese Süßwassertonr war also durch allzuviel süßes Wasser geschädigt worden. Wenig Tage darauf machten wir aber einen vollen Tagesausflug, der nicht ver¬ regnete, und zwar nach Skutari. Der General war verhindert, und auch die gnädige Frau erklärte, als wir unsre Verabredung trafen, sie werde nicht mit¬ kommen, da sie gehört habe, daß die „heulenden Derwische" in Skutari ein'ent¬ setzlicher, nervenaufregender Anblick seien. Sie fand sich aber am festgesetzten Tage dennoch zu unsrer Freude an der Dampfschisfstation ein und fuhr mit. Wir fanden in Skutari eine echt asiatische Türkenstadt, die mich lebhast in ihrem ganzen Aussehen an die Dardanellen erinnerte. Kaum waren wir ausgestiegen, so wurden wir sofort von Kutschern umdrängt, suchten uns den schönsten Wagen heraus und fuhren durch die holprigen Gassen mit den Holzgittern und Handelsbuden. Unter¬ wegs kauften wir einen der hohen, gestochenen Körbe voll der köstlichsten Erd¬ beeren, die uns massenhaft für billiges Geld angeboten wurden. Diesen stellten wir zwischen unsre Füße in den Wagen und schmausten während der Fahrt nach Herzenslust. Die Frau Kaimakam konnte überhaupt das massenhafte, billige Obst und Gemüse nicht genug rühmen, das es in Konstantinopel gäbe, und zwar zu nach unsern Begriffen fast lächerlichen Preisen und dabei in unerschöpflicher Ab¬ wechslung und vorzüglichster Qualität. Sie zählte all die Herrlichkeiten auf, die Allah fast das ganze Jahr seinen Gläubigen und den unter seinem Schutze als Gäste wohnenden Fremden der Reihe nach auftischt, sodaß es uns Herren schien, als sei Konstantinopel ein wahres Eldorado für Hausfrauen, besonders wenn sie die Küche möglichst vegetarisch führen. Mit dem Fleisch soll es weniger berühmt aussehen. Unter solchen Gesprächen fuhren wir, zuletzt zwischen türkischen Gärten, Land¬ häusern und Weinbergen, hinauf zum Bulgurlu, den die Deutschen in Konstantinopel gern den „Bismarckberg" nennen, weil die drei seinen Gipfel zierenden Bäume jenen drei Haupthaaren gleichen, die die fremden Mächte so oft in ihren anti¬ deutschen Suppen gefunden haben. Eine Viertelstunde unterhalb seines Gipfels liegt ein von hohen Platanen beschattetes Plateau, auf dem die berühmte Quelle Tschamlidscha entspringt. Hier ist eine türkische Kafseewirtschaft, deren Besitzer den braunen Labetrunk aus dem köstlichen Wasser bereitet. Am Freitag versammelt sich hier die mohammedanische, am Sonntag die christliche Welt von Skutari, und es spielen sich hier in kleinerm Maßstabe dieselben Szenen ab wie an den süßen Wassern. Wir saßen vor dem vergitterten Holzhause nieder, und Hauschild fragte den Kaffeetürken, ob denn der Pascha schon sein Sommerlusthaus bezogen habe Der Türke schaute ordentlich erschreckt auf und gab dann ganz leise seine Antwort Die Türken sprechen überhaupt niemals auf der Straße den Namen eines Würden- trägers, geschweige denn das Wort Sultan oder Padischah laut aus, sie sprechen überhaupt am liebsten nicht von solchen Herren. Schon das bloße Reden von ihnen bringt in den Verdacht revolutionärer Gesinnung, und Geheimpolizisten aide renboten IV 1904 Gz^

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/753>, abgerufen am 29.06.2024.