Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.Die Damen auf Markby ihnen ein unklarer Gedanke an Duelle und Sekundanten -- feierliche Abrechnung Aber wo ist denn dann Erik? fragte Elu aufgeregt. Um diese Zeit ist er Willst du nicht eine Tasse Tee trinken, Bibbi? fragte Daguy gastfreundlich. In Bibbis Herzen entstand ein Streit zwischen dem Verlangen nach einer Geht nur voraus, sagte sie ungeduldig. Ich komme gleich nach. Du brauchst dich nicht so furchtbar fein zu machen, Elu, sagte Dagny scharf, Elu gab keine Antwort, sie warf nur mit halbgeschlossenen Augen einen Blick Ja, laß uns hinuntergehn, sagte Bibbi, sich in das Unumgängliche ergebend, Elu hatte in der Tat Puder in ihrer Schublade. Sie fuhr sich mit der Es wurde Tee getrunken -- wie immer um diese Tageszeit bei Briants. Dann trat Erik ein, rasch und frisch, freundlich und munter. Bibbi hätte Habt ihr gewartet? fragte er, allen, auch Arvid, der Reihe nach die Hand Aus dem Gespräch der Herren ging hervor, daß es sich hauptsächlich um Bibbi und Elu, die fast seit einer Stunde wie auf Nadeln gesessen hatten, Nein -- ich sage nichts! sagte Bibbi so entschieden, als lege sie einen Eid ab. Elu hatte einen recht sonderbar harten Ausdruck im Gesicht und in der Die Damen auf Markby ihnen ein unklarer Gedanke an Duelle und Sekundanten — feierliche Abrechnung Aber wo ist denn dann Erik? fragte Elu aufgeregt. Um diese Zeit ist er Willst du nicht eine Tasse Tee trinken, Bibbi? fragte Daguy gastfreundlich. In Bibbis Herzen entstand ein Streit zwischen dem Verlangen nach einer Geht nur voraus, sagte sie ungeduldig. Ich komme gleich nach. Du brauchst dich nicht so furchtbar fein zu machen, Elu, sagte Dagny scharf, Elu gab keine Antwort, sie warf nur mit halbgeschlossenen Augen einen Blick Ja, laß uns hinuntergehn, sagte Bibbi, sich in das Unumgängliche ergebend, Elu hatte in der Tat Puder in ihrer Schublade. Sie fuhr sich mit der Es wurde Tee getrunken — wie immer um diese Tageszeit bei Briants. Dann trat Erik ein, rasch und frisch, freundlich und munter. Bibbi hätte Habt ihr gewartet? fragte er, allen, auch Arvid, der Reihe nach die Hand Aus dem Gespräch der Herren ging hervor, daß es sich hauptsächlich um Bibbi und Elu, die fast seit einer Stunde wie auf Nadeln gesessen hatten, Nein — ich sage nichts! sagte Bibbi so entschieden, als lege sie einen Eid ab. Elu hatte einen recht sonderbar harten Ausdruck im Gesicht und in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295691"/> <fw type="header" place="top"> Die Damen auf Markby</fw><lb/> <p xml:id="ID_2410" prev="#ID_2409"> ihnen ein unklarer Gedanke an Duelle und Sekundanten — feierliche Abrechnung<lb/> in Gegenwart dritter — und Gott weiß, was alles durch das schon vorher er¬<lb/> regte Gehirn.</p><lb/> <p xml:id="ID_2411"> Aber wo ist denn dann Erik? fragte Elu aufgeregt. Um diese Zeit ist er<lb/> doch sonst immer in der Fabrik oder in der Stadt?</p><lb/> <p xml:id="ID_2412"> Willst du nicht eine Tasse Tee trinken, Bibbi? fragte Daguy gastfreundlich.<lb/> Sie sehnte sich danach, wieder ins Wohnzimmer zu kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2413"> In Bibbis Herzen entstand ein Streit zwischen dem Verlangen nach einer<lb/> Erfrischung, die sie wirklich recht nötig hatte, und der Angst, dem betrognen<lb/> Arvtd in die Augen sehen zu müssen. Mit fragendem Blick wandte sie sich an<lb/> Elu, die sofort entschlossen ihr Haar aufgelöst hatte und es nun wieder frisch<lb/> aussteckte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2414"> Geht nur voraus, sagte sie ungeduldig. Ich komme gleich nach.