Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.Die Sage vom Straudsegeu und das Strandrecht an der deutschen Rüste der Strandung anwesenden Eigentümer gegen Bezahlung der Zollgebühren, Die preußische Regierung Hütte sich durch den Versuch, diese den bis¬ Die in der preußischen Stranduugsordnuug enthaltne Bestimmung, daß So liegen auch unter der ersten preußischen Herrschaft schwere Schatten Grenzboten IV 1904 28
Die Sage vom Straudsegeu und das Strandrecht an der deutschen Rüste der Strandung anwesenden Eigentümer gegen Bezahlung der Zollgebühren, Die preußische Regierung Hütte sich durch den Versuch, diese den bis¬ Die in der preußischen Stranduugsordnuug enthaltne Bestimmung, daß So liegen auch unter der ersten preußischen Herrschaft schwere Schatten Grenzboten IV 1904 28
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295430"/> <fw type="header" place="top"> Die Sage vom Straudsegeu und das Strandrecht an der deutschen Rüste</fw><lb/> <p xml:id="ID_953" prev="#ID_952"> der Strandung anwesenden Eigentümer gegen Bezahlung der Zollgebühren,<lb/> des Bergelohns und der sonstigen Kosten übergeben, für den abwesenden oder<lb/> unbekannten „Jahr und Tag" aufbewahrt werden. Erhebt innerhalb dieser<lb/> Frist nach dreimaliger Bekanntmachung des Strandungsfalls niemand Anspruch<lb/> auf das Strandgut, so soll es verkauft und „Seiner Künigl. Majeft, ver¬<lb/> rechnet . . . werdeu." Ob verspätete Ansprüche noch berücksichtigt werden sollen,<lb/> entscheidet der König.</p><lb/> <p xml:id="ID_954"> Die preußische Regierung Hütte sich durch den Versuch, diese den bis¬<lb/> herigen Gepflogenheiten so schroff widersprechende Strandungsordnung in Ost¬<lb/> friesland einzuführen, einen großen Teil der neuen Landeskinder zu Feinden<lb/> gemacht. Schon die vorsichtigen Änderungen, die sie an dem ostfriesischen<lb/> Strnndbrauchc vornahm, riefen bei den Jnselfriesen nicht nur heftigen Wider¬<lb/> spruch, sondern offnen Widerstand hervor, und nicht immer scheint sie in dem<lb/> Kampfe mit den neuen Untertanen Siegerin geblieben zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_955"> Die in der preußischen Stranduugsordnuug enthaltne Bestimmung, daß<lb/> die geborgnen oder am Strande gefundnen herrenlosen Güter zur Sicherung<lb/> so bald als möglich nach der uüchsten Lizentstadt gebracht werden sollten,<lb/> wurde auch in Ostfriesland geltend gemacht. Die Regierung ordnete an, daß<lb/> bei Strcinduugeu die ganze Strandgutmasse, wenn der Eigentümer unbekannt<lb/> oder nicht vertrete» sei, nach Norden geschafft, hier öffentlich verkauft und zur<lb/> Bezahlung des Anteils der Berger und der sonstigen Kosten verwandt werde.<lb/> Der drohende endgiltige Verlust des schon unter der ostfriesischen Regierung<lb/> viel umstrittnen Strandgutdritteils in imtnra, erbitterte die Insulaner aufs<lb/> höchste. Ein Versuch des Großkanzlers von Coeccji, die nach Aurich vorge-<lb/> ladnen Altmnuner der Juister „zurechte zu weisen," blieb erfolglos. Als bald<lb/> danach ein mit Eisen und Weizen beladnes Schiff uns Juist strandete, weigerten<lb/> sich die Insulaner zu bergen, sodaß die wertvolle Lutung ganz verloren ging.<lb/> Ob sie wenigstens die Besatzung retteten, ist aus den Akten nicht klar. Darauf<lb/> soll uach einer Aufzeichnung des or. roa, Wenckebach, der 1750/51 auf Juist<lb/> war, den Insulanern durch einen Beschluß der ostfriesischen Kammer wieder<lb/> erlaubt worden sein, „den ?> Berger Anteil in auf der Insel zurück zu<lb/> behalten." Dem widersprechen allerdings Kammerbescheide vom Jahre 1760,<lb/> die den Anspruch der Borkumer auf das Strandgntdritteil in ruwen zurück¬<lb/> weisen und dem Amtsverwalter Damm zu Norden in Aussicht stellen, „daß,<lb/> wofern die Insulaner sich ferner wiedersezlich bezeigen mögten, ein Commando<lb/> Sie auf ihr Kosten, zum Gehorsahm bringen solle." Es blieb bei dieser<lb/> Drohung. Denn das gewaltige Ringen gegen halb Europa ließ Preußen zur<lb/> Beseitigung der Willkür, die auf denn Strande des entlegnen Gebiets herrschte,<lb/> keine Kräfte übrig.</p><lb/> <p xml:id="ID_956" next="#ID_957"> So liegen auch unter der ersten preußischen Herrschaft schwere Schatten<lb/> uns deu ostfriesischen Inseln. Zu Anfang des siebenjährigen Kriegs war<lb/> in den Wintermonaten, wenn die Stürme den Strand mit Schiffstrümmern<lb/> und Gütern deckten, auf Juist ein Soldat stationiert, um dem Strandvogt zu<lb/> helfen, „die Insulaner des denen Strandungen in Zaum zu halten." Der<lb/> Vogt Ottmann Dircks auf Juist war den Übergriffen der Insulaner gegenüber</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1904 28</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0211]
Die Sage vom Straudsegeu und das Strandrecht an der deutschen Rüste
der Strandung anwesenden Eigentümer gegen Bezahlung der Zollgebühren,
des Bergelohns und der sonstigen Kosten übergeben, für den abwesenden oder
unbekannten „Jahr und Tag" aufbewahrt werden. Erhebt innerhalb dieser
Frist nach dreimaliger Bekanntmachung des Strandungsfalls niemand Anspruch
auf das Strandgut, so soll es verkauft und „Seiner Künigl. Majeft, ver¬
rechnet . . . werdeu." Ob verspätete Ansprüche noch berücksichtigt werden sollen,
entscheidet der König.
Die preußische Regierung Hütte sich durch den Versuch, diese den bis¬
herigen Gepflogenheiten so schroff widersprechende Strandungsordnung in Ost¬
friesland einzuführen, einen großen Teil der neuen Landeskinder zu Feinden
gemacht. Schon die vorsichtigen Änderungen, die sie an dem ostfriesischen
Strnndbrauchc vornahm, riefen bei den Jnselfriesen nicht nur heftigen Wider¬
spruch, sondern offnen Widerstand hervor, und nicht immer scheint sie in dem
Kampfe mit den neuen Untertanen Siegerin geblieben zu sein.
Die in der preußischen Stranduugsordnuug enthaltne Bestimmung, daß
die geborgnen oder am Strande gefundnen herrenlosen Güter zur Sicherung
so bald als möglich nach der uüchsten Lizentstadt gebracht werden sollten,
wurde auch in Ostfriesland geltend gemacht. Die Regierung ordnete an, daß
bei Strcinduugeu die ganze Strandgutmasse, wenn der Eigentümer unbekannt
oder nicht vertrete» sei, nach Norden geschafft, hier öffentlich verkauft und zur
Bezahlung des Anteils der Berger und der sonstigen Kosten verwandt werde.
Der drohende endgiltige Verlust des schon unter der ostfriesischen Regierung
viel umstrittnen Strandgutdritteils in imtnra, erbitterte die Insulaner aufs
höchste. Ein Versuch des Großkanzlers von Coeccji, die nach Aurich vorge-
ladnen Altmnuner der Juister „zurechte zu weisen," blieb erfolglos. Als bald
danach ein mit Eisen und Weizen beladnes Schiff uns Juist strandete, weigerten
sich die Insulaner zu bergen, sodaß die wertvolle Lutung ganz verloren ging.
Ob sie wenigstens die Besatzung retteten, ist aus den Akten nicht klar. Darauf
soll uach einer Aufzeichnung des or. roa, Wenckebach, der 1750/51 auf Juist
war, den Insulanern durch einen Beschluß der ostfriesischen Kammer wieder
erlaubt worden sein, „den ?> Berger Anteil in auf der Insel zurück zu
behalten." Dem widersprechen allerdings Kammerbescheide vom Jahre 1760,
die den Anspruch der Borkumer auf das Strandgntdritteil in ruwen zurück¬
weisen und dem Amtsverwalter Damm zu Norden in Aussicht stellen, „daß,
wofern die Insulaner sich ferner wiedersezlich bezeigen mögten, ein Commando
Sie auf ihr Kosten, zum Gehorsahm bringen solle." Es blieb bei dieser
Drohung. Denn das gewaltige Ringen gegen halb Europa ließ Preußen zur
Beseitigung der Willkür, die auf denn Strande des entlegnen Gebiets herrschte,
keine Kräfte übrig.
So liegen auch unter der ersten preußischen Herrschaft schwere Schatten
uns deu ostfriesischen Inseln. Zu Anfang des siebenjährigen Kriegs war
in den Wintermonaten, wenn die Stürme den Strand mit Schiffstrümmern
und Gütern deckten, auf Juist ein Soldat stationiert, um dem Strandvogt zu
helfen, „die Insulaner des denen Strandungen in Zaum zu halten." Der
Vogt Ottmann Dircks auf Juist war den Übergriffen der Insulaner gegenüber
Grenzboten IV 1904 28
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