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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmagaebliches

trugen, soll seines festen Rückhalts in der Heimat sicher sein/' Darin ist wohl die
Ankündigung enthalten, daß die Regelung der Frage des Verlustes der Reichs-
angehorigkeit endlich bevorsteht, und zwar im Sinne der seit einem Jahrzehnt er¬
tönender und neuerdings auch von der Kolonialgesellschaft wiederum erholinen For¬
derung, daß kein Deutscher ohne seinen ausdrücklichen Willen die Reichsaugehörig¬
keit verlieren darf, und daß jeder in der Liste des zustnudigen deutschen Konsuls
so lange verzeichnet bleibt, bis er selbst seine Streichung beantragt, oder der Tod
ihn streicht. Wenn der Kanzler weiter sagte: "Darum schaffen wir uns unsre
Flotte. Für niemanden aber ist unsre Seewehr eine Herausforderung. Willig
stehn wir in Reih und Glied mit allen Freunden des Friedens .... stark im fried¬
lichen Rate der Völker, so wollen wir unser Land bleiben und gedeihen sehen" --
so war damit zugleich die autoritative Antwort anf gehässige Ausfälle der fremden
Presse gegeben, die, wie jüngst die L.rin> auel lin,v> tea/.otw, die deutsche Flotte als
das eigentliche Element der Beunruhigung und der Friedensstörung hinstellte und
Deutschland ziemlich unverblümt mit dem Schicksale Kopenhagens und der dänischen
Flotte von 1807, also mit englischer Gewalttat bedrohte. Enthielte die Sprache
dieses englischen Blattes irgendwelche Autorität, so könnte man ihm mit seiner
eignen Argumentation erwidern, daß das eigentliche Element der Beunruhigung
und der Friedeusstöruug in der Welt -- die englische Flotte sei. Aber der
loyalen und friedlichen Politik König Edwards gegenüber, den wir freilich auf
lange Zeit hinaus als den letzten deutschfreundlichen Monarchen in England werden
zu betrachten haben -- der König spricht nicht nur sehr gut deutsch, sondern spricht
es auch gern --, ist es vorläufig noch ziemlich gleichartig, was englische Blätter
gegen Deutschland schreiben. Schiller läßt den Herzog Alba im Don Carlos auf die
Kunde von dem in Madrid ausgebrochnen Aufstande sagen: "Noch wissen wir nicht,
wer den Pöbel waffnet." Ebenso darf man diesen systematischen Versetzungen
gegenüber die Erwägung nicht aus deu Augen verlieren: wer steht dahinter?
Man würde an der letzten Stelle vielleicht nicht einmal auf einen Engländer stoßen.
Immerhin aber sind diese Hechte im europäischen Karpfenteich für uns recht nütz¬
lich. Sie verhindern uns, auf den Lorbeern eines vergangnen Menschenalters oder
auf dem Wohlstande des jetzigen einzuschlafen. Sie find vielmehr eine unaufhör¬
liche Mahnung, unsre Waffen zu Lande wie zur See scharf und blank zu erhalten.

Dies möge namentlich den Stimmen gegenüber gesagt sein, die da glauben
oder glnubeu machen wollen, daß die Inanspruchnahme Rußlands in Ostasien für
Europa den Frieden verbürge. Wir wollen die Balkanfrage und die auffällige
französische Begünstigung bulgarischer Rüstungen einstweilen völlig beiseite lassen
und zumal deu Pariser Kammerkvmödien gegenüber nur auf die Tatsache verweisen,
daß sogar ein ausschließlich für die gebildeten Kreise berechnetes Organ, wie die
liovuo äos clönx Numlvs, einem so gehässigen und herausfordernden Aufsatze wie
dem von Maurice Barres: I^s basticms as I'Lst an der Spitze des Nvvemberhefts
ihre Spalten öffnet. Da heißt es genau wie in den chauvinistischen Blättern des
Ls,s-Muvirs vom Juli 1870: Nvtrs olmvinio uso, e'ost 1^ 1"russs! (S. 34). Der¬
gleichen Anzeichen sind dnrch gelegentliche Höflichkeiten nicht zu übertünchen.

