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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Trübsalmelodie. Im Reichstage hatte verlautet, daß die Vertreter von Bayern,
Sachsen und Württemberg am Bundesratstisch von ihren heimatlichen Regierungen
beauftragt worden seien, die Note in der Trauersymphonie des Herrn von Stengel
durch einige Paukenschläge über die Matrikularbeitrcige zu verstärken. Sollte die
Absicht in der Tat vorhanden sein, so wird sich im neuen Jahre wohl noch eine
geeignetere Gelegenheit bieten; in der Sturzwelle der ersten Lesung hatten sie
vielleicht nicht einmal einen nachhaltigen Eindruck gemacht.

Die Rede des Herrn Bebel hatte auch diesesmal wieder eine sofortige Be¬
antwortung durch den Reichskanzler zur Folge. Es wird das hier und da be¬
dauert, weil das Relief Bebels dadurch nicht wenig gehoben werde, wenn jedesmal
der Reichskanzler persönlich gegen ihn in die Schranken trete, um auf die Bebelschen
Herausforderungen, die doch zum nicht geringen Teil nur hohle Phrasen sind, zu
antworten. Graf Bülow kann aber und konnte namentlich diesesmal kaum anders
handeln, erstens weil sich Bebel des Langem über das Verhältnis zu Rußland,
England und Japan verbreitet hatte, und weil serner im ganzen Reichstage kein
einziger Redner vorhanden ist, der Bebels rednerischen Ausschweifungen mit der
nötigen Energie und Autorität entgegenzutreten vermag. Für die Zusammen¬
setzung des Reichstags ist auch dieser Umstand charakteristisch. Es würde zweifellos
in jeder Beziehung richtiger und erwünschter sein, auch dem Auslande gegenüber,
wenn es die Redner aus den Mehrheitsparteien des Hauses, einschließlich des
Zentrums, übernahmen, die Bebelschen Irrlehren und Phraseologien vor dem Inlande
und dem Auslande richtig zu stellen und so namentlich diesem gegenüber keinen
Zweifel zu lassen, daß die sozialdemokratische Fraktion mit ihren Auffassungen in
absoluter Isolierung ist. Da das aber nicht oder wenigstens nicht mit der nötigen
Nachhaltigkeit und Autorität geschieht, so bleibt dem Reichskanzler nichts übrig, als
in die von den Mehrheitsparteien leider offen gelassene Lücke selbst einzuspringen.

Auffällig war in Bebels Rede der Versuch, eine Äußerung des Reichskanzlers
darüber herbeizuführen, ob und welche Abmachungen wir mit Rußland etwa
haben, eine Frage, an der das Ausland entschieden ein viel größeres Interesse
hat als die sozialdemokratische Reichstagsfraktion. Falls Abmachungen bestünden,
wären sie doch jedenfalls geheim und nicht dazu bestimmt, Herrn Bebel auf die
Nase gebunden zu werden. Daß Bebels Sympathien im russisch-japanischen Kriege
den Japanern gehören, ist selbstverständlich. Der Liberalismus in Deutschland bis
zu seinen fortgeschrittensten Schattierungen steht immer auf antirussischer Seite, mag
es sich dabei nun um Polen, Türken, Bulgaren oder Japaner handeln. Um so
mehr haben die andern Parteien Anlaß, sich ihre Haltung zu überlegen. Es ist
doch kaum zu vermeiden, daß diese grundsätzliche Stellung des deutschen Liberalismus
einschließlich der vom Reichskanzler mit Recht getadelten bedauerlichen Haltung
der Witzblätter in Rußland bei Regierenden und Regierten ein entsprechendes Echo
hervorruft. Über die Haltung eines Teils der russischen Presse hat sich schon
Kaiser Wilhelm der Erste in Privntbriefen an Kaiser Alexander den Zweiten be¬
klagt, und gewiß mit vollem Recht, weil diese Angriffe in der Mehrzahl grobe Ver¬
dächtigungen der deutschen Regierung und der deutschen Politik enthielten. Aber
die Presse in Rußland vermag sich zum größer" Teile nicht zu der Annahme auf¬
zuschwingen, daß die Haltung einer so großen Anzahl deutscher Zeitungen völlig
im Widerspruch zu den Anschauungen der Regierung stehn sollte, und sie wird in
dieser Auffassung bestärkt durch Behauptungen, wie sie auch im Reichstage laut
geworden sind, daß die deutsche Presse, mit Ausnahme der sozialdemokratischen,
mehr oder minder von der Regierung beeinflußt sei. Die Sozialdemokratie freilich
hat verschiedne Anlässe, so namentlich den Huller Vorgang, zu den bösartigsten
Hetzereien gegen Rußland benutzt, und der Reichskanzler hatte, wenn auch leichtes,
so doch sehr richtiges Spiel, als er alle die Absurditäten des Vorwärts usw. in das
helle Tageslicht zog. Ebenso daß er der sozialdemokratischen Forderung eines ge¬
harnischten Protestes gegen Rußland die Hoffnung entgegensetzte, daß die Herren


Trübsalmelodie. Im Reichstage hatte verlautet, daß die Vertreter von Bayern,
Sachsen und Württemberg am Bundesratstisch von ihren heimatlichen Regierungen
beauftragt worden seien, die Note in der Trauersymphonie des Herrn von Stengel
durch einige Paukenschläge über die Matrikularbeitrcige zu verstärken. Sollte die
Absicht in der Tat vorhanden sein, so wird sich im neuen Jahre wohl noch eine
geeignetere Gelegenheit bieten; in der Sturzwelle der ersten Lesung hatten sie
vielleicht nicht einmal einen nachhaltigen Eindruck gemacht.

