Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Glücksinseln und Träume

singt Fr. W. Weber. Sie sind darin beschränkt aus Gewohnheit, vielleicht ist ihnen
auch der Respekt vor jeder Art Handarbeit angeboren. Wenn man aber bedenkt,
wie mannigfaltig diese Arbeiten sind, zum Beispiel im Vergleich mit denen des
Handwerkers, und wie vielseitige Überlegung sie brauchen, versteht man wenigstens
etwas von dieser Schätzung.

Die einzigen Handwerke, die im Dorf etwas galten, waren die des Wagners
oder Stellmachers, des Maurers und des Zimmermanns. Schuster und Schneider
waren kleine Leute, hier wie in den meisten Nachbardörfern keine Altangesesseneu.
Trotzdem nun, daß des Schreiners Beruf war, allen Eichelbergern ihr letztes
Kämmerlein aus sechs Brettern und zwei Brettchen zu zimmern, galt der Wagner
bedeutend mehr, sei es, weil seine Arbeit ins Große ging und Kraft ver¬
langte, sei es, daß man den Wiederhersteller zerbrochner Pflüge und zerrissener
Eggen für notwendiger hielt als den Erbauer von Tischen und Stühlen. Aber
trotzdem war die kleine, helle, saubre Werkstatt, die sich der blinde Tischler Kobus
an sein Häuschen angebaut hatte, eine wichtige Stätte der Eichelberger. Wer ein¬
trat, fühlte sich angezogen und festgehalten. Man traf oft Leute hier, die eine
halbe Stunde verplauderte". Der Holzduft und der Leimgeruch wirkten wie der
Mvkkaduft auf Kaffeeschwestern: anregend, belebend. Wie oft saß ich dort auf einem
Bretterstoß und sah die silbernen oder atlasglänzendem Bänder des Holzes unter
demi Hobel sich aufwinden und herausquelle" und hörte den feinen Gesang des
Eisens, wie es über die feinen Fasern und die dunkeln Harzlinien hinfuhr. Wie
der Blinde noch im polierten Holze die Masern und die Flecken fühlte und nach¬
fuhr, das war wie eine verborgne Weisheit der Natur.

Der Maurer hatte zwar die meiste Zeit wenig Arbeit, aber er schaute jedes
Haus auf die Festigkeit seiner Mauern an, kannte ungefähr jeden Stein, der in
ihnen saß, und wußte ganz gut, welche Fundamente gut waren und welche nicht.
Der Zimmermann war in selner Weise ebenso gut unterrichtet über das Balken¬
werk, die Dachstühle und die Gartenzäune, und es mochte die Wirkung des Auf-
einanderangewiesenseins beider Handwerker sein, daß seit Generationen Glieder
derselben Familie die Mauer" und die Fachwerke aller Häuser des Dorfes auf¬
richteten. Im übrigen waren sie echte Bauern, die das Handwerk nur nebenher
betrieben. Und mit ihnen sagte" sie: Nicht zu viel arbeiten, wo es nicht dringend
not tut, nicht zu viel reden, aber manchmal wie der Donner däherfahren, nicht zu
viel ausgeben, aber auch nicht kargen.

Zu dem schönsten, was das Dorf hat, gehört, daß die, die darin so nahe der
naar wohnen, den Wechsel der Jahreszeiten ganz anders fühlen, mitleben, sich
selbst mit dem Kommen und Gehn der Blüten und der Früchte, der Sonne und
des Schnees veränder". Das Beruhigende eines Lebens, das in den festen Ufern
der Gewohnheit und mit den bestimmten Abschnitten des zu gleichen Zeiten immer
gleichen Geschehens dahingeht, liegt eben in diesem Eingefügtsein in die Folge der
Jahreszeiten, und die "Bauernregeln" lassen diesen Zusammenhang recht deutlich
hervortreten. Vermittelnd tritt die Arbeit zwischen den Menschen und seine Zeit,
sogar die außerordentlichen Ereignisse müssen sich einordnen.

