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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Napoleon der Erste in Dresden l.807

Der dienstbeflissene Eifer, mit dem man sich diese französische Geschichtsauf¬
fassung zu eigen gemacht hatte, kennzeichnet den Geist der Zeit.

Gegenüber dieser offiziellen Huldigungsadresfe, die wenigstens im Ton noch
eine gewisse Vornehmheit der Gesinnung festhielt, trägt das Huldigungsgedicht,
das der Bibliothekar und Hofrat Daßdorf dem Kaiser bei derselben Gelegenheit
überreichte, offner den Byzantinismus zur Schau. Es ist ebenso charakteristisch
für die spitzfindige Klügelei wie für die sprachfertige Bewunderung, mit der die
humanistische Gelehrsamkeit des Empire den plötzlich lebendig gewordnen
Cäsarismus feierte: Apium immortkäs / Mxoleoiüs wÄZvi / Ilerois et xaviLoa-
toris suiniui / 6 retms iniurortglitsr ^sstis seermäurQ littsrg.8 / Wit.iiz.l68 / stilo
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Mpoiömi, "K.,iolsoi".

Leurper 1wup8 ^lonikUWe luuiu 1g.nah8czas ingnsbunt!

Das Schriftstück steht seinem Charakter nach nicht vereinzelt in der Ge-
schichte jener Zeit. Es fand ein würdiges Gegenstück in der Sternkarte, die
die Universität Leipzig dem Kaiser nach Paris nachsandte, und auf der den
Sternen im Gürtel des Orion der Name "Napoleonssterne" beigelegt war.
Sicherlich gab es auch in Sachsen damals noch Männer, die über diese Selbst¬
demütigungen schamvoll erröteten, aber die große Masse der Gebildeten empfand
davon nichts. Man hatte zu lange die starke Hand eines mächtigen Herrn und
Gebieters in Deutschland entbehrt. In engen Verhältnissen, nur mit des Tages
Notdurft beschäftigt, hatte man dahingelebt. Der Wille des Landesfürsten war
oberstes Gesetz. Und nun kam dieser Gewaltmensch! Schonungslos zertrat er,
was ihm widerstrebte. Fürstentümer verschwanden, Königreiche entstanden nach
seinem souveränen Willen; die altlegitimen Fürsten lauschten auf seine Befehle.
Kein Wunder, daß da das Volk anbetend in den Staub sank! Wo sollte es,
an Lakaiendienste gewöhnt, den Mut zur Auflehnung hernehmen?

Nach der Rückkehr fand im Schlosse wieder gemeinsame Familientafel zu
zehn Couverts statt. Um neun Uhr schloß sich daran ein Konzert der könig¬
lichen Hofkapelle im "gemalten großen Saale Jhro Majestät der Königin."
"Demoiselle Angiolini ließ sich in zwei Arien und einem Duett mit Herrn
Benetti, ingleichen Herr Kammermusikus Prinz mit einem Flötenkonzerte zur
Zufriedenheit Sr. Kaiserl. Majestät hören."*) Das Konzert, dem auch der
gesamte Hofstaat beiwohnte, dauerte bis halb elf Uhr.



*) Die bei der . , . Ankunft . . , Napoleons des Großen in der Residenzstadt Dresden
stattgefundenen Feierlichkeiten. . , Dresden 1807, S. 62.
Napoleon der Erste in Dresden l.807

Der dienstbeflissene Eifer, mit dem man sich diese französische Geschichtsauf¬
fassung zu eigen gemacht hatte, kennzeichnet den Geist der Zeit.

Gegenüber dieser offiziellen Huldigungsadresfe, die wenigstens im Ton noch
eine gewisse Vornehmheit der Gesinnung festhielt, trägt das Huldigungsgedicht,
das der Bibliothekar und Hofrat Daßdorf dem Kaiser bei derselben Gelegenheit
überreichte, offner den Byzantinismus zur Schau. Es ist ebenso charakteristisch
für die spitzfindige Klügelei wie für die sprachfertige Bewunderung, mit der die
humanistische Gelehrsamkeit des Empire den plötzlich lebendig gewordnen
Cäsarismus feierte: Apium immortkäs / Mxoleoiüs wÄZvi / Ilerois et xaviLoa-
toris suiniui / 6 retms iniurortglitsr ^sstis seermäurQ littsrg.8 / Wit.iiz.l68 / stilo
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Das Schriftstück steht seinem Charakter nach nicht vereinzelt in der Ge-
schichte jener Zeit. Es fand ein würdiges Gegenstück in der Sternkarte, die
die Universität Leipzig dem Kaiser nach Paris nachsandte, und auf der den
Sternen im Gürtel des Orion der Name „Napoleonssterne" beigelegt war.
Sicherlich gab es auch in Sachsen damals noch Männer, die über diese Selbst¬
demütigungen schamvoll erröteten, aber die große Masse der Gebildeten empfand
davon nichts. Man hatte zu lange die starke Hand eines mächtigen Herrn und
Gebieters in Deutschland entbehrt. In engen Verhältnissen, nur mit des Tages
Notdurft beschäftigt, hatte man dahingelebt. Der Wille des Landesfürsten war
oberstes Gesetz. Und nun kam dieser Gewaltmensch! Schonungslos zertrat er,
was ihm widerstrebte. Fürstentümer verschwanden, Königreiche entstanden nach
seinem souveränen Willen; die altlegitimen Fürsten lauschten auf seine Befehle.
Kein Wunder, daß da das Volk anbetend in den Staub sank! Wo sollte es,
an Lakaiendienste gewöhnt, den Mut zur Auflehnung hernehmen?

