Schlanke Dampfer mit den Flaggen aller Uferstaaten ziehn lange Rauchwimpel durch die Luft und weißschäumende Furchen durch die schimmernden Fluten des Sees, riesige Trajektschiffe mit ganzen Lastzügen an Bord schwimmen langsam nach Bregenz oder Lindau oder Rorschach, seemäßig gebaute Segler, mit Ziegeln oder Bauholz beladen, bieten ihre großen Raasegel dem Winde, weiße Möwen flattern über dem hellen Sandstrande des Rheindeltas. Die alte Römerstraße führte von Bregenz aus am Rande des Gebirgs, also auf dem rechten Rhein¬ ufer, nach dem Süden; aber eine zweite Linie ging seit dem frühen Mittelalter von Rorschach aus, das 947 Markt- und Münzrecht erhielt, auf dem linken Ufer ebenfalls am Rande des (Appenzeller) Gebirgs hin. Das breite Tal des Flusses selbst, dessen Regulierung noch heute nicht vollendet ist, war damals vermutlich größtenteils versumpft und beständig Überschwemmungen ausgesetzt. Noch heute überwiegen Wiesen und Sumpfstrecken zwischen kleinen Gehölze" und Obstbäumen das Ackerland, die Ortschaften liegen fast alle am Rande, und über ihnen ragen die Burgen, die einst diese Straßen deckten und beherrschten. Heute ziehn neben ihnen zwei Eisenbahnen, die österreichische von Bregenz aus am rechten, die schweizerische von Rorschach aus am linken Tnlrande, die sich schließlich bei Buochs vereinigen. Denn hier bei Buochs beginnt sich das Tal zu verengen, die Gebirgsrcinder werden höher; auf der westlichen Seite ragt über Buochs auf isolierten Kegel Schloß Werdenberg auf, der Stammsitz der Grafen von Werdenberg-Sargans, schräg gegenüber schimmert das Schloß Liechtenstein an der Bergwand hoch über dem Städtchen Vaduz. Endlich schwindet die Breite des Rheintals zwischen der Felswand des Mischer Berges rechts und den Abstürzen des mächtigen kahlen Görzer links auf die Strecke von kaum einem Kilometer zusammen, eine schmale Enge, die früher sicherlich völlig ver¬ sumpft und ungangbar war. Deshalb führt auch die alte Straße von Bregenz her nicht im Tale, sondern sie überschreitet mit dem Luzieusteig, der nach dem Apostel Untiers und dem Patron des Domes von Chur heißt, den Sattel zwischen dem Fläscher Berge und den grauen Felsenschroffcn des zackigen Falknis. Um diesen Punkt ist immer gefochten worden, wenn ein Feind von Vorarlberg in Graubünden eindringen wollte oder umgekehrt; noch im März 1799 eröffneten hier die Franzosen den zweiten Koalitionskrieg, indem sie den Luzieu¬ steig von Atzmoos im Rheintale her im Rücken faßten und die Österreicher "ach Chur hin zurückwarfen, und im Dreißigjährigen Kriege, als der Besitz der Graubündner Pässe der Preis des Kampfes zwischen den Franzosen und den Österreichern war, spielte der Luzieusteig eine große Rolle, ebenso im Schweizer¬ kriege von 1499. Ob er noch heute seinem alten Zwecke dienen würde? Wenn man die Straße von Mayenfeld, also von Süden, die zuletzt durch schöne" Wald führt, heraufkommt, so sieht man auf der Paßhöhe nur das Wirtshaus; die Festung liegt etwa einen Kilometer entfernt weiter abwärts. Sie kehrt ihre Front, ein Kronwerk, zwei Halbbastionen mit der Kurtine dazwischen, hinter einem trocknen Graben nordwärts und beherrscht die sich hier im Bogen senkende Straße nach Feldkirch vollständig; die Kehle wird durch Blockhäuser mit Reihen von Gewehrschießscharten geschlossen, die an den beiden Abhängen hinaufsteigen, auch weiter oben sieht man noch Mauern und Türme, rechts und links stehn
Auf rätischen Alpenstraßen
