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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Aonstantinoxolitanische Reiseerlebnisse

Strapazen vorerst einmal zu stärken, denn wir hatten noch keinen Bissen gegessen.
Die Besatzung und die Bedienung auf den russischen Schiffen sprechen keine andre
Sprache als eben russisch, und unser Deutschrnsse wurde durch diesen Umstand plötzlich
zur meistbegehrten Persönlichkeit unsrer ganzen Gesellschaft, indem er die Vermittlung
zwischen unserm hungernden Magen und der Küche übernahm. So hat die gewaltsame
Russifizierung der Ostseeprovinzen auch ihre gute Seite. Ohne sie hätte unser Balle
ebenso hilflos dagestanden wie wir selbst. Nun konnten Wir erhalten, was unser
Herz begehrte, nämlich thal, Tee in Gläsern, aus Extrakt und heißem Wasser bereitet,
und Butter, zum erstenmal wieder seit drei Monaten gute nordische Butter, ein
wahrer Hochgenuß.

Während wir in dem halbdunkeln Raume am Frühstückstische saßen, fiel uns
auf, daß die Kabinen ringsum alle dicht belegt sein mußten, und zwar, wie es
schien, ausschließlich mit weiblichen Wesen. Wir hörten hinter den Türen Geschwätz
und Gelächter, und wenn sich zufällig eine öffnete, so erblickten wir Kleider und
ähnliche Dinge, ja einmal glitt eine tiefverschleierte Türkin rasch und scheu an uns
vorüber in ihre Zelle. Überhaupt war das Schiff sehr stark besetzt. Als ich wieder
an Deck kam, war kaum ein Platz zu bekommen, und es mußte in drei Abteilungen
gegessen werden, um elf, um eins und um drei Uhr. Ich fühlte vor allem das
unbezwingliche Bedürfnis zu schlafen, was nach den Anstrengungen der trojanischen
Tage und der Unrnhe der letzten Nacht in der Dardanellenstadt gewiß berechtigt
war. Aber wo? Nachdem ich lange vergeblich nach einem geeigneten Schlafplatz
gesucht hatte, legte ich mich auf den erhöhten, nach beiden Seiten leichtgeneigten
schrägen vor der ersten Kajüte, obwohl auf ihm schon einige Gestalten saßen oder
kauerten. Ich breitete den Mantel aus, schob die gerollte Wolldecke unter den
Kopf, stopfte mir, wie weiland Odysseus, das mich auf allen Reisen begleitende
Wachs in die Ohren und schlief ungeachtet alles Lärms sofort ein; denn die gemi߬
handelte Natur verlangte gebieterisch ihr Recht.

Aber schon nach einer Viertelstunde etwa wurde ich wieder infolge einer mehr¬
maligen kräftigen Berührung meiner rechten Seite geweckt. Es war mir, als ob
in Pansen etwas an oder auf meinen Leib gepreßt werde. Entrüstet richtete ich
mich in die Höhe und sah einen frommen Mohammedaner, der dicht neben mir
einen kleinen Teppich ausgebreitet hatte und darauf seine Gebetsübungen verrichtete.
Dabei stemmte er sei" befestes Haupt, wenn er es ehrfürchtig niederbeugte, statt
auf den Boden jedesmal gegen meinen Leib. Wer von meinen Lesern ist je auf
diese Weise aus dem Schlafe geweckt worden?

Ich verzichtete begreiflicherweise, um nicht weitern Berührungen mit moslemi-
tischen Köpfen ausgesetzt zu sei", auf die Fortsetzung meines Schlafes, erhob mich
ärgerlich, schob mein Gepäck an einer möglichst sichern Stelle zusammen und sah
mir nun erst die Gegend an. Wir fuhren an dem ziemlich öden europäischen Ufer
des Hellespontes dahin und näherten uns einem auf einer Klippe erbnuteu Leucht¬
türme und einem ziemlich wüst aussehenden, größtenteils aus Holzhäusern bestehenden
Orte. Es war Gallipoli, die erste europäische Stadt, die den Osmanen in die
Hände fiel. Gegenüber am asiatischen Ufer sahen wir undeutlich das im Altertum
durch seinen orgiastischen Priapuskultus übel berüchtigte Lampsakus. Und dann
tat sich das weite blaue Marmarnmeer vor uns auf mit der gleichnamigen Felsen¬
insel, die wir rechts liegen ließen.

