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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Aonstantinopolitanische Reiseerlebnisse

Fülle von kleinern Kuppeln und Halbkuppeln, die wie Trabanten die große um¬
geben, die Bogen, Nischen und Wölbungen, die Säulenreihen mit den prachtvollen
Durchblicken nach allen Seiten hin, die sich bei jedem Schritte verändern, die
Fülle gutverteilten Lichts, das alle Räume durchdringt, die ruhige Großheit der
ganzen Anlage, die Pracht der Ausstattung, der glänzende Marmor und die
Mosaiken, die feine Ausarbeitung der Säulenkapitelle und des sonstigen architek¬
tonischen Details, alles das bringt eine magische, eine fast traumhafte Wirkung
hervor auf den, der zum erstenmal in dieses von gelblichem Glänze durchflutete
Heiligtum, wie in den Himmel selbst, hineintritt.

Freilich hat der Islam auch dem Innern dieses großartigsten Gotteshauses
der Erde seine verwüstenden, unschönen Spuren aufgedrückt. Als in den vierziger
Jahren des neunzehnten Jahrhunderts zum Zweck einer Restauration der Kalkbewurf
abgeschlagen wurde, da kamen die kostbare Marmortäfelung, die strahlenden Mosaiken
auf goldigem Grunde, die Bilder der Madonna und der Heiligen wieder zutage.
Von dem Italiener Fossali wurden alle diese Herrlichkeiten gemein aufgenommen
und veröffentlicht, bevor sie wieder mit Kalk überzogen wurden. Aber noch jetzt
treten unter diesem entehrenden Kleide in den Galerien und Seitenschiffen gro߬
zügige Gestalten von Heiligen und Propheten hervor. In den Zwickeln unter
der Hauptkuppel sind noch die sechsfach geflügelten Cherubim zu sehen, doch ihre
Köpfe sind verschmiert. In der Apsis aber schimmert die gewaltige Gestalt Christi
"des Allmächtigen," der unter dem Kalküberzug noch immer mit ausgebreiteten
Armen zu sich ladet. So oft auch die Tünche erneuert worden ist, immer wieder
sind die Umrisse des Erlösers hervorgetreten, eine Vorbedeutung, daß er einst
wieder einziehn wird in das Heiligtum, aus dem er vertrieben worden ist. An Stelle
des ehemaligen künstlerischen Kirchenschmucks sind runde, grüne Schilde getreten, auf
denen in riesigen goldnen Buchstaben bis zu neun Meter Höhe die Namen Allahs,
Mohammeds und seiner Gefährten prangen. Dazu plumpe eiserne Kronleuchter
an kaum sichtbaren Drähten, gläserne Lampen, Straußeneier, Büschel aus Rausch¬
gold, barbarischer Flitterkram, der nicht erträglicher wird, wenn man weiß, daß
die Lampen die Fixsterne, die Straußeneier die Planeten und das Rauschgold die
Kometen bedeuten. Das Schlimmste aber ist, daß die Nische, die die Richtung
nach Mekka angibt, nicht in der Mitte der Apsis, wo ehemals der Hochaltar
stand, sondern etwas seitwärts angebracht ist, und daß dementsprechend alle den
Fußboden bedeckenden Teppiche schräg gelegt sind, wodurch jedes künstlerische Gefühl
aufs äußerste verletzt werden muß. Man muß sich also diese schreiende Disharmonie
erst wegdenken lernen, ehe man zum vollen Genuß gelangt.

In dem Mittelraum sehen wir noch marmorne Eheraten für Prediger, Koran¬
leser, Gebetsrufer sowie die von goldnem Gitterwerk umzogne Sultansloge. Ihr
gegenüber führt an dem Kuppelpfeiler zur Rechten eine schmale steile Treppe zu
dem sogenannten "Minder" hinauf, der mit einem Spitzturm gedeckten Kanzel,
von der die großen Freitagspredigten gehalten werden. Zwei kleine Fahnen
wehen auf ihr als Zeichen des Sieges über Synagoge und Kirche, und mit einem
bloßen Schwert in der Hand besteigt sie der "Chatib" (Prediger) als sichtbares
Zeichen, daß die Moschee durch Eroberung dem Glauben gewonnen worden ist.

Während wir staunend in diesem Gotteshause umherwandelten mit der Schen,
die einen in dem Heiligtum einer fremden Religion nie verläßt, und außerdem
von einem uns scharf beobachtenden Moscheediener begleitet, verrichtete eine Ab¬
teilung Soldaten, kniend und in regelmäßigen Pausen den Kopf auf den Boden
stemmend, ihr Gebet, und in einer Ecke saß ein Lehrer auf einem Wollsacke und
paukte den um ihn bockender Schülern Koransuren ein. Unser Führer Dellio er¬
zählte uns mit leiser Stimme, daß hier in diesem Raume am Tage der Er¬
oberung (29. Mai 1453) fünftausend Menschen "geschnitten" worden seien. Er
uns much in ein Seitenschiff, wo in ziemlicher Höhe neben einer Säule
' endlich der Abklatsch einer Hand zu sehen war. Hier ritt der Eroberer hoch auf


