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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Damen auf Markby

lich waren alle beide viel älter als Julie, aber sie waren jedenfalls die einzigen
Spielkameraden, die sie in ihrer ersten Kindheit gehabt hatte. Erik ruderte fast
jeden Nachmittag über den See: auf Markbyhof gab es ja Pferde und Hunde
und Knechte im Überfluß, und es war keine Hausfrau da, die reine Stiefel, Kratz¬
füße und schöne Redensarten, verlangen konnte; da tat ein Junge, was ihm be¬
liebte, und hatte vollständig freien Spielraum. Und als Frau Sack starb, hatte
der "Alte," wie Juliens Vater immer genannt wurde, Arvtd von Hall, sein Paten¬
kind und Mündel, einen Jungen von fünfzehn bis sechzehn Jahren, der also fast
in demselben Alter stand wie Erik, zu sich genommen.

Nicht daß die Jungen sich jemals viel um "Julie" gekümmert hätten, denn
sie war noch zu klein, als daß sie an ihren Spielen hätte teilnehmen können, und
sie war außerdem "nur ein Mädel"; aber deren Gegenwart allein war für Julie
schon ein intensives Vergnügen. Daß sie die beiden an den Sonntagsmorgen mit
den Flinten über den Hof gehn sah, daß sie ihre Schnlgeschichten, ihren Jargon,
ihre Streitereien, ihre Prahlereien und ihre Zukunftspläne mit anhören, ja daß
sie Zeuge sein durfte, wenn sie sich balgten und wenn sie sich wieder versöhnten,
viles das brachte ihrem Leben in der Kinderstube bei Jungfer Alla Abwechslung
und Inhalt.

Jungfer Alla war schon bei Juliens Mutter Kinderfrau gewesen; sie war
zuverlässig wie ein Hofhund und treu wie Gold, aber die Jahre und eine zu¬
nehmende Kränklichkeit hatten sie allmählich zu einem so sauertöpfischen und
launischen Wesen gemacht, wie man sich nur eins denken konnte. Sie hatte eine
Tochter, die ihre eigne Mutter "Tante" nannte und auch auf dem Hof diente. Diese
Tochter rückte allmählich zu einer Art Haushälterin auf, war redlich und pflicht¬
treu, sehr strenggläubig und hatte den heftigen Charakter ihrer Mutter. Zwischen
diesen Frauenzimmern nun wuchs Julie auf, bis sie vierzehn Jahre alt wurde.

Juliens hauptsächliche Zerstreuung waren "unterhaltende Bücher" -- meist
Reisebeschreibungen und Gedichte -- und dann "spazieren gehn" oder besser gesagt,
"sich ohne Aufsicht und Kontrolle ans dem Gute herumtreiben." Sie hatte auch
viel Freude an einer Anzahl von Kupferstichen und Radierungen, die fast ver¬
gessen in einem Wandschrank der sogenannten Bibliothek durcheinander lagen.
Julie suchte sie zusammen, eignete sie sich an und bewahrte sie in der "grünen
Stube" ans, wo sie allmählich alle ihre Schatze aufhäufte. Sie hatte zwar nicht
eigentlich künstlerische Anlagen und hatte niemals die geringste Lust verspürt, in
dieser Hinsicht selbst etwas zu leisten, aber die Umgebung allein, in der sie un¬
gestört heranwuchs, ihre Liebhaberei, zu allen Jahreszeiten allein in Wald und
Flur umherzustreifen und -- im Anfang unbewußt, später aber mit immer zu¬
nehmender Freude -- auf die verschiednen Beleuchtungen derselben Gegend acht zu
geben, sowie die Vorliebe, mit der sie sich immer von denselben originellen alten
Gegenständen umgeben sah, hatten allmählich einen vielleicht eingebornen künstle¬
rischen Geschmack bei ihr entwickelt. Sie sprach zwar das Wort "Kunst" nie aus,
aber, wie ihr Vater einmal mit einem gewissen Stolz gesagt hatte, sie trug etwas
von dem in sich, was einen französischen Bauern, der noch nie in einem Museum
gewesen ist und nun in ein solches kommt, veranlaßt, sogleich auf das Meisterwerk
Zu deuten und zu sagen: 1'lors, o'gsr hö-in,

Herr Sack, der den Doktorgrad erworben hatte und streng auf seine aka¬
demische Würde hielt, unterrichtete seine Tochter selbst. Er schwur darauf, daß
keine "Dame" aus ihr werden dürfe. Schließlich aber gab er doch den wieder¬
holten Vorstellungen der Familie uni des Kindes willen nach und suchte eine Er¬
zieherin für sie.

Aber die erste Erzieherin, die Julie bekam, heiratete er; und das Mädchen
wurde in eine Pension nach Genf geschickt.

Als Julie nach fünf Jahren wieder heimkam, fand sie von den Helden ihrer
Kindheit nur noch Arvid vor. Erik war schon lange außer Landes, und Ärvid, der zu


Die Damen auf Markby

lich waren alle beide viel älter als Julie, aber sie waren jedenfalls die einzigen
Spielkameraden, die sie in ihrer ersten Kindheit gehabt hatte. Erik ruderte fast
jeden Nachmittag über den See: auf Markbyhof gab es ja Pferde und Hunde
und Knechte im Überfluß, und es war keine Hausfrau da, die reine Stiefel, Kratz¬
füße und schöne Redensarten, verlangen konnte; da tat ein Junge, was ihm be¬
liebte, und hatte vollständig freien Spielraum. Und als Frau Sack starb, hatte
der „Alte," wie Juliens Vater immer genannt wurde, Arvtd von Hall, sein Paten¬
kind und Mündel, einen Jungen von fünfzehn bis sechzehn Jahren, der also fast
in demselben Alter stand wie Erik, zu sich genommen.