Frankreich bleibt der gegebne, ja aufdringliche Verbündete jeder Macht, die
den Arm gegen Deutschland zu erheben bereit ist. Nachdem der bisherige Zwei¬
bund gegen Deutschland inhaltlos geworden ist, sucht es einen andern Bundes¬
genossen und arbeitet zugleich unaufhörlich daran, unsre Verbündeten im Dreibnnde
entweder von uns abwendig zu machen, oder sie durch die Parteien zu entwaffnen.
Wir fehen die republikanischen und die sozialistischen Elemente Italiens unausgesetzt
an der Arbeit, die italienische Armee in ihrer Disziplin und ihrer Treue zu er¬
schüttern, in ihrer Leistungsfähigkeit durch Versagung der Mittel unbrauchbar zu
machen. Welcher Sympathien, wenn nicht mehr, sich alle die Völkerstämme Öster¬
reichs erfreuen, die an der Zersetzung des Reiches und damit an der Zerstörung
seiner militärischen Kraft arbeiten, bedarf keiner Beweise mehr. Demgegenüber


Maßgebliches und Unmagaebliches

trugen, soll seines festen Rückhalts in der Heimat sicher sein/' Darin ist wohl die
Ankündigung enthalten, daß die Regelung der Frage des Verlustes der Reichs-
angehorigkeit endlich bevorsteht, und zwar im Sinne der seit einem Jahrzehnt er¬
tönender und neuerdings auch von der Kolonialgesellschaft wiederum erholinen For¬
derung, daß kein Deutscher ohne seinen ausdrücklichen Willen die Reichsaugehörig¬
keit verlieren darf, und daß jeder in der Liste des zustnudigen deutschen Konsuls
so lange verzeichnet bleibt, bis er selbst seine Streichung beantragt, oder der Tod
ihn streicht. Wenn der Kanzler weiter sagte: „Darum schaffen wir uns unsre
Flotte. Für niemanden aber ist unsre Seewehr eine Herausforderung. Willig
stehn wir in Reih und Glied mit allen Freunden des Friedens .... stark im fried¬
lichen Rate der Völker, so wollen wir unser Land bleiben und gedeihen sehen" —
so war damit zugleich die autoritative Antwort anf gehässige Ausfälle der fremden
Presse gegeben, die, wie jüngst die L.rin> auel lin,v> tea/.otw, die deutsche Flotte als
das eigentliche Element der Beunruhigung und der Friedensstörung hinstellte und
Deutschland ziemlich unverblümt mit dem Schicksale Kopenhagens und der dänischen
Flotte von 1807, also mit englischer Gewalttat bedrohte. Enthielte die Sprache
dieses englischen Blattes irgendwelche Autorität, so könnte man ihm mit seiner
eignen Argumentation erwidern, daß das eigentliche Element der Beunruhigung
und der Friedeusstöruug in der Welt — die englische Flotte sei. Aber der
loyalen und friedlichen Politik König Edwards gegenüber, den wir freilich auf
lange Zeit hinaus als den letzten deutschfreundlichen Monarchen in England werden
zu betrachten haben — der König spricht nicht nur sehr gut deutsch, sondern spricht
es auch gern —, ist es vorläufig noch ziemlich gleichartig, was englische Blätter
gegen Deutschland schreiben. Schiller läßt den Herzog Alba im Don Carlos auf die
Kunde von dem in Madrid ausgebrochnen Aufstande sagen: „Noch wissen wir nicht,
wer den Pöbel waffnet." Ebenso darf man diesen systematischen Versetzungen
gegenüber die Erwägung nicht aus deu Augen verlieren: wer steht dahinter?
Man würde an der letzten Stelle vielleicht nicht einmal auf einen Engländer stoßen.
Immerhin aber sind diese Hechte im europäischen Karpfenteich für uns recht nütz¬
lich. Sie verhindern uns, auf den Lorbeern eines vergangnen Menschenalters oder
auf dem Wohlstande des jetzigen einzuschlafen. Sie find vielmehr eine unaufhör¬
liche Mahnung, unsre Waffen zu Lande wie zur See scharf und blank zu erhalten.