</p><lb/> <p xml:id="ID_2415"> Du brauchst dich nicht so furchtbar fein zu machen, Elu, sagte Dagny scharf,<lb/> sie gehn gewiß gleich wieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_2416"> Elu gab keine Antwort, sie warf nur mit halbgeschlossenen Augen einen Blick<lb/> über die Schulter nach dem „jungen Ding." Dagny hatte Elu im Verdacht, daß<lb/> sie Puder in ihrer Kommodeschublade habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2417"> Ja, laß uns hinuntergehn, sagte Bibbi, sich in das Unumgängliche ergebend,<lb/> mit matter Stimme.</p><lb/> <p xml:id="ID_2418"> Elu hatte in der Tat Puder in ihrer Schublade. Sie fuhr sich mit der<lb/> Quaste leicht über das erhitzte Gesicht und rieb es dann vorsichtig wieder ab. Sie<lb/> strich noch einmal über ihr Haar und fand dann selbst, daß sie „ziemlich passabel"<lb/> aussehe. Hierauf ging sie mutig zu den andern hinunter.</p><lb/> <p xml:id="ID_2419"> Es wurde Tee getrunken — wie immer um diese Tageszeit bei Briants.<lb/> Man sprach von Weihnachtsausstellungen und Schneefällen. Der Rechtsanwalt er¬<lb/> zählte den Damen ein von ihm selbst stark angezweifeltes Gerücht über eine bevor¬<lb/> stehende Opernpremiere, und der mehr als gewöhnlich schweigsame Hauptmann trank<lb/> ohne Widerstand höflich zwei Tassen Tee, während ihn Bibbi mit teilnehmenden<lb/> Blicken betrachtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_2420"> Dann trat Erik ein, rasch und frisch, freundlich und munter. Bibbi hätte<lb/> beinahe die Tasse fallen lassen, und Elu klirrte in ganz ungewohnter Weise mit<lb/> dem Porzellan auf dem Teetisch.</p><lb/> <p xml:id="ID_2421"> Habt ihr gewartet? fragte er, allen, auch Arvid, der Reihe nach die Hand<lb/> gebend. Bibbi konnte es fast nicht mit ansehen; sie fühlte sich in diesem Augen¬<lb/> blick weit schuldbewußter als er. Nun stehe ich gleich zu Diensten! Gib mir<lb/> rasch eine Tasse Tee, Dagny.</p><lb/> <p xml:id="ID_2422"> Aus dem Gespräch der Herren ging hervor, daß es sich hauptsächlich um<lb/> einige Grundstücke handelte, die auf Juliens Rechnung in der Nähe des Bahn¬<lb/> hofs verkauft werden sollten. Erik sollte bei der Schätzung zugegen sein . . .<lb/> Kurze Zeit nachher entfernten sich alle drei. Draußen im Vorzimmer konnte man<lb/> sie noch über die Sache reden hören, während sie ihre Zigarren anzündeten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2423"> Bibbi und Elu, die fast seit einer Stunde wie auf Nadeln gesessen hatten,<lb/> fühlten sich merkwürdig flau, erbittert, wie betrogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2424"> Nein — ich sage nichts! sagte Bibbi so entschieden, als lege sie einen Eid ab.<lb/> während sie ihre Galoschen anzog und Elu daneben stand. Er würde es einfach<lb/> nicht glauben ... so wie Erik ist . . . nicht eine Spur von bösem Gewissen! Und<lb/> es würde mich durchaus nicht wundern, fügte sie zornig und enttäuscht hinzu, wenn<lb/> ich nun beim Nachhausekommen Julie auf Arvids Schoß sehen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_2425" next="#ID_2426"> Elu hatte einen recht sonderbar harten Ausdruck im Gesicht und in der<lb/> Stimme, als sie erwiderte: Liebe Bibbi, ich fange an zu glauben, was ich früher<lb/> so oft habe sagen hören, daß . . . so etwas ... du weißt schon, was ich meine,<lb/> Gefühle und dergleichen, im Leben der Männer neben ihren „reellen" Interessen<lb/> eigentlich eine ganz geringfügige Nebensache seien. Bei dir und bei mir, fuhr sie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0472]
Die Damen auf Markby
ihnen ein unklarer Gedanke an Duelle und Sekundanten — feierliche Abrechnung
in Gegenwart dritter — und Gott weiß, was alles durch das schon vorher er¬
regte Gehirn.
