Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.Ein neuer Plan zu gemeinsamer Verwaltung des britischen Weltreichs sondern auch aus Interessenpolitik eine Gemeinschaft mit der Union anstreben. Das hindert jedoch nicht, daß das Problem der Weltreichsverwaltung als Vor einigen Jahren hat man in verschiednen australischen Häfen Be¬ Ein neuer Plan zu gemeinsamer Verwaltung des britischen Weltreichs sondern auch aus Interessenpolitik eine Gemeinschaft mit der Union anstreben. Das hindert jedoch nicht, daß das Problem der Weltreichsverwaltung als Vor einigen Jahren hat man in verschiednen australischen Häfen Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295523"/> <fw type="header" place="top"> Ein neuer Plan zu gemeinsamer Verwaltung des britischen Weltreichs</fw><lb/> <p xml:id="ID_1459" prev="#ID_1458"> sondern auch aus Interessenpolitik eine Gemeinschaft mit der Union anstreben.<lb/> Jetzt liegt die Zollgrenze störend im Wege, sodaß die Kanadier ihr Getreide<lb/> und verarbeitetes Holz nicht zollfrei nach den Vereinigten Staaten schaffen<lb/> können, auch amerikanische Fabrikate, auf die sie wegen der geographischen Lage<lb/> so sehr angewiesen sind, wegen der kanadischen Schutzzölle hoch verzollen müssen.<lb/> England ist deshalb wegen Westkauada sehr vorsichtig. Ju andern Kolonien<lb/> hat es keine Schwierigkeiten, denn die Burenbcvölterung in Südafrika ist ent¬<lb/> waffnet und mutlos.</p><lb/> <p xml:id="ID_1460"> Das hindert jedoch nicht, daß das Problem der Weltreichsverwaltung als<lb/> nur unbefriedigend gelöst gilt. Kritische Zeiten in der auswärtigen Politik,<lb/> namentlich ein Krieg, unter dem die Kolonien vielleicht leiden müssen, können<lb/> einen Umschlag herbeiführen. England ist auf eine Verteidigung Indiens ein¬<lb/> gerichtet; ob genügend, das ist die Frage. Es sorgt sich sehr um die Sicher¬<lb/> heit des Landes und traut auch seinen farbigen Untertanen nicht durchaus.<lb/> Es duldet zum Beispiel nicht, daß die nur halb unabhängigen Fürsten Kanonen<lb/> haben, ja wenn es auch weitaus den größten Teil seiner indischen Truppen<lb/> aus Farbigen bildet, so nimmt es doch keinen Jndier in seine Artillerieregi-<lb/> mcnter auf. Die Eingebornen sollen gar nicht lernen, mit Geschützen umzugehn.<lb/> In den Europüerkvlonicn tritt England ganz anders auf. Von Südafrika, das noch<lb/> unter den Nachwehen des Kriegs leidet, sehen wir ab; im übrigen aber wird<lb/> nirgends eine Besatzung unterhalten, die ausreichend wäre oder auch nur den<lb/> Zweck hätte, die Bevölkerung in Schach zu halten. Alles ist auf die freie Zu¬<lb/> stimmung der Kolonialbevölkerung zur Fortdauer der gegenwärtigen Verhält¬<lb/> nisse gebaut. Auch in Neuseeland und in einzelnen der übrigen australischen<lb/> Kolonien, wo ein kaum anders als sozialdcmvkratisch zu nennender Radikalismus<lb/> sehr häufig die Parlamente, die Ministerien und die Gesetzgebung beherrscht<lb/> (im australischen Bunde ist das sozinldemvkratische Ministerium erst vor kurzem<lb/> zurückgetreten), läßt England die Parteien vollkommen gewähren und zweifelt<lb/> nicht an ihrem britischen Patriotismus. Ans eine Besatzung sich zu stützen, hält<lb/> es für überflüssig, auch wohl für wenig erfolgversprechend.</p><lb/> <p xml:id="ID_1461" next="#ID_1462"> Vor einigen Jahren hat man in verschiednen australischen Häfen Be¬<lb/> festigungen angelegt. Man empfand doch ernstliche Besorgnisse vor der Mög¬<lb/> lichkeit eines Krieges und dem mit ihm verbundnen Erscheinen feindlicher<lb/> Kreuzer, die den Handel stören und Schiffe wegnehmen, und — wo nur einige<lb/> Befestigungen als völkerrechtlicher Vorwand vorhanden waren — vor dem<lb/> Bombardement. Darum vereinbarten Kolonien und Mutterland, daß einige<lb/> Haupthüfen befestigt werden sollten. Und zwar sollten die Kolonien die Kosten<lb/> der Bauten und der Erdarbeiten tragen, das Mutterland die der Bewaffnung<lb/> und der Besatzung. Außerdem wurde ein Vertrag vereinbart, kraft dessen das<lb/> Mutterland sich verpflichtete, andauernd ein Geschwader von gewisser Stärke<lb/> in den australischen Gewässern zu unterhalten, zu dessen Kosten die Kolonien<lb/> einen gewissen Beitrag lieferten. Die Verwendung dieser Seemacht blieb aber<lb/> allein in den Hunden der Regierung zu London. Vor einigen Jahren ging<lb/> von Südafrika der Anstoß zu einer freiwilligen Unterstützung des Mutterlandes<lb/> dnrch Geld von den Kolonien aus. Die Sache kam auch in Gang. Es wurde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
Ein neuer Plan zu gemeinsamer Verwaltung des britischen Weltreichs
sondern auch aus Interessenpolitik eine Gemeinschaft mit der Union anstreben.