Die Rede des Herrn Bebel hatte auch diesesmal wieder eine sofortige Be¬
antwortung durch den Reichskanzler zur Folge. Es wird das hier und da be¬
dauert, weil das Relief Bebels dadurch nicht wenig gehoben werde, wenn jedesmal
der Reichskanzler persönlich gegen ihn in die Schranken trete, um auf die Bebelschen
Herausforderungen, die doch zum nicht geringen Teil nur hohle Phrasen sind, zu
antworten. Graf Bülow kann aber und konnte namentlich diesesmal kaum anders
handeln, erstens weil sich Bebel des Langem über das Verhältnis zu Rußland,
England und Japan verbreitet hatte, und weil serner im ganzen Reichstage kein
einziger Redner vorhanden ist, der Bebels rednerischen Ausschweifungen mit der
nötigen Energie und Autorität entgegenzutreten vermag. Für die Zusammen¬
setzung des Reichstags ist auch dieser Umstand charakteristisch. Es würde zweifellos
in jeder Beziehung richtiger und erwünschter sein, auch dem Auslande gegenüber,
wenn es die Redner aus den Mehrheitsparteien des Hauses, einschließlich des
Zentrums, übernahmen, die Bebelschen Irrlehren und Phraseologien vor dem Inlande
und dem Auslande richtig zu stellen und so namentlich diesem gegenüber keinen
Zweifel zu lassen, daß die sozialdemokratische Fraktion mit ihren Auffassungen in
absoluter Isolierung ist. Da das aber nicht oder wenigstens nicht mit der nötigen
Nachhaltigkeit und Autorität geschieht, so bleibt dem Reichskanzler nichts übrig, als
in die von den Mehrheitsparteien leider offen gelassene Lücke selbst einzuspringen.

Auffällig war in Bebels Rede der Versuch, eine Äußerung des Reichskanzlers
darüber herbeizuführen, ob und welche Abmachungen wir mit Rußland etwa
haben, eine Frage, an der das Ausland entschieden ein viel größeres Interesse
hat als die sozialdemokratische Reichstagsfraktion. Falls Abmachungen bestünden,
wären sie doch jedenfalls geheim und nicht dazu bestimmt, Herrn Bebel auf die
Nase gebunden zu werden. Daß Bebels Sympathien im russisch-japanischen Kriege
den Japanern gehören, ist selbstverständlich. Der Liberalismus in Deutschland bis
zu seinen fortgeschrittensten Schattierungen steht immer auf antirussischer Seite, mag
es sich dabei nun um Polen, Türken, Bulgaren oder Japaner handeln. Um so
mehr haben die andern Parteien Anlaß, sich ihre Haltung zu überlegen. Es ist
doch kaum zu vermeiden, daß diese grundsätzliche Stellung des deutschen Liberalismus
einschließlich der vom Reichskanzler mit Recht getadelten bedauerlichen Haltung
der Witzblätter in Rußland bei Regierenden und Regierten ein entsprechendes Echo
hervorruft. Über die Haltung eines Teils der russischen Presse hat sich schon
Kaiser Wilhelm der Erste in Privntbriefen an Kaiser Alexander den Zweiten be¬
klagt, und gewiß mit vollem Recht, weil diese Angriffe in der Mehrzahl grobe Ver¬
dächtigungen der deutschen Regierung und der deutschen Politik enthielten. Aber
die Presse in Rußland vermag sich zum größer» Teile nicht zu der Annahme auf¬
zuschwingen, daß die Haltung einer so großen Anzahl deutscher Zeitungen völlig
im Widerspruch zu den Anschauungen der Regierung stehn sollte, und sie wird in
dieser Auffassung bestärkt durch Behauptungen, wie sie auch im Reichstage laut
geworden sind, daß die deutsche Presse, mit Ausnahme der sozialdemokratischen,
mehr oder minder von der Regierung beeinflußt sei. Die Sozialdemokratie freilich
hat verschiedne Anlässe, so namentlich den Huller Vorgang, zu den bösartigsten
Hetzereien gegen Rußland benutzt, und der Reichskanzler hatte, wenn auch leichtes,
so doch sehr richtiges Spiel, als er alle die Absurditäten des Vorwärts usw. in das
helle Tageslicht zog. Ebenso daß er der sozialdemokratischen Forderung eines ge¬
harnischten Protestes gegen Rußland die Hoffnung entgegensetzte, daß die Herren