Im Frühling und im Frühsommer wechselt Braun mit dem saftigen Grün der
jungen Saaten etwas z" einförmig; da sind die Buchenwälder fast so grün wie
das Getreide und die Eichen noch um einen Ton Heller, gelblicher. Wenn die
weißen und rötlichen Obstbäume nicht wären und die Wiesen nicht voll Blumen
stünden -- manche sind lila von der Masse des Schaumkrauts --, wäre es nicht
halb so schön wie im Spätsommer, wo gelbe Getreidefelder neben noch grünlichen
stehn und einige schon geschnitten und mit Garben bedeckt sind, wo die Wiesen
lichtgrün, die Bracher bald lichter, bald dunkler, der Wald fast schwärzlich steht.
Diese Aussicht ist den Bauern die liebste, in der andern ist zu viel Ungewißheit,
wie all das reife, wie er es heimbringe. Wer ein paar alte Birnenbäume und ge¬
sunde Glieder hat, kann zufrieden sein, sagten die alten Leute. Dieses Wort sollte


Glücksinseln und Träume

singt Fr. W. Weber. Sie sind darin beschränkt aus Gewohnheit, vielleicht ist ihnen
auch der Respekt vor jeder Art Handarbeit angeboren. Wenn man aber bedenkt,
wie mannigfaltig diese Arbeiten sind, zum Beispiel im Vergleich mit denen des
Handwerkers, und wie vielseitige Überlegung sie brauchen, versteht man wenigstens
etwas von dieser Schätzung.

Die einzigen Handwerke, die im Dorf etwas galten, waren die des Wagners
oder Stellmachers, des Maurers und des Zimmermanns. Schuster und Schneider
waren kleine Leute, hier wie in den meisten Nachbardörfern keine Altangesesseneu.
Trotzdem nun, daß des Schreiners Beruf war, allen Eichelbergern ihr letztes
Kämmerlein aus sechs Brettern und zwei Brettchen zu zimmern, galt der Wagner
bedeutend mehr, sei es, weil seine Arbeit ins Große ging und Kraft ver¬
langte, sei es, daß man den Wiederhersteller zerbrochner Pflüge und zerrissener
Eggen für notwendiger hielt als den Erbauer von Tischen und Stühlen. Aber
trotzdem war die kleine, helle, saubre Werkstatt, die sich der blinde Tischler Kobus
an sein Häuschen angebaut hatte, eine wichtige Stätte der Eichelberger. Wer ein¬
trat, fühlte sich angezogen und festgehalten. Man traf oft Leute hier, die eine
halbe Stunde verplauderte«. Der Holzduft und der Leimgeruch wirkten wie der
Mvkkaduft auf Kaffeeschwestern: anregend, belebend. Wie oft saß ich dort auf einem
Bretterstoß und sah die silbernen oder atlasglänzendem Bänder des Holzes unter
demi Hobel sich aufwinden und herausquelle» und hörte den feinen Gesang des
Eisens, wie es über die feinen Fasern und die dunkeln Harzlinien hinfuhr. Wie
der Blinde noch im polierten Holze die Masern und die Flecken fühlte und nach¬
fuhr, das war wie eine verborgne Weisheit der Natur.

Der Maurer hatte zwar die meiste Zeit wenig Arbeit, aber er schaute jedes
Haus auf die Festigkeit seiner Mauern an, kannte ungefähr jeden Stein, der in
ihnen saß, und wußte ganz gut, welche Fundamente gut waren und welche nicht.
Der Zimmermann war in selner Weise ebenso gut unterrichtet über das Balken¬
werk, die Dachstühle und die Gartenzäune, und es mochte die Wirkung des Auf-
einanderangewiesenseins beider Handwerker sein, daß seit Generationen Glieder
derselben Familie die Mauer» und die Fachwerke aller Häuser des Dorfes auf¬
richteten. Im übrigen waren sie echte Bauern, die das Handwerk nur nebenher
betrieben. Und mit ihnen sagte» sie: Nicht zu viel arbeiten, wo es nicht dringend
not tut, nicht zu viel reden, aber manchmal wie der Donner däherfahren, nicht zu
viel ausgeben, aber auch nicht kargen.