Jetzt liegt die Zollgrenze störend im Wege, sodaß die Kanadier ihr Getreide
und verarbeitetes Holz nicht zollfrei nach den Vereinigten Staaten schaffen
können, auch amerikanische Fabrikate, auf die sie wegen der geographischen Lage
so sehr angewiesen sind, wegen der kanadischen Schutzzölle hoch verzollen müssen.
England ist deshalb wegen Westkauada sehr vorsichtig. Ju andern Kolonien
hat es keine Schwierigkeiten, denn die Burenbcvölterung in Südafrika ist ent¬
waffnet und mutlos.
Das hindert jedoch nicht, daß das Problem der Weltreichsverwaltung als
nur unbefriedigend gelöst gilt. Kritische Zeiten in der auswärtigen Politik,
namentlich ein Krieg, unter dem die Kolonien vielleicht leiden müssen, können
einen Umschlag herbeiführen. England ist auf eine Verteidigung Indiens ein¬
gerichtet; ob genügend, das ist die Frage. Es sorgt sich sehr um die Sicher¬
heit des Landes und traut auch seinen farbigen Untertanen nicht durchaus.
Es duldet zum Beispiel nicht, daß die nur halb unabhängigen Fürsten Kanonen
haben, ja wenn es auch weitaus den größten Teil seiner indischen Truppen
aus Farbigen bildet, so nimmt es doch keinen Jndier in seine Artillerieregi-
mcnter auf. Die Eingebornen sollen gar nicht lernen, mit Geschützen umzugehn.
In den Europüerkvlonicn tritt England ganz anders auf. Von Südafrika, das noch
unter den Nachwehen des Kriegs leidet, sehen wir ab; im übrigen aber wird
nirgends eine Besatzung unterhalten, die ausreichend wäre oder auch nur den
Zweck hätte, die Bevölkerung in Schach zu halten. Alles ist auf die freie Zu¬
stimmung der Kolonialbevölkerung zur Fortdauer der gegenwärtigen Verhält¬
nisse gebaut. Auch in Neuseeland und in einzelnen der übrigen australischen
Kolonien, wo ein kaum anders als sozialdcmvkratisch zu nennender Radikalismus
sehr häufig die Parlamente, die Ministerien und die Gesetzgebung beherrscht
(im australischen Bunde ist das sozinldemvkratische Ministerium erst vor kurzem
zurückgetreten), läßt England die Parteien vollkommen gewähren und zweifelt
nicht an ihrem britischen Patriotismus. Ans eine Besatzung sich zu stützen, hält
es für überflüssig, auch wohl für wenig erfolgversprechend.
Vor einigen Jahren hat man in verschiednen australischen Häfen Be¬
festigungen angelegt. Man empfand doch ernstliche Besorgnisse vor der Mög¬
lichkeit eines Krieges und dem mit ihm verbundnen Erscheinen feindlicher
Kreuzer, die den Handel stören und Schiffe wegnehmen, und — wo nur einige
Befestigungen als völkerrechtlicher Vorwand vorhanden waren — vor dem
Bombardement. Darum vereinbarten Kolonien und Mutterland, daß einige
Haupthüfen befestigt werden sollten. Und zwar sollten die Kolonien die Kosten
der Bauten und der Erdarbeiten tragen, das Mutterland die der Bewaffnung
und der Besatzung. Außerdem wurde ein Vertrag vereinbart, kraft dessen das
Mutterland sich verpflichtete, andauernd ein Geschwader von gewisser Stärke
in den australischen Gewässern zu unterhalten, zu dessen Kosten die Kolonien
einen gewissen Beitrag lieferten. Die Verwendung dieser Seemacht blieb aber
allein in den Hunden der Regierung zu London. Vor einigen Jahren ging
von Südafrika der Anstoß zu einer freiwilligen Unterstützung des Mutterlandes
dnrch Geld von den Kolonien aus. Die Sache kam auch in Gang. Es wurde
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