Schlanke Dampfer mit den Flaggen aller Uferstaaten ziehn lange Rauchwimpel durch die Luft und weißschäumende Furchen durch die schimmernden Fluten des Sees, riesige Trajektschiffe mit ganzen Lastzügen an Bord schwimmen langsam nach Bregenz oder Lindau oder Rorschach, seemäßig gebaute Segler, mit Ziegeln oder Bauholz beladen, bieten ihre großen Raasegel dem Winde, weiße Möwen flattern über dem hellen Sandstrande des Rheindeltas. Die alte Römerstraße führte von Bregenz aus am Rande des Gebirgs, also auf dem rechten Rhein¬ ufer, nach dem Süden; aber eine zweite Linie ging seit dem frühen Mittelalter von Rorschach aus, das 947 Markt- und Münzrecht erhielt, auf dem linken Ufer ebenfalls am Rande des (Appenzeller) Gebirgs hin. Das breite Tal des Flusses selbst, dessen Regulierung noch heute nicht vollendet ist, war damals vermutlich größtenteils versumpft und beständig Überschwemmungen ausgesetzt. Noch heute überwiegen Wiesen und Sumpfstrecken zwischen kleinen Gehölze» und Obstbäumen das Ackerland, die Ortschaften liegen fast alle am Rande, und über ihnen ragen die Burgen, die einst diese Straßen deckten und beherrschten. Heute ziehn neben ihnen zwei Eisenbahnen, die österreichische von Bregenz aus am rechten, die schweizerische von Rorschach aus am linken Tnlrande, die sich schließlich bei Buochs vereinigen. Denn hier bei Buochs beginnt sich das Tal zu verengen, die Gebirgsrcinder werden höher; auf der westlichen Seite ragt über Buochs auf isolierten Kegel Schloß Werdenberg auf, der Stammsitz der Grafen von Werdenberg-Sargans, schräg gegenüber schimmert das Schloß Liechtenstein an der Bergwand hoch über dem Städtchen Vaduz. Endlich schwindet die Breite des Rheintals zwischen der Felswand des Mischer Berges rechts und den Abstürzen des mächtigen kahlen Görzer links auf die Strecke von kaum einem Kilometer zusammen, eine schmale Enge, die früher sicherlich völlig ver¬ sumpft und ungangbar war. Deshalb führt auch die alte Straße von Bregenz her nicht im Tale, sondern sie überschreitet mit dem Luzieusteig, der nach dem Apostel Untiers und dem Patron des Domes von Chur heißt, den Sattel zwischen dem Fläscher Berge und den grauen Felsenschroffcn des zackigen Falknis. Um diesen Punkt ist immer gefochten worden, wenn ein Feind von Vorarlberg in Graubünden eindringen wollte oder umgekehrt; noch im März 1799 eröffneten hier die Franzosen den zweiten Koalitionskrieg, indem sie den Luzieu¬ steig von Atzmoos im Rheintale her im Rücken faßten und die Österreicher »ach Chur hin zurückwarfen, und im Dreißigjährigen Kriege, als der Besitz der Graubündner Pässe der Preis des Kampfes zwischen den Franzosen und den Österreichern war, spielte der Luzieusteig eine große Rolle, ebenso im Schweizer¬ kriege von 1499. Ob er noch heute seinem alten Zwecke dienen würde? Wenn man die Straße von Mayenfeld, also von Süden, die zuletzt durch schöne» Wald führt, heraufkommt, so sieht man auf der Paßhöhe nur das Wirtshaus; die Festung liegt etwa einen Kilometer entfernt weiter abwärts. Sie kehrt ihre Front, ein Kronwerk, zwei Halbbastionen mit der Kurtine dazwischen, hinter einem trocknen Graben nordwärts und beherrscht die sich hier im Bogen senkende Straße nach Feldkirch vollständig; die Kehle wird durch Blockhäuser mit Reihen von Gewehrschießscharten geschlossen, die an den beiden Abhängen hinaufsteigen, auch weiter oben sieht man noch Mauern und Türme, rechts und links stehn
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Auf rätischen Alpenstraßen
Schlanke Dampfer mit den Flaggen aller Uferstaaten ziehn lange Rauchwimpel
durch die Luft und weißschäumende Furchen durch die schimmernden Fluten des
Sees, riesige Trajektschiffe mit ganzen Lastzügen an Bord schwimmen langsam
nach Bregenz oder Lindau oder Rorschach, seemäßig gebaute Segler, mit Ziegeln
oder Bauholz beladen, bieten ihre großen Raasegel dem Winde, weiße Möwen
flattern über dem hellen Sandstrande des Rheindeltas. Die alte Römerstraße
führte von Bregenz aus am Rande des Gebirgs, also auf dem rechten Rhein¬
ufer, nach dem Süden; aber eine zweite Linie ging seit dem frühen Mittelalter
von Rorschach aus, das 947 Markt- und Münzrecht erhielt, auf dem linken
Ufer ebenfalls am Rande des (Appenzeller) Gebirgs hin. Das breite Tal des
Flusses selbst, dessen Regulierung noch heute nicht vollendet ist, war damals
vermutlich größtenteils versumpft und beständig Überschwemmungen ausgesetzt.
