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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

eine Erleichterung des Kriegführens und hat unter Umstanden für Freund und
Feind seine angenehmen Seiten. Über die im Lande stehenden Truppen sowie über
das Gardekorps waren jene jungen Burschen auffallend gut orientiert, sie wußten
über das erste Garderegiment in Potsdam und über das Regiment Gardes dn
Corps aus dem Munde älterer Kameraden, die dort gedient hatten, genau Bescheid.
So übt unser deutsches Heerwesen im Lande zwischen Rhein und Vogesen sowie
auch in Lothringen seine werbende Kraft, die Einheit des bürgerlichen Rechts wird
daneben viel von dem heute noch Fehlenden bewirken.

Der Umstand, daß die Rheinprovinzen ein von den alten Stammlanden der
preußischen Monarchie so wesentlich abweichendes Recht hatten, das sie immer wieder
nach Paris und Frankreich wies, hat zur Erschwerung der Verschmelzung außer¬
ordentlich beigetragen. Sodann war die werbende Kraft des Waffendienstes damals,
Während eines halbhundertjährigen Friedens und in den Formen jener Zeit, viel
geringer, als sie es heute ist. Aber ein Eindruck ist es vor allem, der sogar auf
einer nur kurzen Wanderung dem aufmerksamen Beobachter entgegentritt: man be¬
ginnt im Elsaß die Franzosen, zumal die das Land auf dem Automobil durch¬
rasenden, als Fremde anzusehen. Damit ist schon unendlich viel gewonnen,
vielleicht ist dies doch ein Segen, der aus der Saat der Paßverordnung entsprossen
ist -- ein später Kranz auf dem Grabe dieser viel kritisierten, zur gegebnen Zeit
aber eben so notwendigen wie nützlichen Maßnahme. Auch in den untern Schichten
stößt man, auch in ausgesprochen deutschen Dörfern, auf ältere Leute, die einer
deutschen Frage ein mürrisches eomxrsnäs xas entgegensetzen; zum Teil frühere fran¬
zösische Einwanderung oder solche, die aus Trotz nach 1870 nicht deutsch lernen
oder das Deutsche nicht anwenden wollten. Dergleichen ist unzertrennlich von einem
Übergangsstadium. Ebenso ist es selbstverständlich, daß Ärzte, Anwälte, Apotheker,
Kaufleute usw. sich mehr oder minder einer Zweisprachigkeit befleißigen. Es wäre
deshalb nicht richtig, gerade dies zum charakteristischen Kennzeichen der politischen
Situation des Landes zu machen. Wenn zum Beispiel die Gendarmen eines be¬
stimmten Distrikts erklären, die Bevölkerung sei so vortrefflich, daß im Laufe eines
Jahres kaum eine Verhaftung vorkäme, so würde ein solcher Zustand sogar die
Tatsache aufwiegen, daß diese ganze so gesittete Bevölkerung französisch spräche.
Fühlbar rauscht durch die breite Masse der Bevölkerung ein starker und mächtiger
Strom deutschen Lebens, und nur Deutschland würde die Schuld tragen, wenn er
auf die Dauer nicht befruchtend wirken sollte.

Die politische Bewegung, die sich zurzeit weniger in der Bevölkerung als bei
einer Anzahl von Leuten vollzieht, die als Parteiführer glänzen möchten und dazu
zugkräftiger Programme bedürfen, ist als ein Vorgang zu bewerten, der an sich
ohne größere Bedeutung und Tragweite ist, aber doch dadurch bemerkenswert, daß
er sich auf der Grundlage der Verfassung und der Zugehörigkeit zu Deutschland
vollzieht. Die Petita sind sehr verschieden. Es gibt Schwärmer für eine Erb¬
statthalterschaft, andre verlangen direkte Wahlen für die Volksvertretung, gelehrte
Theoretiker die Anerkennung Elsaß-Lothringens als eines selbständigen Reichsgliedes
mit eigner Vertretung im Bundesrat usw. Selbstverständlich gilt diesen Forderungen
gegenüber als oberster Grundsatz: das Reich kann und wird nichts konzedieren,
was auf die Errichtung eines neuen Kleinstaates an seiner Westgrenze hinausläuft.
Elsaß-Lothringen ist und bleibt xrovineia imxoiii. Es ist im Friedensvertrag "an
Se. Majestät den deutschen Kaiser" abgetreten. Dieser Kaiser kann nach der Ver¬
fassung einen Statthalter ernennen, absolut notwendig ist das nicht, aber ein "Erb-
statthalter" kann und wird das niemals sein. Auch die viel plausiblere Idee der
deutschen Dauphin?,, d. h. Elsaß-Lothringen zur Statthalterschaft des jedesmaligen
Reichskronprinzen zu machen, hat Bismarck fallen lassen müssen, weil der jedes¬
malige Kronprinz, falls ein solcher vorhanden ist, für diese Aufgabe nicht immer
und im besten Falle nur vorübergehend verfügbar gewesen sein würde. Jedenfalls
verdient es den Vorzug, daß sich der Kaiser aus bewährten und vertrauenswerten


Maßgebliches und Unmaßgebliches

eine Erleichterung des Kriegführens und hat unter Umstanden für Freund und
Feind seine angenehmen Seiten. Über die im Lande stehenden Truppen sowie über
das Gardekorps waren jene jungen Burschen auffallend gut orientiert, sie wußten
über das erste Garderegiment in Potsdam und über das Regiment Gardes dn
Corps aus dem Munde älterer Kameraden, die dort gedient hatten, genau Bescheid.
So übt unser deutsches Heerwesen im Lande zwischen Rhein und Vogesen sowie
auch in Lothringen seine werbende Kraft, die Einheit des bürgerlichen Rechts wird
daneben viel von dem heute noch Fehlenden bewirken.

Der Umstand, daß die Rheinprovinzen ein von den alten Stammlanden der
preußischen Monarchie so wesentlich abweichendes Recht hatten, das sie immer wieder
nach Paris und Frankreich wies, hat zur Erschwerung der Verschmelzung außer¬
ordentlich beigetragen. Sodann war die werbende Kraft des Waffendienstes damals,
Während eines halbhundertjährigen Friedens und in den Formen jener Zeit, viel
geringer, als sie es heute ist. Aber ein Eindruck ist es vor allem, der sogar auf
einer nur kurzen Wanderung dem aufmerksamen Beobachter entgegentritt: man be¬
ginnt im Elsaß die Franzosen, zumal die das Land auf dem Automobil durch¬
rasenden, als Fremde anzusehen. Damit ist schon unendlich viel gewonnen,
vielleicht ist dies doch ein Segen, der aus der Saat der Paßverordnung entsprossen
ist — ein später Kranz auf dem Grabe dieser viel kritisierten, zur gegebnen Zeit
aber eben so notwendigen wie nützlichen Maßnahme. Auch in den untern Schichten
stößt man, auch in ausgesprochen deutschen Dörfern, auf ältere Leute, die einer
deutschen Frage ein mürrisches eomxrsnäs xas entgegensetzen; zum Teil frühere fran¬
zösische Einwanderung oder solche, die aus Trotz nach 1870 nicht deutsch lernen
oder das Deutsche nicht anwenden wollten. Dergleichen ist unzertrennlich von einem
Übergangsstadium. Ebenso ist es selbstverständlich, daß Ärzte, Anwälte, Apotheker,
Kaufleute usw. sich mehr oder minder einer Zweisprachigkeit befleißigen. Es wäre
deshalb nicht richtig, gerade dies zum charakteristischen Kennzeichen der politischen
Situation des Landes zu machen. Wenn zum Beispiel die Gendarmen eines be¬
stimmten Distrikts erklären, die Bevölkerung sei so vortrefflich, daß im Laufe eines
Jahres kaum eine Verhaftung vorkäme, so würde ein solcher Zustand sogar die
Tatsache aufwiegen, daß diese ganze so gesittete Bevölkerung französisch spräche.
Fühlbar rauscht durch die breite Masse der Bevölkerung ein starker und mächtiger
Strom deutschen Lebens, und nur Deutschland würde die Schuld tragen, wenn er
auf die Dauer nicht befruchtend wirken sollte.

Die politische Bewegung, die sich zurzeit weniger in der Bevölkerung als bei
einer Anzahl von Leuten vollzieht, die als Parteiführer glänzen möchten und dazu
zugkräftiger Programme bedürfen, ist als ein Vorgang zu bewerten, der an sich
ohne größere Bedeutung und Tragweite ist, aber doch dadurch bemerkenswert, daß
er sich auf der Grundlage der Verfassung und der Zugehörigkeit zu Deutschland
vollzieht. Die Petita sind sehr verschieden. Es gibt Schwärmer für eine Erb¬
statthalterschaft, andre verlangen direkte Wahlen für die Volksvertretung, gelehrte
Theoretiker die Anerkennung Elsaß-Lothringens als eines selbständigen Reichsgliedes
mit eigner Vertretung im Bundesrat usw. Selbstverständlich gilt diesen Forderungen
gegenüber als oberster Grundsatz: das Reich kann und wird nichts konzedieren,
was auf die Errichtung eines neuen Kleinstaates an seiner Westgrenze hinausläuft.
Elsaß-Lothringen ist und bleibt xrovineia imxoiii. Es ist im Friedensvertrag „an
Se. Majestät den deutschen Kaiser" abgetreten. Dieser Kaiser kann nach der Ver¬
fassung einen Statthalter ernennen, absolut notwendig ist das nicht, aber ein „Erb-
statthalter" kann und wird das niemals sein. Auch die viel plausiblere Idee der
deutschen Dauphin?,, d. h. Elsaß-Lothringen zur Statthalterschaft des jedesmaligen
Reichskronprinzen zu machen, hat Bismarck fallen lassen müssen, weil der jedes¬
malige Kronprinz, falls ein solcher vorhanden ist, für diese Aufgabe nicht immer
und im besten Falle nur vorübergehend verfügbar gewesen sein würde. Jedenfalls
verdient es den Vorzug, daß sich der Kaiser aus bewährten und vertrauenswerten


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[0061] Maßgebliches und Unmaßgebliches eine Erleichterung des Kriegführens und hat unter Umstanden für Freund und Feind seine angenehmen Seiten. Über die im Lande stehenden Truppen sowie über das Gardekorps waren jene jungen Burschen auffallend gut orientiert, sie wußten über das erste Garderegiment in Potsdam und über das Regiment Gardes dn Corps aus dem Munde älterer Kameraden, die dort gedient hatten, genau Bescheid. So übt unser deutsches Heerwesen im Lande zwischen Rhein und Vogesen sowie auch in Lothringen seine werbende Kraft, die Einheit des bürgerlichen Rechts wird daneben viel von dem heute noch Fehlenden bewirken. Der Umstand, daß die Rheinprovinzen ein von den alten Stammlanden der preußischen Monarchie so wesentlich abweichendes Recht hatten, das sie immer wieder nach Paris und Frankreich wies, hat zur Erschwerung der Verschmelzung außer¬ ordentlich beigetragen. Sodann war die werbende Kraft des Waffendienstes damals, Während eines halbhundertjährigen Friedens und in den Formen jener Zeit, viel geringer, als sie es heute ist. Aber ein Eindruck ist es vor allem, der sogar auf einer nur kurzen Wanderung dem aufmerksamen Beobachter entgegentritt: man be¬ ginnt im Elsaß die Franzosen, zumal die das Land auf dem Automobil durch¬ rasenden, als Fremde anzusehen. Damit ist schon unendlich viel gewonnen, vielleicht ist dies doch ein Segen, der aus der Saat der Paßverordnung entsprossen ist — ein später Kranz auf dem Grabe dieser viel kritisierten, zur gegebnen Zeit aber eben so notwendigen wie nützlichen Maßnahme. Auch in den untern Schichten stößt man, auch in ausgesprochen deutschen Dörfern, auf ältere Leute, die einer deutschen Frage ein mürrisches eomxrsnäs xas entgegensetzen; zum Teil frühere fran¬ zösische Einwanderung oder solche, die aus Trotz nach 1870 nicht deutsch lernen oder das Deutsche nicht anwenden wollten. Dergleichen ist unzertrennlich von einem Übergangsstadium. Ebenso ist es selbstverständlich, daß Ärzte, Anwälte, Apotheker, Kaufleute usw. sich mehr oder minder einer Zweisprachigkeit befleißigen. Es wäre deshalb nicht richtig, gerade dies zum charakteristischen Kennzeichen der politischen Situation des Landes zu machen. Wenn zum Beispiel die Gendarmen eines be¬ stimmten Distrikts erklären, die Bevölkerung sei so vortrefflich, daß im Laufe eines Jahres kaum eine Verhaftung vorkäme, so würde ein solcher Zustand sogar die Tatsache aufwiegen, daß diese ganze so gesittete Bevölkerung französisch spräche. Fühlbar rauscht durch die breite Masse der Bevölkerung ein starker und mächtiger Strom deutschen Lebens, und nur Deutschland würde die Schuld tragen, wenn er auf die Dauer nicht befruchtend wirken sollte. Die politische Bewegung, die sich zurzeit weniger in der Bevölkerung als bei einer Anzahl von Leuten vollzieht, die als Parteiführer glänzen möchten und dazu zugkräftiger Programme bedürfen, ist als ein Vorgang zu bewerten, der an sich ohne größere Bedeutung und Tragweite ist, aber doch dadurch bemerkenswert, daß er sich auf der Grundlage der Verfassung und der Zugehörigkeit zu Deutschland vollzieht. Die Petita sind sehr verschieden. Es gibt Schwärmer für eine Erb¬ statthalterschaft, andre verlangen direkte Wahlen für die Volksvertretung, gelehrte Theoretiker die Anerkennung Elsaß-Lothringens als eines selbständigen Reichsgliedes mit eigner Vertretung im Bundesrat usw. Selbstverständlich gilt diesen Forderungen gegenüber als oberster Grundsatz: das Reich kann und wird nichts konzedieren, was auf die Errichtung eines neuen Kleinstaates an seiner Westgrenze hinausläuft. Elsaß-Lothringen ist und bleibt xrovineia imxoiii. Es ist im Friedensvertrag „an Se. Majestät den deutschen Kaiser" abgetreten. Dieser Kaiser kann nach der Ver¬ fassung einen Statthalter ernennen, absolut notwendig ist das nicht, aber ein „Erb- statthalter" kann und wird das niemals sein. Auch die viel plausiblere Idee der deutschen Dauphin?,, d. h. Elsaß-Lothringen zur Statthalterschaft des jedesmaligen Reichskronprinzen zu machen, hat Bismarck fallen lassen müssen, weil der jedes¬ malige Kronprinz, falls ein solcher vorhanden ist, für diese Aufgabe nicht immer und im besten Falle nur vorübergehend verfügbar gewesen sein würde. Jedenfalls verdient es den Vorzug, daß sich der Kaiser aus bewährten und vertrauenswerten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/61>, abgerufen am 23.07.2024.