Während ich in Schauen versunken dastand, sprach mich ein wohlgekleideter
Herr deutsch an, fragte mich nach dem Wohin und Woher unsrer Reise und interessierte
sich so für Troja und die dortigen Wege- und Unterkunftsverhältnisse, daß ich
schon anfing, ihn für eine Art archäologischen Kollegen zu halten, bis er mir seine
Karte überreichte. Er war Hoteldragoman in Konstantinopel und pflegte Einzel¬
reisende und kleinere Gesellschaften auf ihren Ausflügen zu begleiten. Nach Troja
war er noch nie gekommen und hatte nicht übel Lust, auch dorthin einmal eine
Partie zu arrangieren. Ich mußte ihm jedoch wegen der Schwierigkeit der


Aonstantinoxolitanische Reiseerlebnisse

Strapazen vorerst einmal zu stärken, denn wir hatten noch keinen Bissen gegessen.
Die Besatzung und die Bedienung auf den russischen Schiffen sprechen keine andre
Sprache als eben russisch, und unser Deutschrnsse wurde durch diesen Umstand plötzlich
zur meistbegehrten Persönlichkeit unsrer ganzen Gesellschaft, indem er die Vermittlung
zwischen unserm hungernden Magen und der Küche übernahm. So hat die gewaltsame
Russifizierung der Ostseeprovinzen auch ihre gute Seite. Ohne sie hätte unser Balle
ebenso hilflos dagestanden wie wir selbst. Nun konnten Wir erhalten, was unser
Herz begehrte, nämlich thal, Tee in Gläsern, aus Extrakt und heißem Wasser bereitet,
und Butter, zum erstenmal wieder seit drei Monaten gute nordische Butter, ein
wahrer Hochgenuß.

Während wir in dem halbdunkeln Raume am Frühstückstische saßen, fiel uns
auf, daß die Kabinen ringsum alle dicht belegt sein mußten, und zwar, wie es
schien, ausschließlich mit weiblichen Wesen. Wir hörten hinter den Türen Geschwätz
und Gelächter, und wenn sich zufällig eine öffnete, so erblickten wir Kleider und
ähnliche Dinge, ja einmal glitt eine tiefverschleierte Türkin rasch und scheu an uns
vorüber in ihre Zelle. Überhaupt war das Schiff sehr stark besetzt. Als ich wieder
an Deck kam, war kaum ein Platz zu bekommen, und es mußte in drei Abteilungen
gegessen werden, um elf, um eins und um drei Uhr. Ich fühlte vor allem das
unbezwingliche Bedürfnis zu schlafen, was nach den Anstrengungen der trojanischen
Tage und der Unrnhe der letzten Nacht in der Dardanellenstadt gewiß berechtigt
war. Aber wo? Nachdem ich lange vergeblich nach einem geeigneten Schlafplatz
gesucht hatte, legte ich mich auf den erhöhten, nach beiden Seiten leichtgeneigten
schrägen vor der ersten Kajüte, obwohl auf ihm schon einige Gestalten saßen oder
kauerten. Ich breitete den Mantel aus, schob die gerollte Wolldecke unter den
Kopf, stopfte mir, wie weiland Odysseus, das mich auf allen Reisen begleitende
Wachs in die Ohren und schlief ungeachtet alles Lärms sofort ein; denn die gemi߬
handelte Natur verlangte gebieterisch ihr Recht.

Aber schon nach einer Viertelstunde etwa wurde ich wieder infolge einer mehr¬
maligen kräftigen Berührung meiner rechten Seite geweckt. Es war mir, als ob
in Pansen etwas an oder auf meinen Leib gepreßt werde. Entrüstet richtete ich
mich in die Höhe und sah einen frommen Mohammedaner, der dicht neben mir
einen kleinen Teppich ausgebreitet hatte und darauf seine Gebetsübungen verrichtete.
Dabei stemmte er sei» befestes Haupt, wenn er es ehrfürchtig niederbeugte, statt
auf den Boden jedesmal gegen meinen Leib. Wer von meinen Lesern ist je auf
diese Weise aus dem Schlafe geweckt worden?

Ich verzichtete begreiflicherweise, um nicht weitern Berührungen mit moslemi-
tischen Köpfen ausgesetzt zu sei», auf die Fortsetzung meines Schlafes, erhob mich
ärgerlich, schob mein Gepäck an einer möglichst sichern Stelle zusammen und sah
mir nun erst die Gegend an. Wir fuhren an dem ziemlich öden europäischen Ufer
des Hellespontes dahin und näherten uns einem auf einer Klippe erbnuteu Leucht¬
türme und einem ziemlich wüst aussehenden, größtenteils aus Holzhäusern bestehenden
Orte. Es war Gallipoli, die erste europäische Stadt, die den Osmanen in die
Hände fiel. Gegenüber am asiatischen Ufer sahen wir undeutlich das im Altertum
durch seinen orgiastischen Priapuskultus übel berüchtigte Lampsakus. Und dann
tat sich das weite blaue Marmarnmeer vor uns auf mit der gleichnamigen Felsen¬
insel, die wir rechts liegen ließen.