Dies möge namentlich den Stimmen gegenüber gesagt sein, die da glauben
oder glnubeu machen wollen, daß die Inanspruchnahme Rußlands in Ostasien für
Europa den Frieden verbürge. Wir wollen die Balkanfrage und die auffällige
französische Begünstigung bulgarischer Rüstungen einstweilen völlig beiseite lassen
und zumal deu Pariser Kammerkvmödien gegenüber nur auf die Tatsache verweisen,
daß sogar ein ausschließlich für die gebildeten Kreise berechnetes Organ, wie die
liovuo äos clönx Numlvs, einem so gehässigen und herausfordernden Aufsatze wie
dem von Maurice Barres: I^s basticms as I'Lst an der Spitze des Nvvemberhefts
ihre Spalten öffnet. Da heißt es genau wie in den chauvinistischen Blättern des
Ls,s-Muvirs vom Juli 1870: Nvtrs olmvinio uso, e'ost 1^ 1»russs! (S. 34). Der¬
gleichen Anzeichen sind dnrch gelegentliche Höflichkeiten nicht zu übertünchen.

Frankreich bleibt der gegebne, ja aufdringliche Verbündete jeder Macht, die
den Arm gegen Deutschland zu erheben bereit ist. Nachdem der bisherige Zwei¬
bund gegen Deutschland inhaltlos geworden ist, sucht es einen andern Bundes¬
genossen und arbeitet zugleich unaufhörlich daran, unsre Verbündeten im Dreibnnde
entweder von uns abwendig zu machen, oder sie durch die Parteien zu entwaffnen.
Wir fehen die republikanischen und die sozialistischen Elemente Italiens unausgesetzt
an der Arbeit, die italienische Armee in ihrer Disziplin und ihrer Treue zu er¬
schüttern, in ihrer Leistungsfähigkeit durch Versagung der Mittel unbrauchbar zu
machen. Welcher Sympathien, wenn nicht mehr, sich alle die Völkerstämme Öster¬
reichs erfreuen, die an der Zersetzung des Reiches und damit an der Zerstörung
seiner militärischen Kraft arbeiten, bedarf keiner Beweise mehr. Demgegenüber