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[0655] Trübsalmelodie. Im Reichstage hatte verlautet, daß die Vertreter von Bayern, Sachsen und Württemberg am Bundesratstisch von ihren heimatlichen Regierungen beauftragt worden seien, die Note in der Trauersymphonie des Herrn von Stengel durch einige Paukenschläge über die Matrikularbeitrcige zu verstärken. Sollte die Absicht in der Tat vorhanden sein, so wird sich im neuen Jahre wohl noch eine geeignetere Gelegenheit bieten; in der Sturzwelle der ersten Lesung hatten sie vielleicht nicht einmal einen nachhaltigen Eindruck gemacht. Die Rede des Herrn Bebel hatte auch diesesmal wieder eine sofortige Be¬ antwortung durch den Reichskanzler zur Folge. Es wird das hier und da be¬ dauert, weil das Relief Bebels dadurch nicht wenig gehoben werde, wenn jedesmal der Reichskanzler persönlich gegen ihn in die Schranken trete, um auf die Bebelschen Herausforderungen, die doch zum nicht geringen Teil nur hohle Phrasen sind, zu antworten. Graf Bülow kann aber und konnte namentlich diesesmal kaum anders handeln, erstens weil sich Bebel des Langem über das Verhältnis zu Rußland, England und Japan verbreitet hatte, und weil serner im ganzen Reichstage kein einziger Redner vorhanden ist, der Bebels rednerischen Ausschweifungen mit der nötigen Energie und Autorität entgegenzutreten vermag. Für die Zusammen¬ setzung des Reichstags ist auch dieser Umstand charakteristisch. Es würde zweifellos in jeder Beziehung richtiger und erwünschter sein, auch dem Auslande gegenüber, wenn es die Redner aus den Mehrheitsparteien des Hauses, einschließlich des Zentrums, übernahmen, die Bebelschen Irrlehren und Phraseologien vor dem Inlande und dem Auslande richtig zu stellen und so namentlich diesem gegenüber keinen Zweifel zu lassen, daß die sozialdemokratische Fraktion mit ihren Auffassungen in absoluter Isolierung ist. Da das aber nicht oder wenigstens nicht mit der nötigen Nachhaltigkeit und Autorität geschieht, so bleibt dem Reichskanzler nichts übrig, als in die von den Mehrheitsparteien leider offen gelassene Lücke selbst einzuspringen. Auffällig war in Bebels Rede der Versuch, eine Äußerung des Reichskanzlers darüber herbeizuführen, ob und welche Abmachungen wir mit Rußland etwa haben, eine Frage, an der das Ausland entschieden ein viel größeres Interesse hat als die sozialdemokratische Reichstagsfraktion. Falls Abmachungen bestünden, wären sie doch jedenfalls geheim und nicht dazu bestimmt, Herrn Bebel auf die Nase gebunden zu werden. Daß Bebels Sympathien im russisch-japanischen Kriege den Japanern gehören, ist selbstverständlich. Der Liberalismus in Deutschland bis zu seinen fortgeschrittensten Schattierungen steht immer auf antirussischer Seite, mag es sich dabei nun um Polen, Türken, Bulgaren oder Japaner handeln. Um so mehr haben die andern Parteien Anlaß, sich ihre Haltung zu überlegen. Es ist doch kaum zu vermeiden, daß diese grundsätzliche Stellung des deutschen Liberalismus einschließlich der vom Reichskanzler mit Recht getadelten bedauerlichen Haltung der Witzblätter in Rußland bei Regierenden und Regierten ein entsprechendes Echo hervorruft. Über die Haltung eines Teils der russischen Presse hat sich schon Kaiser Wilhelm der Erste in Privntbriefen an Kaiser Alexander den Zweiten be¬ klagt, und gewiß mit vollem Recht, weil diese Angriffe in der Mehrzahl grobe Ver¬ dächtigungen der deutschen Regierung und der deutschen Politik enthielten. Aber die Presse in Rußland vermag sich zum größer» Teile nicht zu der Annahme auf¬ zuschwingen, daß die Haltung einer so großen Anzahl deutscher Zeitungen völlig im Widerspruch zu den Anschauungen der Regierung stehn sollte, und sie wird in dieser Auffassung bestärkt durch Behauptungen, wie sie auch im Reichstage laut geworden sind, daß die deutsche Presse, mit Ausnahme der sozialdemokratischen, mehr oder minder von der Regierung beeinflußt sei. Die Sozialdemokratie freilich hat verschiedne Anlässe, so namentlich den Huller Vorgang, zu den bösartigsten Hetzereien gegen Rußland benutzt, und der Reichskanzler hatte, wenn auch leichtes, so doch sehr richtiges Spiel, als er alle die Absurditäten des Vorwärts usw. in das helle Tageslicht zog. Ebenso daß er der sozialdemokratischen Forderung eines ge¬ harnischten Protestes gegen Rußland die Hoffnung entgegensetzte, daß die Herren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/655>, abgerufen am 01.10.2024.