Nach der Rückkehr fand im Schlosse wieder gemeinsame Familientafel zu
zehn Couverts statt. Um neun Uhr schloß sich daran ein Konzert der könig¬
lichen Hofkapelle im „gemalten großen Saale Jhro Majestät der Königin."
„Demoiselle Angiolini ließ sich in zwei Arien und einem Duett mit Herrn
Benetti, ingleichen Herr Kammermusikus Prinz mit einem Flötenkonzerte zur
Zufriedenheit Sr. Kaiserl. Majestät hören."*) Das Konzert, dem auch der
gesamte Hofstaat beiwohnte, dauerte bis halb elf Uhr.



*) Die bei der . , . Ankunft . . , Napoleons des Großen in der Residenzstadt Dresden
stattgefundenen Feierlichkeiten. . , Dresden 1807, S. 62.
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[0441] Napoleon der Erste in Dresden l.807 Der dienstbeflissene Eifer, mit dem man sich diese französische Geschichtsauf¬ fassung zu eigen gemacht hatte, kennzeichnet den Geist der Zeit. Gegenüber dieser offiziellen Huldigungsadresfe, die wenigstens im Ton noch eine gewisse Vornehmheit der Gesinnung festhielt, trägt das Huldigungsgedicht, das der Bibliothekar und Hofrat Daßdorf dem Kaiser bei derselben Gelegenheit überreichte, offner den Byzantinismus zur Schau. Es ist ebenso charakteristisch für die spitzfindige Klügelei wie für die sprachfertige Bewunderung, mit der die humanistische Gelehrsamkeit des Empire den plötzlich lebendig gewordnen Cäsarismus feierte: Apium immortkäs / Mxoleoiüs wÄZvi / Ilerois et xaviLoa- toris suiniui / 6 retms iniurortglitsr ^sstis seermäurQ littsrg.8 / Wit.iiz.l68 / stilo 1g.xic1g.ri i11u8lig.turQ / indol'xrsts of.88äorllo / Lonsiligrio se Liblic>t1rc;og.lie> ü.<ZAio. / — ^lciininibus urgZni8 I>suiusu et ouuzn Wk8t. ki^tiollis Urunivs ^llsmimio^s ^.rinv.ör>t» rrowotoi' — Vrbi8 Ordi LsAisIkttor — I^se-z«ti IZawMS IZxosIsus Ore>in-Avr — YKsit Mpoiömi, «K.,iolsoi». Leurper 1wup8 ^lonikUWe luuiu 1g.nah8czas ingnsbunt! Das Schriftstück steht seinem Charakter nach nicht vereinzelt in der Ge- schichte jener Zeit. Es fand ein würdiges Gegenstück in der Sternkarte, die die Universität Leipzig dem Kaiser nach Paris nachsandte, und auf der den Sternen im Gürtel des Orion der Name „Napoleonssterne" beigelegt war. Sicherlich gab es auch in Sachsen damals noch Männer, die über diese Selbst¬ demütigungen schamvoll erröteten, aber die große Masse der Gebildeten empfand davon nichts. Man hatte zu lange die starke Hand eines mächtigen Herrn und Gebieters in Deutschland entbehrt. In engen Verhältnissen, nur mit des Tages Notdurft beschäftigt, hatte man dahingelebt. Der Wille des Landesfürsten war oberstes Gesetz. Und nun kam dieser Gewaltmensch! Schonungslos zertrat er, was ihm widerstrebte. Fürstentümer verschwanden, Königreiche entstanden nach seinem souveränen Willen; die altlegitimen Fürsten lauschten auf seine Befehle. Kein Wunder, daß da das Volk anbetend in den Staub sank! Wo sollte es, an Lakaiendienste gewöhnt, den Mut zur Auflehnung hernehmen? Nach der Rückkehr fand im Schlosse wieder gemeinsame Familientafel zu zehn Couverts statt. Um neun Uhr schloß sich daran ein Konzert der könig¬ lichen Hofkapelle im „gemalten großen Saale Jhro Majestät der Königin." „Demoiselle Angiolini ließ sich in zwei Arien und einem Duett mit Herrn Benetti, ingleichen Herr Kammermusikus Prinz mit einem Flötenkonzerte zur Zufriedenheit Sr. Kaiserl. Majestät hören."*) Das Konzert, dem auch der gesamte Hofstaat beiwohnte, dauerte bis halb elf Uhr. *) Die bei der . , . Ankunft . . , Napoleons des Großen in der Residenzstadt Dresden stattgefundenen Feierlichkeiten. . , Dresden 1807, S. 62.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/441>, abgerufen am 29.06.2024.