Aonstantinopolitanische Reiseerlebnisse

Fülle von kleinern Kuppeln und Halbkuppeln, die wie Trabanten die große um¬
geben, die Bogen, Nischen und Wölbungen, die Säulenreihen mit den prachtvollen
Durchblicken nach allen Seiten hin, die sich bei jedem Schritte verändern, die
Fülle gutverteilten Lichts, das alle Räume durchdringt, die ruhige Großheit der
ganzen Anlage, die Pracht der Ausstattung, der glänzende Marmor und die
Mosaiken, die feine Ausarbeitung der Säulenkapitelle und des sonstigen architek¬
tonischen Details, alles das bringt eine magische, eine fast traumhafte Wirkung
hervor auf den, der zum erstenmal in dieses von gelblichem Glänze durchflutete
Heiligtum, wie in den Himmel selbst, hineintritt.

Freilich hat der Islam auch dem Innern dieses großartigsten Gotteshauses
der Erde seine verwüstenden, unschönen Spuren aufgedrückt. Als in den vierziger
Jahren des neunzehnten Jahrhunderts zum Zweck einer Restauration der Kalkbewurf
abgeschlagen wurde, da kamen die kostbare Marmortäfelung, die strahlenden Mosaiken
auf goldigem Grunde, die Bilder der Madonna und der Heiligen wieder zutage.
Von dem Italiener Fossali wurden alle diese Herrlichkeiten gemein aufgenommen
und veröffentlicht, bevor sie wieder mit Kalk überzogen wurden. Aber noch jetzt
treten unter diesem entehrenden Kleide in den Galerien und Seitenschiffen gro߬
zügige Gestalten von Heiligen und Propheten hervor. In den Zwickeln unter
der Hauptkuppel sind noch die sechsfach geflügelten Cherubim zu sehen, doch ihre
Köpfe sind verschmiert. In der Apsis aber schimmert die gewaltige Gestalt Christi
„des Allmächtigen," der unter dem Kalküberzug noch immer mit ausgebreiteten
Armen zu sich ladet. So oft auch die Tünche erneuert worden ist, immer wieder
sind die Umrisse des Erlösers hervorgetreten, eine Vorbedeutung, daß er einst
wieder einziehn wird in das Heiligtum, aus dem er vertrieben worden ist. An Stelle
des ehemaligen künstlerischen Kirchenschmucks sind runde, grüne Schilde getreten, auf
denen in riesigen goldnen Buchstaben bis zu neun Meter Höhe die Namen Allahs,
Mohammeds und seiner Gefährten prangen. Dazu plumpe eiserne Kronleuchter
an kaum sichtbaren Drähten, gläserne Lampen, Straußeneier, Büschel aus Rausch¬
gold, barbarischer Flitterkram, der nicht erträglicher wird, wenn man weiß, daß
die Lampen die Fixsterne, die Straußeneier die Planeten und das Rauschgold die
Kometen bedeuten. Das Schlimmste aber ist, daß die Nische, die die Richtung
nach Mekka angibt, nicht in der Mitte der Apsis, wo ehemals der Hochaltar
stand, sondern etwas seitwärts angebracht ist, und daß dementsprechend alle den
Fußboden bedeckenden Teppiche schräg gelegt sind, wodurch jedes künstlerische Gefühl
aufs äußerste verletzt werden muß. Man muß sich also diese schreiende Disharmonie
erst wegdenken lernen, ehe man zum vollen Genuß gelangt.

In dem Mittelraum sehen wir noch marmorne Eheraten für Prediger, Koran¬
leser, Gebetsrufer sowie die von goldnem Gitterwerk umzogne Sultansloge. Ihr
gegenüber führt an dem Kuppelpfeiler zur Rechten eine schmale steile Treppe zu
dem sogenannten „Minder" hinauf, der mit einem Spitzturm gedeckten Kanzel,
von der die großen Freitagspredigten gehalten werden. Zwei kleine Fahnen
wehen auf ihr als Zeichen des Sieges über Synagoge und Kirche, und mit einem
bloßen Schwert in der Hand besteigt sie der „Chatib" (Prediger) als sichtbares
Zeichen, daß die Moschee durch Eroberung dem Glauben gewonnen worden ist.

Während wir staunend in diesem Gotteshause umherwandelten mit der Schen,
die einen in dem Heiligtum einer fremden Religion nie verläßt, und außerdem
von einem uns scharf beobachtenden Moscheediener begleitet, verrichtete eine Ab¬
teilung Soldaten, kniend und in regelmäßigen Pausen den Kopf auf den Boden
stemmend, ihr Gebet, und in einer Ecke saß ein Lehrer auf einem Wollsacke und
paukte den um ihn bockender Schülern Koransuren ein. Unser Führer Dellio er¬
zählte uns mit leiser Stimme, daß hier in diesem Raume am Tage der Er¬
oberung (29. Mai 1453) fünftausend Menschen „geschnitten" worden seien. Er
uns much in ein Seitenschiff, wo in ziemlicher Höhe neben einer Säule
' endlich der Abklatsch einer Hand zu sehen war. Hier ritt der Eroberer hoch auf


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[0582] Aonstantinopolitanische Reiseerlebnisse Fülle von kleinern Kuppeln und Halbkuppeln, die wie Trabanten die große um¬ geben, die Bogen, Nischen und Wölbungen, die Säulenreihen mit den prachtvollen Durchblicken nach allen Seiten hin, die sich bei jedem Schritte verändern, die Fülle gutverteilten Lichts, das alle Räume durchdringt, die ruhige Großheit der ganzen Anlage, die Pracht der Ausstattung, der glänzende Marmor und die Mosaiken, die feine Ausarbeitung der Säulenkapitelle und des sonstigen architek¬ tonischen Details, alles das bringt eine magische, eine fast traumhafte Wirkung hervor auf den, der zum erstenmal in dieses von gelblichem Glänze durchflutete Heiligtum, wie in den Himmel selbst, hineintritt. Freilich hat der Islam auch dem Innern dieses großartigsten Gotteshauses der Erde seine verwüstenden, unschönen Spuren aufgedrückt. Als in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts zum Zweck einer Restauration der Kalkbewurf abgeschlagen wurde, da kamen die kostbare Marmortäfelung, die strahlenden Mosaiken auf goldigem Grunde, die Bilder der Madonna und der Heiligen wieder zutage. Von dem Italiener Fossali wurden alle diese Herrlichkeiten gemein aufgenommen und veröffentlicht, bevor sie wieder mit Kalk überzogen wurden. Aber noch jetzt treten unter diesem entehrenden Kleide in den Galerien und Seitenschiffen gro߬ zügige Gestalten von Heiligen und Propheten hervor. In den Zwickeln unter der Hauptkuppel sind noch die sechsfach geflügelten Cherubim zu sehen, doch ihre Köpfe sind verschmiert. In der Apsis aber schimmert die gewaltige Gestalt Christi „des Allmächtigen," der unter dem Kalküberzug noch immer mit ausgebreiteten Armen zu sich ladet. So oft auch die Tünche erneuert worden ist, immer wieder sind die Umrisse des Erlösers hervorgetreten, eine Vorbedeutung, daß er einst wieder einziehn wird in das Heiligtum, aus dem er vertrieben worden ist. An Stelle des ehemaligen künstlerischen Kirchenschmucks sind runde, grüne Schilde getreten, auf denen in riesigen goldnen Buchstaben bis zu neun Meter Höhe die Namen Allahs, Mohammeds und seiner Gefährten prangen. Dazu plumpe eiserne Kronleuchter an kaum sichtbaren Drähten, gläserne Lampen, Straußeneier, Büschel aus Rausch¬ gold, barbarischer Flitterkram, der nicht erträglicher wird, wenn man weiß, daß die Lampen die Fixsterne, die Straußeneier die Planeten und das Rauschgold die Kometen bedeuten. Das Schlimmste aber ist, daß die Nische, die die Richtung nach Mekka angibt, nicht in der Mitte der Apsis, wo ehemals der Hochaltar stand, sondern etwas seitwärts angebracht ist, und daß dementsprechend alle den Fußboden bedeckenden Teppiche schräg gelegt sind, wodurch jedes künstlerische Gefühl aufs äußerste verletzt werden muß. Man muß sich also diese schreiende Disharmonie erst wegdenken lernen, ehe man zum vollen Genuß gelangt. In dem Mittelraum sehen wir noch marmorne Eheraten für Prediger, Koran¬ leser, Gebetsrufer sowie die von goldnem Gitterwerk umzogne Sultansloge. Ihr gegenüber führt an dem Kuppelpfeiler zur Rechten eine schmale steile Treppe zu dem sogenannten „Minder" hinauf, der mit einem Spitzturm gedeckten Kanzel, von der die großen Freitagspredigten gehalten werden. Zwei kleine Fahnen wehen auf ihr als Zeichen des Sieges über Synagoge und Kirche, und mit einem bloßen Schwert in der Hand besteigt sie der „Chatib" (Prediger) als sichtbares Zeichen, daß die Moschee durch Eroberung dem Glauben gewonnen worden ist. Während wir staunend in diesem Gotteshause umherwandelten mit der Schen, die einen in dem Heiligtum einer fremden Religion nie verläßt, und außerdem von einem uns scharf beobachtenden Moscheediener begleitet, verrichtete eine Ab¬ teilung Soldaten, kniend und in regelmäßigen Pausen den Kopf auf den Boden stemmend, ihr Gebet, und in einer Ecke saß ein Lehrer auf einem Wollsacke und paukte den um ihn bockender Schülern Koransuren ein. Unser Führer Dellio er¬ zählte uns mit leiser Stimme, daß hier in diesem Raume am Tage der Er¬ oberung (29. Mai 1453) fünftausend Menschen „geschnitten" worden seien. Er uns much in ein Seitenschiff, wo in ziemlicher Höhe neben einer Säule ' endlich der Abklatsch einer Hand zu sehen war. Hier ritt der Eroberer hoch auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/582>, abgerufen am 23.07.2024.