Noch heute überwiegen Wiesen und Sumpfstrecken zwischen kleinen Gehölze»
und Obstbäumen das Ackerland, die Ortschaften liegen fast alle am Rande, und
über ihnen ragen die Burgen, die einst diese Straßen deckten und beherrschten.
Heute ziehn neben ihnen zwei Eisenbahnen, die österreichische von Bregenz aus
am rechten, die schweizerische von Rorschach aus am linken Tnlrande, die sich
schließlich bei Buochs vereinigen. Denn hier bei Buochs beginnt sich das Tal zu
verengen, die Gebirgsrcinder werden höher; auf der westlichen Seite ragt über
Buochs auf isolierten Kegel Schloß Werdenberg auf, der Stammsitz der Grafen
von Werdenberg-Sargans, schräg gegenüber schimmert das Schloß Liechtenstein
an der Bergwand hoch über dem Städtchen Vaduz. Endlich schwindet die
Breite des Rheintals zwischen der Felswand des Mischer Berges rechts und
den Abstürzen des mächtigen kahlen Görzer links auf die Strecke von kaum
einem Kilometer zusammen, eine schmale Enge, die früher sicherlich völlig ver¬
sumpft und ungangbar war. Deshalb führt auch die alte Straße von Bregenz
her nicht im Tale, sondern sie überschreitet mit dem Luzieusteig, der nach dem
Apostel Untiers und dem Patron des Domes von Chur heißt, den Sattel
zwischen dem Fläscher Berge und den grauen Felsenschroffcn des zackigen
Falknis. Um diesen Punkt ist immer gefochten worden, wenn ein Feind von
Vorarlberg in Graubünden eindringen wollte oder umgekehrt; noch im März 1799
eröffneten hier die Franzosen den zweiten Koalitionskrieg, indem sie den Luzieu¬
steig von Atzmoos im Rheintale her im Rücken faßten und die Österreicher
»ach Chur hin zurückwarfen, und im Dreißigjährigen Kriege, als der Besitz der
Graubündner Pässe der Preis des Kampfes zwischen den Franzosen und den
Österreichern war, spielte der Luzieusteig eine große Rolle, ebenso im Schweizer¬
kriege von 1499. Ob er noch heute seinem alten Zwecke dienen würde? Wenn
man die Straße von Mayenfeld, also von Süden, die zuletzt durch schöne»
Wald führt, heraufkommt, so sieht man auf der Paßhöhe nur das Wirtshaus;
die Festung liegt etwa einen Kilometer entfernt weiter abwärts. Sie kehrt ihre
Front, ein Kronwerk, zwei Halbbastionen mit der Kurtine dazwischen, hinter
einem trocknen Graben nordwärts und beherrscht die sich hier im Bogen senkende
Straße nach Feldkirch vollständig; die Kehle wird durch Blockhäuser mit Reihen
von Gewehrschießscharten geschlossen, die an den beiden Abhängen hinaufsteigen,
auch weiter oben sieht man noch Mauern und Türme, rechts und links stehn
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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/623>, abgerufen am 07.01.2025.
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