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[0475] Maßgebliches und Unmagaebliches trugen, soll seines festen Rückhalts in der Heimat sicher sein/' Darin ist wohl die Ankündigung enthalten, daß die Regelung der Frage des Verlustes der Reichs- angehorigkeit endlich bevorsteht, und zwar im Sinne der seit einem Jahrzehnt er¬ tönender und neuerdings auch von der Kolonialgesellschaft wiederum erholinen For¬ derung, daß kein Deutscher ohne seinen ausdrücklichen Willen die Reichsaugehörig¬ keit verlieren darf, und daß jeder in der Liste des zustnudigen deutschen Konsuls so lange verzeichnet bleibt, bis er selbst seine Streichung beantragt, oder der Tod ihn streicht. Wenn der Kanzler weiter sagte: „Darum schaffen wir uns unsre Flotte. Für niemanden aber ist unsre Seewehr eine Herausforderung. Willig stehn wir in Reih und Glied mit allen Freunden des Friedens .... stark im fried¬ lichen Rate der Völker, so wollen wir unser Land bleiben und gedeihen sehen" — so war damit zugleich die autoritative Antwort anf gehässige Ausfälle der fremden Presse gegeben, die, wie jüngst die L.rin> auel lin,v> tea/.otw, die deutsche Flotte als das eigentliche Element der Beunruhigung und der Friedensstörung hinstellte und Deutschland ziemlich unverblümt mit dem Schicksale Kopenhagens und der dänischen Flotte von 1807, also mit englischer Gewalttat bedrohte. Enthielte die Sprache dieses englischen Blattes irgendwelche Autorität, so könnte man ihm mit seiner eignen Argumentation erwidern, daß das eigentliche Element der Beunruhigung und der Friedeusstöruug in der Welt — die englische Flotte sei. Aber der loyalen und friedlichen Politik König Edwards gegenüber, den wir freilich auf lange Zeit hinaus als den letzten deutschfreundlichen Monarchen in England werden zu betrachten haben — der König spricht nicht nur sehr gut deutsch, sondern spricht es auch gern —, ist es vorläufig noch ziemlich gleichartig, was englische Blätter gegen Deutschland schreiben. Schiller läßt den Herzog Alba im Don Carlos auf die Kunde von dem in Madrid ausgebrochnen Aufstande sagen: „Noch wissen wir nicht, wer den Pöbel waffnet." Ebenso darf man diesen systematischen Versetzungen gegenüber die Erwägung nicht aus deu Augen verlieren: wer steht dahinter? Man würde an der letzten Stelle vielleicht nicht einmal auf einen Engländer stoßen. Immerhin aber sind diese Hechte im europäischen Karpfenteich für uns recht nütz¬ lich. Sie verhindern uns, auf den Lorbeern eines vergangnen Menschenalters oder auf dem Wohlstande des jetzigen einzuschlafen. Sie find vielmehr eine unaufhör¬ liche Mahnung, unsre Waffen zu Lande wie zur See scharf und blank zu erhalten. Dies möge namentlich den Stimmen gegenüber gesagt sein, die da glauben oder glnubeu machen wollen, daß die Inanspruchnahme Rußlands in Ostasien für Europa den Frieden verbürge. Wir wollen die Balkanfrage und die auffällige französische Begünstigung bulgarischer Rüstungen einstweilen völlig beiseite lassen und zumal deu Pariser Kammerkvmödien gegenüber nur auf die Tatsache verweisen, daß sogar ein ausschließlich für die gebildeten Kreise berechnetes Organ, wie die liovuo äos clönx Numlvs, einem so gehässigen und herausfordernden Aufsatze wie dem von Maurice Barres: I^s basticms as I'Lst an der Spitze des Nvvemberhefts ihre Spalten öffnet. Da heißt es genau wie in den chauvinistischen Blättern des Ls,s-Muvirs vom Juli 1870: Nvtrs olmvinio uso, e'ost 1^ 1»russs! (S. 34). Der¬ gleichen Anzeichen sind dnrch gelegentliche Höflichkeiten nicht zu übertünchen. Frankreich bleibt der gegebne, ja aufdringliche Verbündete jeder Macht, die den Arm gegen Deutschland zu erheben bereit ist. Nachdem der bisherige Zwei¬ bund gegen Deutschland inhaltlos geworden ist, sucht es einen andern Bundes¬ genossen und arbeitet zugleich unaufhörlich daran, unsre Verbündeten im Dreibnnde entweder von uns abwendig zu machen, oder sie durch die Parteien zu entwaffnen. Wir fehen die republikanischen und die sozialistischen Elemente Italiens unausgesetzt an der Arbeit, die italienische Armee in ihrer Disziplin und ihrer Treue zu er¬ schüttern, in ihrer Leistungsfähigkeit durch Versagung der Mittel unbrauchbar zu machen. Welcher Sympathien, wenn nicht mehr, sich alle die Völkerstämme Öster¬ reichs erfreuen, die an der Zersetzung des Reiches und damit an der Zerstörung seiner militärischen Kraft arbeiten, bedarf keiner Beweise mehr. Demgegenüber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/475>, abgerufen am 23.07.2024.