Während ich in Schauen versunken dastand, sprach mich ein wohlgekleideter
Herr deutsch an, fragte mich nach dem Wohin und Woher unsrer Reise und interessierte
sich so für Troja und die dortigen Wege- und Unterkunftsverhältnisse, daß ich
schon anfing, ihn für eine Art archäologischen Kollegen zu halten, bis er mir seine
Karte überreichte. Er war Hoteldragoman in Konstantinopel und pflegte Einzel¬
reisende und kleinere Gesellschaften auf ihren Ausflügen zu begleiten. Nach Troja
war er noch nie gekommen und hatte nicht übel Lust, auch dorthin einmal eine
Partie zu arrangieren. Ich mußte ihm jedoch wegen der Schwierigkeit der


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[0515] Aonstantinoxolitanische Reiseerlebnisse Strapazen vorerst einmal zu stärken, denn wir hatten noch keinen Bissen gegessen. Die Besatzung und die Bedienung auf den russischen Schiffen sprechen keine andre Sprache als eben russisch, und unser Deutschrnsse wurde durch diesen Umstand plötzlich zur meistbegehrten Persönlichkeit unsrer ganzen Gesellschaft, indem er die Vermittlung zwischen unserm hungernden Magen und der Küche übernahm. So hat die gewaltsame Russifizierung der Ostseeprovinzen auch ihre gute Seite. Ohne sie hätte unser Balle ebenso hilflos dagestanden wie wir selbst. Nun konnten Wir erhalten, was unser Herz begehrte, nämlich thal, Tee in Gläsern, aus Extrakt und heißem Wasser bereitet, und Butter, zum erstenmal wieder seit drei Monaten gute nordische Butter, ein wahrer Hochgenuß. Während wir in dem halbdunkeln Raume am Frühstückstische saßen, fiel uns auf, daß die Kabinen ringsum alle dicht belegt sein mußten, und zwar, wie es schien, ausschließlich mit weiblichen Wesen. Wir hörten hinter den Türen Geschwätz und Gelächter, und wenn sich zufällig eine öffnete, so erblickten wir Kleider und ähnliche Dinge, ja einmal glitt eine tiefverschleierte Türkin rasch und scheu an uns vorüber in ihre Zelle. Überhaupt war das Schiff sehr stark besetzt. Als ich wieder an Deck kam, war kaum ein Platz zu bekommen, und es mußte in drei Abteilungen gegessen werden, um elf, um eins und um drei Uhr. Ich fühlte vor allem das unbezwingliche Bedürfnis zu schlafen, was nach den Anstrengungen der trojanischen Tage und der Unrnhe der letzten Nacht in der Dardanellenstadt gewiß berechtigt war. Aber wo? Nachdem ich lange vergeblich nach einem geeigneten Schlafplatz gesucht hatte, legte ich mich auf den erhöhten, nach beiden Seiten leichtgeneigten schrägen vor der ersten Kajüte, obwohl auf ihm schon einige Gestalten saßen oder kauerten. Ich breitete den Mantel aus, schob die gerollte Wolldecke unter den Kopf, stopfte mir, wie weiland Odysseus, das mich auf allen Reisen begleitende Wachs in die Ohren und schlief ungeachtet alles Lärms sofort ein; denn die gemi߬ handelte Natur verlangte gebieterisch ihr Recht. Aber schon nach einer Viertelstunde etwa wurde ich wieder infolge einer mehr¬ maligen kräftigen Berührung meiner rechten Seite geweckt. Es war mir, als ob in Pansen etwas an oder auf meinen Leib gepreßt werde. Entrüstet richtete ich mich in die Höhe und sah einen frommen Mohammedaner, der dicht neben mir einen kleinen Teppich ausgebreitet hatte und darauf seine Gebetsübungen verrichtete. Dabei stemmte er sei» befestes Haupt, wenn er es ehrfürchtig niederbeugte, statt auf den Boden jedesmal gegen meinen Leib. Wer von meinen Lesern ist je auf diese Weise aus dem Schlafe geweckt worden? Ich verzichtete begreiflicherweise, um nicht weitern Berührungen mit moslemi- tischen Köpfen ausgesetzt zu sei», auf die Fortsetzung meines Schlafes, erhob mich ärgerlich, schob mein Gepäck an einer möglichst sichern Stelle zusammen und sah mir nun erst die Gegend an. Wir fuhren an dem ziemlich öden europäischen Ufer des Hellespontes dahin und näherten uns einem auf einer Klippe erbnuteu Leucht¬ türme und einem ziemlich wüst aussehenden, größtenteils aus Holzhäusern bestehenden Orte. Es war Gallipoli, die erste europäische Stadt, die den Osmanen in die Hände fiel. Gegenüber am asiatischen Ufer sahen wir undeutlich das im Altertum durch seinen orgiastischen Priapuskultus übel berüchtigte Lampsakus. Und dann tat sich das weite blaue Marmarnmeer vor uns auf mit der gleichnamigen Felsen¬ insel, die wir rechts liegen ließen. Während ich in Schauen versunken dastand, sprach mich ein wohlgekleideter Herr deutsch an, fragte mich nach dem Wohin und Woher unsrer Reise und interessierte sich so für Troja und die dortigen Wege- und Unterkunftsverhältnisse, daß ich schon anfing, ihn für eine Art archäologischen Kollegen zu halten, bis er mir seine Karte überreichte. Er war Hoteldragoman in Konstantinopel und pflegte Einzel¬ reisende und kleinere Gesellschaften auf ihren Ausflügen zu begleiten. Nach Troja war er noch nie gekommen und hatte nicht übel Lust, auch dorthin einmal eine Partie zu arrangieren. Ich mußte ihm jedoch wegen der Schwierigkeit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/515>, abgerufen am 29.06.2024.