Aber wo ist denn dann Erik? fragte Elu aufgeregt. Um diese Zeit ist er
doch sonst immer in der Fabrik oder in der Stadt?
Willst du nicht eine Tasse Tee trinken, Bibbi? fragte Daguy gastfreundlich.
Sie sehnte sich danach, wieder ins Wohnzimmer zu kommen.
In Bibbis Herzen entstand ein Streit zwischen dem Verlangen nach einer
Erfrischung, die sie wirklich recht nötig hatte, und der Angst, dem betrognen
Arvtd in die Augen sehen zu müssen. Mit fragendem Blick wandte sie sich an
Elu, die sofort entschlossen ihr Haar aufgelöst hatte und es nun wieder frisch
aussteckte.
Geht nur voraus, sagte sie ungeduldig. Ich komme gleich nach.
Du brauchst dich nicht so furchtbar fein zu machen, Elu, sagte Dagny scharf,
sie gehn gewiß gleich wieder.
Elu gab keine Antwort, sie warf nur mit halbgeschlossenen Augen einen Blick
über die Schulter nach dem „jungen Ding." Dagny hatte Elu im Verdacht, daß
sie Puder in ihrer Kommodeschublade habe.
Ja, laß uns hinuntergehn, sagte Bibbi, sich in das Unumgängliche ergebend,
mit matter Stimme.
Elu hatte in der Tat Puder in ihrer Schublade. Sie fuhr sich mit der
Quaste leicht über das erhitzte Gesicht und rieb es dann vorsichtig wieder ab. Sie
strich noch einmal über ihr Haar und fand dann selbst, daß sie „ziemlich passabel"
aussehe. Hierauf ging sie mutig zu den andern hinunter.
Es wurde Tee getrunken — wie immer um diese Tageszeit bei Briants.
Man sprach von Weihnachtsausstellungen und Schneefällen. Der Rechtsanwalt er¬
zählte den Damen ein von ihm selbst stark angezweifeltes Gerücht über eine bevor¬
stehende Opernpremiere, und der mehr als gewöhnlich schweigsame Hauptmann trank
ohne Widerstand höflich zwei Tassen Tee, während ihn Bibbi mit teilnehmenden
Blicken betrachtete.
Dann trat Erik ein, rasch und frisch, freundlich und munter. Bibbi hätte
beinahe die Tasse fallen lassen, und Elu klirrte in ganz ungewohnter Weise mit
dem Porzellan auf dem Teetisch.
Habt ihr gewartet? fragte er, allen, auch Arvid, der Reihe nach die Hand
gebend. Bibbi konnte es fast nicht mit ansehen; sie fühlte sich in diesem Augen¬
blick weit schuldbewußter als er. Nun stehe ich gleich zu Diensten! Gib mir
rasch eine Tasse Tee, Dagny.
Aus dem Gespräch der Herren ging hervor, daß es sich hauptsächlich um
einige Grundstücke handelte, die auf Juliens Rechnung in der Nähe des Bahn¬
hofs verkauft werden sollten. Erik sollte bei der Schätzung zugegen sein . . .
Kurze Zeit nachher entfernten sich alle drei. Draußen im Vorzimmer konnte man
sie noch über die Sache reden hören, während sie ihre Zigarren anzündeten.
Bibbi und Elu, die fast seit einer Stunde wie auf Nadeln gesessen hatten,
fühlten sich merkwürdig flau, erbittert, wie betrogen.
Nein — ich sage nichts! sagte Bibbi so entschieden, als lege sie einen Eid ab.
während sie ihre Galoschen anzog und Elu daneben stand. Er würde es einfach
nicht glauben ... so wie Erik ist . . . nicht eine Spur von bösem Gewissen! Und
es würde mich durchaus nicht wundern, fügte sie zornig und enttäuscht hinzu, wenn
ich nun beim Nachhausekommen Julie auf Arvids Schoß sehen würde.
Elu hatte einen recht sonderbar harten Ausdruck im Gesicht und in der
Stimme, als sie erwiderte: Liebe Bibbi, ich fange an zu glauben, was ich früher
so oft habe sagen hören, daß . . . so etwas ... du weißt schon, was ich meine,
Gefühle und dergleichen, im Leben der Männer neben ihren „reellen" Interessen
eigentlich eine ganz geringfügige Nebensache seien. Bei dir und bei mir, fuhr sie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |