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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Abgeordneten, wie weit er seine Arbeitslast steigern will, und wie weit er damit
noch im Einklang mit den von ihm übernommnen Pflichten bleibt. Herr Spahn
verfügt über eine bedeutende Arbeitskraft, die aber nicht jeder seiner Leipziger
Kollegen sein eigen nennen kann. Die Mitglieder des Reichsgerichts gehören doch
sämtlich den vorgerücktem Semestern an, einem Lebensalter, wo die Arbeitskraft
nicht mehr zunimmt, sondern abzunehmen pflegt, und wenn ein Einzelner sie bis
an die Grenze der Erreichbarkeit aus Neigung oder aus andern Gründen steigert,
so ist damit für die Gesamtheit noch nichts bewiesen. Herr Spahn kann vielleicht
für drei Reichsgerichtsräte arbeiten, ohne daß dadurch die Klagen über Über¬
lastung der andern an Berechtigung verlören. In politischen Kreisen ist neuer¬
dings viel über die Führerlosigkeit und die sich daraus ergebende Unberechenbar¬
keit des Zentrums geklagt worden. Der Eintritt des Herrn spähn in das
preußische Abgeordnetenhaus ist aber Wohl geeignet, die Zentrumsfraktion des
Hauses, die von der bayrischen Zentrumsdemokratie und -demagogie wohl uicht
ganz unbeeinflußt geblieben ist, berechenbarer zu machen und damit klarere Ver¬
hältnisse zu schaffen. Seit dem Tode des Abgeordneten Lieber haben die radi¬
kalen Elemente in der Zentrumsfraktion des Reichstags so sehr an Einfluß ge¬
wonnen, daß die Gefahr, die in den jetzigen Rcichstagszuständen leider ohnehin
enthalten ist, dadurch eine bedeutende Steigerung erfährt. Es kann aber nicht
erwünscht sein, daß die Zentrumsfraktion des Abgeordnetenhauses und mit ihr das
Gewicht, das sie in die politische Wagschale legt, noch mehr unter die Herrschaft
des bayrischen Zentrumsradikalismus gerät, als bei dem innern Zusammenhange
der beiden Fraktionen, der des Reichstags und der des Abgeordnetenhauses, leider
seit Jahren der Fall ist. Auch die preußische Zentrumsfraktion ist an sich be¬
kanntlich nicht von radikalen Bestandteilen frei, um so erwünschter muß ihr im Hin¬
blick auf die allgemeine politische Lage der Eintritt eines Mitgliedes sein, das jene
Bestandteile einigermaßen zu paralysieren vermag.

Das Zentrumsbataillon in der parlamentarischen Schlachtordnung des preußischen
Abgeordnetenhauses wird dadurch wieder geschlossener und zuverlässiger; eine Er¬
starkung, die im Landtage hin und wieder unbequem sein mag, aber jedenfalls als
das geringere von zwei Übeln anzusehen ist und daneben den Vorteil bietet, daß
eine innerlich erstarkte preußische Zentrumsfraktion auch in der Reichstagsfraktion
einen stärkern, dem Reichsintercsse nützlichem Einfluß auszuüben vermag, als gegen¬
wärtig bei dem Überwiegen der bayrischen Zentrumsdemokratie der Fall ist. Im
Leben ist in der Regel nichts so schlimm, wie es aussieht, und nichts so gut, wie es
aussieht. Gegenüber den Klagen liberaler Blätter, daß der überlastete Reichs¬
gerichtsrat Spnhn nun auch noch ein Landtagsmandat angenommen habe, möchten
wir darum die Beschwerdeführer darauf aufmerksam machen, daß die Erfüllbarkeit
einer ganzen Reihe von Forderungen, die sie im staatlichen und im nationalen
Interesse vertreten, von der Zuverlässigkeit der Zentrumsfraktion und der
Erstarkung der stantssinnigen Richtung innerhalb dieser direkt abhängt.
Man darf Herrn Spnhn als einen entschlossenen Vertreter dieser Richtung an¬
sprechen, und einstweilen sollte man sich begnügen, seinen Eintritt in den Landtag
von dieser Seite aus zu betrachten. Die politische Führung Deutschlands durch
Preußen soll nicht nur im Reichsobcrhaupt und im Bundesrat zum Ausdruck ge¬
langen, sondern sie muß auch im Reichstage besteh". Sonst gerät der Reichstag
nicht nur in einen Gegensatz zu den beiden andern "Faktoren der Reichsgesetz-
gebung,'" sondern auch in einen Gegensatz zu dem Grundgedanken der Reichsver¬
fassung und des Bnndesverhältnisses überhaupt. Preußen ist im Reichstage nicht
mehr stark genug, weil den Parteien die überragenden preußischen Führer fehlen,
über die in den siebziger Jahren fast jede Fraktion verfügte. Im Gegensatz zu
der fortgesetzten Steigerung unsers wirtschaftlichen Wohlstandes sind wir politisch
sehr viel armer geworden, zum nicht geringen Teil aus dem Grunde, daß der
geistige Gehalt des Reichstags, sein politisches und sein patriotisches Niveau leider


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Abgeordneten, wie weit er seine Arbeitslast steigern will, und wie weit er damit
noch im Einklang mit den von ihm übernommnen Pflichten bleibt. Herr Spahn
verfügt über eine bedeutende Arbeitskraft, die aber nicht jeder seiner Leipziger
Kollegen sein eigen nennen kann. Die Mitglieder des Reichsgerichts gehören doch
sämtlich den vorgerücktem Semestern an, einem Lebensalter, wo die Arbeitskraft
nicht mehr zunimmt, sondern abzunehmen pflegt, und wenn ein Einzelner sie bis
an die Grenze der Erreichbarkeit aus Neigung oder aus andern Gründen steigert,
so ist damit für die Gesamtheit noch nichts bewiesen. Herr Spahn kann vielleicht
für drei Reichsgerichtsräte arbeiten, ohne daß dadurch die Klagen über Über¬
lastung der andern an Berechtigung verlören. In politischen Kreisen ist neuer¬
dings viel über die Führerlosigkeit und die sich daraus ergebende Unberechenbar¬
keit des Zentrums geklagt worden. Der Eintritt des Herrn spähn in das
preußische Abgeordnetenhaus ist aber Wohl geeignet, die Zentrumsfraktion des
Hauses, die von der bayrischen Zentrumsdemokratie und -demagogie wohl uicht
ganz unbeeinflußt geblieben ist, berechenbarer zu machen und damit klarere Ver¬
hältnisse zu schaffen. Seit dem Tode des Abgeordneten Lieber haben die radi¬
kalen Elemente in der Zentrumsfraktion des Reichstags so sehr an Einfluß ge¬
wonnen, daß die Gefahr, die in den jetzigen Rcichstagszuständen leider ohnehin
enthalten ist, dadurch eine bedeutende Steigerung erfährt. Es kann aber nicht
erwünscht sein, daß die Zentrumsfraktion des Abgeordnetenhauses und mit ihr das
Gewicht, das sie in die politische Wagschale legt, noch mehr unter die Herrschaft
des bayrischen Zentrumsradikalismus gerät, als bei dem innern Zusammenhange
der beiden Fraktionen, der des Reichstags und der des Abgeordnetenhauses, leider
seit Jahren der Fall ist. Auch die preußische Zentrumsfraktion ist an sich be¬
kanntlich nicht von radikalen Bestandteilen frei, um so erwünschter muß ihr im Hin¬
blick auf die allgemeine politische Lage der Eintritt eines Mitgliedes sein, das jene
Bestandteile einigermaßen zu paralysieren vermag.

Das Zentrumsbataillon in der parlamentarischen Schlachtordnung des preußischen
Abgeordnetenhauses wird dadurch wieder geschlossener und zuverlässiger; eine Er¬
starkung, die im Landtage hin und wieder unbequem sein mag, aber jedenfalls als
das geringere von zwei Übeln anzusehen ist und daneben den Vorteil bietet, daß
eine innerlich erstarkte preußische Zentrumsfraktion auch in der Reichstagsfraktion
einen stärkern, dem Reichsintercsse nützlichem Einfluß auszuüben vermag, als gegen¬
wärtig bei dem Überwiegen der bayrischen Zentrumsdemokratie der Fall ist. Im
Leben ist in der Regel nichts so schlimm, wie es aussieht, und nichts so gut, wie es
aussieht. Gegenüber den Klagen liberaler Blätter, daß der überlastete Reichs¬
gerichtsrat Spnhn nun auch noch ein Landtagsmandat angenommen habe, möchten
wir darum die Beschwerdeführer darauf aufmerksam machen, daß die Erfüllbarkeit
einer ganzen Reihe von Forderungen, die sie im staatlichen und im nationalen
Interesse vertreten, von der Zuverlässigkeit der Zentrumsfraktion und der
Erstarkung der stantssinnigen Richtung innerhalb dieser direkt abhängt.
Man darf Herrn Spnhn als einen entschlossenen Vertreter dieser Richtung an¬
sprechen, und einstweilen sollte man sich begnügen, seinen Eintritt in den Landtag
von dieser Seite aus zu betrachten. Die politische Führung Deutschlands durch
Preußen soll nicht nur im Reichsobcrhaupt und im Bundesrat zum Ausdruck ge¬
langen, sondern sie muß auch im Reichstage besteh». Sonst gerät der Reichstag
nicht nur in einen Gegensatz zu den beiden andern „Faktoren der Reichsgesetz-
gebung,'" sondern auch in einen Gegensatz zu dem Grundgedanken der Reichsver¬
fassung und des Bnndesverhältnisses überhaupt. Preußen ist im Reichstage nicht
mehr stark genug, weil den Parteien die überragenden preußischen Führer fehlen,
über die in den siebziger Jahren fast jede Fraktion verfügte. Im Gegensatz zu
der fortgesetzten Steigerung unsers wirtschaftlichen Wohlstandes sind wir politisch
sehr viel armer geworden, zum nicht geringen Teil aus dem Grunde, daß der
geistige Gehalt des Reichstags, sein politisches und sein patriotisches Niveau leider


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[0412] Maßgebliches und Unmaßgebliches Abgeordneten, wie weit er seine Arbeitslast steigern will, und wie weit er damit noch im Einklang mit den von ihm übernommnen Pflichten bleibt. Herr Spahn verfügt über eine bedeutende Arbeitskraft, die aber nicht jeder seiner Leipziger Kollegen sein eigen nennen kann. Die Mitglieder des Reichsgerichts gehören doch sämtlich den vorgerücktem Semestern an, einem Lebensalter, wo die Arbeitskraft nicht mehr zunimmt, sondern abzunehmen pflegt, und wenn ein Einzelner sie bis an die Grenze der Erreichbarkeit aus Neigung oder aus andern Gründen steigert, so ist damit für die Gesamtheit noch nichts bewiesen. Herr Spahn kann vielleicht für drei Reichsgerichtsräte arbeiten, ohne daß dadurch die Klagen über Über¬ lastung der andern an Berechtigung verlören. In politischen Kreisen ist neuer¬ dings viel über die Führerlosigkeit und die sich daraus ergebende Unberechenbar¬ keit des Zentrums geklagt worden. Der Eintritt des Herrn spähn in das preußische Abgeordnetenhaus ist aber Wohl geeignet, die Zentrumsfraktion des Hauses, die von der bayrischen Zentrumsdemokratie und -demagogie wohl uicht ganz unbeeinflußt geblieben ist, berechenbarer zu machen und damit klarere Ver¬ hältnisse zu schaffen. Seit dem Tode des Abgeordneten Lieber haben die radi¬ kalen Elemente in der Zentrumsfraktion des Reichstags so sehr an Einfluß ge¬ wonnen, daß die Gefahr, die in den jetzigen Rcichstagszuständen leider ohnehin enthalten ist, dadurch eine bedeutende Steigerung erfährt. Es kann aber nicht erwünscht sein, daß die Zentrumsfraktion des Abgeordnetenhauses und mit ihr das Gewicht, das sie in die politische Wagschale legt, noch mehr unter die Herrschaft des bayrischen Zentrumsradikalismus gerät, als bei dem innern Zusammenhange der beiden Fraktionen, der des Reichstags und der des Abgeordnetenhauses, leider seit Jahren der Fall ist. Auch die preußische Zentrumsfraktion ist an sich be¬ kanntlich nicht von radikalen Bestandteilen frei, um so erwünschter muß ihr im Hin¬ blick auf die allgemeine politische Lage der Eintritt eines Mitgliedes sein, das jene Bestandteile einigermaßen zu paralysieren vermag. Das Zentrumsbataillon in der parlamentarischen Schlachtordnung des preußischen Abgeordnetenhauses wird dadurch wieder geschlossener und zuverlässiger; eine Er¬ starkung, die im Landtage hin und wieder unbequem sein mag, aber jedenfalls als das geringere von zwei Übeln anzusehen ist und daneben den Vorteil bietet, daß eine innerlich erstarkte preußische Zentrumsfraktion auch in der Reichstagsfraktion einen stärkern, dem Reichsintercsse nützlichem Einfluß auszuüben vermag, als gegen¬ wärtig bei dem Überwiegen der bayrischen Zentrumsdemokratie der Fall ist. Im Leben ist in der Regel nichts so schlimm, wie es aussieht, und nichts so gut, wie es aussieht. Gegenüber den Klagen liberaler Blätter, daß der überlastete Reichs¬ gerichtsrat Spnhn nun auch noch ein Landtagsmandat angenommen habe, möchten wir darum die Beschwerdeführer darauf aufmerksam machen, daß die Erfüllbarkeit einer ganzen Reihe von Forderungen, die sie im staatlichen und im nationalen Interesse vertreten, von der Zuverlässigkeit der Zentrumsfraktion und der Erstarkung der stantssinnigen Richtung innerhalb dieser direkt abhängt. Man darf Herrn Spnhn als einen entschlossenen Vertreter dieser Richtung an¬ sprechen, und einstweilen sollte man sich begnügen, seinen Eintritt in den Landtag von dieser Seite aus zu betrachten. Die politische Führung Deutschlands durch Preußen soll nicht nur im Reichsobcrhaupt und im Bundesrat zum Ausdruck ge¬ langen, sondern sie muß auch im Reichstage besteh». Sonst gerät der Reichstag nicht nur in einen Gegensatz zu den beiden andern „Faktoren der Reichsgesetz- gebung,'" sondern auch in einen Gegensatz zu dem Grundgedanken der Reichsver¬ fassung und des Bnndesverhältnisses überhaupt. Preußen ist im Reichstage nicht mehr stark genug, weil den Parteien die überragenden preußischen Führer fehlen, über die in den siebziger Jahren fast jede Fraktion verfügte. Im Gegensatz zu der fortgesetzten Steigerung unsers wirtschaftlichen Wohlstandes sind wir politisch sehr viel armer geworden, zum nicht geringen Teil aus dem Grunde, daß der geistige Gehalt des Reichstags, sein politisches und sein patriotisches Niveau leider

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/412>, abgerufen am 01.07.2024.