Zu dem schönsten, was das Dorf hat, gehört, daß die, die darin so nahe der
naar wohnen, den Wechsel der Jahreszeiten ganz anders fühlen, mitleben, sich
selbst mit dem Kommen und Gehn der Blüten und der Früchte, der Sonne und
des Schnees veränder». Das Beruhigende eines Lebens, das in den festen Ufern
der Gewohnheit und mit den bestimmten Abschnitten des zu gleichen Zeiten immer
gleichen Geschehens dahingeht, liegt eben in diesem Eingefügtsein in die Folge der
Jahreszeiten, und die „Bauernregeln" lassen diesen Zusammenhang recht deutlich
hervortreten. Vermittelnd tritt die Arbeit zwischen den Menschen und seine Zeit,
sogar die außerordentlichen Ereignisse müssen sich einordnen.

Im Frühling und im Frühsommer wechselt Braun mit dem saftigen Grün der
jungen Saaten etwas z» einförmig; da sind die Buchenwälder fast so grün wie
das Getreide und die Eichen noch um einen Ton Heller, gelblicher. Wenn die
weißen und rötlichen Obstbäume nicht wären und die Wiesen nicht voll Blumen
stünden — manche sind lila von der Masse des Schaumkrauts —, wäre es nicht
halb so schön wie im Spätsommer, wo gelbe Getreidefelder neben noch grünlichen
stehn und einige schon geschnitten und mit Garben bedeckt sind, wo die Wiesen
lichtgrün, die Bracher bald lichter, bald dunkler, der Wald fast schwärzlich steht.
Diese Aussicht ist den Bauern die liebste, in der andern ist zu viel Ungewißheit,
wie all das reife, wie er es heimbringe. Wer ein paar alte Birnenbäume und ge¬
sunde Glieder hat, kann zufrieden sein, sagten die alten Leute. Dieses Wort sollte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295617"/>
          <fw type="header" place="top"> Glücksinseln und Träume</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1906" prev="#ID_1905"> singt Fr. W. Weber. Sie sind darin beschränkt aus Gewohnheit, vielleicht ist ihnen<lb/>
auch der Respekt vor jeder Art Handarbeit angeboren. Wenn man aber bedenkt,<lb/>
wie mannigfaltig diese Arbeiten sind, zum Beispiel im Vergleich mit denen des<lb/>
Handwerkers, und wie vielseitige Überlegung sie brauchen, versteht man wenigstens<lb/>
etwas von dieser Schätzung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1907"> Die einzigen Handwerke, die im Dorf etwas galten, waren die des Wagners<lb/>
oder Stellmachers, des Maurers und des Zimmermanns. Schuster und Schneider<lb/>
waren kleine Leute, hier wie in den meisten Nachbardörfern keine Altangesesseneu.<lb/>
Trotzdem nun, daß des Schreiners Beruf war, allen Eichelbergern ihr letztes<lb/>
Kämmerlein aus sechs Brettern und zwei Brettchen zu zimmern, galt der Wagner<lb/>
bedeutend mehr, sei es, weil seine Arbeit ins Große ging und Kraft ver¬<lb/>
langte, sei es, daß man den Wiederhersteller zerbrochner Pflüge und zerrissener<lb/>
Eggen für notwendiger hielt als den Erbauer von Tischen und Stühlen. Aber<lb/>
trotzdem war die kleine, helle, saubre Werkstatt, die sich der blinde Tischler Kobus<lb/>
an sein Häuschen angebaut hatte, eine wichtige Stätte der Eichelberger. Wer ein¬<lb/>
trat, fühlte sich angezogen und festgehalten. Man traf oft Leute hier, die eine<lb/>
halbe Stunde verplauderte«. Der Holzduft und der Leimgeruch wirkten wie der<lb/>
Mvkkaduft auf Kaffeeschwestern: anregend, belebend. Wie oft saß ich dort auf einem<lb/>
Bretterstoß und sah die silbernen oder atlasglänzendem Bänder des Holzes unter<lb/>
demi Hobel sich aufwinden und herausquelle» und hörte den feinen Gesang des<lb/>
Eisens, wie es über die feinen Fasern und die dunkeln Harzlinien hinfuhr. Wie<lb/>
der Blinde noch im polierten Holze die Masern und die Flecken fühlte und nach¬<lb/>
fuhr, das war wie eine verborgne Weisheit der Natur.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1908"> Der Maurer hatte zwar die meiste Zeit wenig Arbeit, aber er schaute jedes<lb/>
Haus auf die Festigkeit seiner Mauern an, kannte ungefähr jeden Stein, der in<lb/>
ihnen saß, und wußte ganz gut, welche Fundamente gut waren und welche nicht.<lb/>
Der Zimmermann war in selner Weise ebenso gut unterrichtet über das Balken¬<lb/>
werk, die Dachstühle und die Gartenzäune, und es mochte die Wirkung des Auf-<lb/>
einanderangewiesenseins beider Handwerker sein, daß seit Generationen Glieder<lb/>
derselben Familie die Mauer» und die Fachwerke aller Häuser des Dorfes auf¬<lb/>
richteten. Im übrigen waren sie echte Bauern, die das Handwerk nur nebenher<lb/>
betrieben. Und mit ihnen sagte» sie: Nicht zu viel arbeiten, wo es nicht dringend<lb/>
not tut, nicht zu viel reden, aber manchmal wie der Donner däherfahren, nicht zu<lb/>
viel ausgeben, aber auch nicht kargen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1909"> Zu dem schönsten, was das Dorf hat, gehört, daß die, die darin so nahe der<lb/>
naar wohnen, den Wechsel der Jahreszeiten ganz anders fühlen, mitleben, sich<lb/>
selbst mit dem Kommen und Gehn der Blüten und der Früchte, der Sonne und<lb/>
des Schnees veränder». Das Beruhigende eines Lebens, das in den festen Ufern<lb/>
der Gewohnheit und mit den bestimmten Abschnitten des zu gleichen Zeiten immer<lb/>
gleichen Geschehens dahingeht, liegt eben in diesem Eingefügtsein in die Folge der<lb/>
Jahreszeiten, und die &#x201E;Bauernregeln" lassen diesen Zusammenhang recht deutlich<lb/>
hervortreten. Vermittelnd tritt die Arbeit zwischen den Menschen und seine Zeit,<lb/>
sogar die außerordentlichen Ereignisse müssen sich einordnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1910" next="#ID_1911"> Im Frühling und im Frühsommer wechselt Braun mit dem saftigen Grün der<lb/>
jungen Saaten etwas z» einförmig; da sind die Buchenwälder fast so grün wie<lb/>
das Getreide und die Eichen noch um einen Ton Heller, gelblicher. Wenn die<lb/>
weißen und rötlichen Obstbäume nicht wären und die Wiesen nicht voll Blumen<lb/>
stünden &#x2014; manche sind lila von der Masse des Schaumkrauts &#x2014;, wäre es nicht<lb/>
halb so schön wie im Spätsommer, wo gelbe Getreidefelder neben noch grünlichen<lb/>
stehn und einige schon geschnitten und mit Garben bedeckt sind, wo die Wiesen<lb/>
lichtgrün, die Bracher bald lichter, bald dunkler, der Wald fast schwärzlich steht.<lb/>
Diese Aussicht ist den Bauern die liebste, in der andern ist zu viel Ungewißheit,<lb/>
wie all das reife, wie er es heimbringe. Wer ein paar alte Birnenbäume und ge¬<lb/>
sunde Glieder hat, kann zufrieden sein, sagten die alten Leute. Dieses Wort sollte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0398] Glücksinseln und Träume singt Fr. W. Weber. Sie sind darin beschränkt aus Gewohnheit, vielleicht ist ihnen auch der Respekt vor jeder Art Handarbeit angeboren. Wenn man aber bedenkt, wie mannigfaltig diese Arbeiten sind, zum Beispiel im Vergleich mit denen des Handwerkers, und wie vielseitige Überlegung sie brauchen, versteht man wenigstens etwas von dieser Schätzung. Die einzigen Handwerke, die im Dorf etwas galten, waren die des Wagners oder Stellmachers, des Maurers und des Zimmermanns. Schuster und Schneider waren kleine Leute, hier wie in den meisten Nachbardörfern keine Altangesesseneu. Trotzdem nun, daß des Schreiners Beruf war, allen Eichelbergern ihr letztes Kämmerlein aus sechs Brettern und zwei Brettchen zu zimmern, galt der Wagner bedeutend mehr, sei es, weil seine Arbeit ins Große ging und Kraft ver¬ langte, sei es, daß man den Wiederhersteller zerbrochner Pflüge und zerrissener Eggen für notwendiger hielt als den Erbauer von Tischen und Stühlen. Aber trotzdem war die kleine, helle, saubre Werkstatt, die sich der blinde Tischler Kobus an sein Häuschen angebaut hatte, eine wichtige Stätte der Eichelberger. Wer ein¬ trat, fühlte sich angezogen und festgehalten. Man traf oft Leute hier, die eine halbe Stunde verplauderte«. Der Holzduft und der Leimgeruch wirkten wie der Mvkkaduft auf Kaffeeschwestern: anregend, belebend. Wie oft saß ich dort auf einem Bretterstoß und sah die silbernen oder atlasglänzendem Bänder des Holzes unter demi Hobel sich aufwinden und herausquelle» und hörte den feinen Gesang des Eisens, wie es über die feinen Fasern und die dunkeln Harzlinien hinfuhr. Wie der Blinde noch im polierten Holze die Masern und die Flecken fühlte und nach¬ fuhr, das war wie eine verborgne Weisheit der Natur. Der Maurer hatte zwar die meiste Zeit wenig Arbeit, aber er schaute jedes Haus auf die Festigkeit seiner Mauern an, kannte ungefähr jeden Stein, der in ihnen saß, und wußte ganz gut, welche Fundamente gut waren und welche nicht. Der Zimmermann war in selner Weise ebenso gut unterrichtet über das Balken¬ werk, die Dachstühle und die Gartenzäune, und es mochte die Wirkung des Auf- einanderangewiesenseins beider Handwerker sein, daß seit Generationen Glieder derselben Familie die Mauer» und die Fachwerke aller Häuser des Dorfes auf¬ richteten. Im übrigen waren sie echte Bauern, die das Handwerk nur nebenher betrieben. Und mit ihnen sagte» sie: Nicht zu viel arbeiten, wo es nicht dringend not tut, nicht zu viel reden, aber manchmal wie der Donner däherfahren, nicht zu viel ausgeben, aber auch nicht kargen. Zu dem schönsten, was das Dorf hat, gehört, daß die, die darin so nahe der naar wohnen, den Wechsel der Jahreszeiten ganz anders fühlen, mitleben, sich selbst mit dem Kommen und Gehn der Blüten und der Früchte, der Sonne und des Schnees veränder». Das Beruhigende eines Lebens, das in den festen Ufern der Gewohnheit und mit den bestimmten Abschnitten des zu gleichen Zeiten immer gleichen Geschehens dahingeht, liegt eben in diesem Eingefügtsein in die Folge der Jahreszeiten, und die „Bauernregeln" lassen diesen Zusammenhang recht deutlich hervortreten. Vermittelnd tritt die Arbeit zwischen den Menschen und seine Zeit, sogar die außerordentlichen Ereignisse müssen sich einordnen. Im Frühling und im Frühsommer wechselt Braun mit dem saftigen Grün der jungen Saaten etwas z» einförmig; da sind die Buchenwälder fast so grün wie das Getreide und die Eichen noch um einen Ton Heller, gelblicher. Wenn die weißen und rötlichen Obstbäume nicht wären und die Wiesen nicht voll Blumen stünden — manche sind lila von der Masse des Schaumkrauts —, wäre es nicht halb so schön wie im Spätsommer, wo gelbe Getreidefelder neben noch grünlichen stehn und einige schon geschnitten und mit Garben bedeckt sind, wo die Wiesen lichtgrün, die Bracher bald lichter, bald dunkler, der Wald fast schwärzlich steht. Diese Aussicht ist den Bauern die liebste, in der andern ist zu viel Ungewißheit, wie all das reife, wie er es heimbringe. Wer ein paar alte Birnenbäume und ge¬ sunde Glieder hat, kann zufrieden sein, sagten die alten Leute. Dieses Wort sollte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/398
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/398>, abgerufen am 04.07.2024.