Nicht daß die Jungen sich jemals viel um „Julie" gekümmert hätten, denn
sie war noch zu klein, als daß sie an ihren Spielen hätte teilnehmen können, und
sie war außerdem „nur ein Mädel"; aber deren Gegenwart allein war für Julie
schon ein intensives Vergnügen. Daß sie die beiden an den Sonntagsmorgen mit
den Flinten über den Hof gehn sah, daß sie ihre Schnlgeschichten, ihren Jargon,
ihre Streitereien, ihre Prahlereien und ihre Zukunftspläne mit anhören, ja daß
sie Zeuge sein durfte, wenn sie sich balgten und wenn sie sich wieder versöhnten,
viles das brachte ihrem Leben in der Kinderstube bei Jungfer Alla Abwechslung
und Inhalt.

Jungfer Alla war schon bei Juliens Mutter Kinderfrau gewesen; sie war
zuverlässig wie ein Hofhund und treu wie Gold, aber die Jahre und eine zu¬
nehmende Kränklichkeit hatten sie allmählich zu einem so sauertöpfischen und
launischen Wesen gemacht, wie man sich nur eins denken konnte. Sie hatte eine
Tochter, die ihre eigne Mutter „Tante" nannte und auch auf dem Hof diente. Diese
Tochter rückte allmählich zu einer Art Haushälterin auf, war redlich und pflicht¬
treu, sehr strenggläubig und hatte den heftigen Charakter ihrer Mutter. Zwischen
diesen Frauenzimmern nun wuchs Julie auf, bis sie vierzehn Jahre alt wurde.

Juliens hauptsächliche Zerstreuung waren „unterhaltende Bücher" — meist
Reisebeschreibungen und Gedichte — und dann „spazieren gehn" oder besser gesagt,
„sich ohne Aufsicht und Kontrolle ans dem Gute herumtreiben." Sie hatte auch
viel Freude an einer Anzahl von Kupferstichen und Radierungen, die fast ver¬
gessen in einem Wandschrank der sogenannten Bibliothek durcheinander lagen.
Julie suchte sie zusammen, eignete sie sich an und bewahrte sie in der „grünen
Stube" ans, wo sie allmählich alle ihre Schatze aufhäufte. Sie hatte zwar nicht
eigentlich künstlerische Anlagen und hatte niemals die geringste Lust verspürt, in
dieser Hinsicht selbst etwas zu leisten, aber die Umgebung allein, in der sie un¬
gestört heranwuchs, ihre Liebhaberei, zu allen Jahreszeiten allein in Wald und
Flur umherzustreifen und — im Anfang unbewußt, später aber mit immer zu¬
nehmender Freude — auf die verschiednen Beleuchtungen derselben Gegend acht zu
geben, sowie die Vorliebe, mit der sie sich immer von denselben originellen alten
Gegenständen umgeben sah, hatten allmählich einen vielleicht eingebornen künstle¬
rischen Geschmack bei ihr entwickelt. Sie sprach zwar das Wort „Kunst" nie aus,
aber, wie ihr Vater einmal mit einem gewissen Stolz gesagt hatte, sie trug etwas
von dem in sich, was einen französischen Bauern, der noch nie in einem Museum
gewesen ist und nun in ein solches kommt, veranlaßt, sogleich auf das Meisterwerk
Zu deuten und zu sagen: 1'lors, o'gsr hö-in,

Herr Sack, der den Doktorgrad erworben hatte und streng auf seine aka¬
demische Würde hielt, unterrichtete seine Tochter selbst. Er schwur darauf, daß
keine „Dame" aus ihr werden dürfe. Schließlich aber gab er doch den wieder¬
holten Vorstellungen der Familie uni des Kindes willen nach und suchte eine Er¬
zieherin für sie.

Aber die erste Erzieherin, die Julie bekam, heiratete er; und das Mädchen
wurde in eine Pension nach Genf geschickt.

Als Julie nach fünf Jahren wieder heimkam, fand sie von den Helden ihrer
Kindheit nur noch Arvid vor. Erik war schon lange außer Landes, und Ärvid, der zu


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[0169] Die Damen auf Markby lich waren alle beide viel älter als Julie, aber sie waren jedenfalls die einzigen Spielkameraden, die sie in ihrer ersten Kindheit gehabt hatte. Erik ruderte fast jeden Nachmittag über den See: auf Markbyhof gab es ja Pferde und Hunde und Knechte im Überfluß, und es war keine Hausfrau da, die reine Stiefel, Kratz¬ füße und schöne Redensarten, verlangen konnte; da tat ein Junge, was ihm be¬ liebte, und hatte vollständig freien Spielraum. Und als Frau Sack starb, hatte der „Alte," wie Juliens Vater immer genannt wurde, Arvtd von Hall, sein Paten¬ kind und Mündel, einen Jungen von fünfzehn bis sechzehn Jahren, der also fast in demselben Alter stand wie Erik, zu sich genommen. Nicht daß die Jungen sich jemals viel um „Julie" gekümmert hätten, denn sie war noch zu klein, als daß sie an ihren Spielen hätte teilnehmen können, und sie war außerdem „nur ein Mädel"; aber deren Gegenwart allein war für Julie schon ein intensives Vergnügen. Daß sie die beiden an den Sonntagsmorgen mit den Flinten über den Hof gehn sah, daß sie ihre Schnlgeschichten, ihren Jargon, ihre Streitereien, ihre Prahlereien und ihre Zukunftspläne mit anhören, ja daß sie Zeuge sein durfte, wenn sie sich balgten und wenn sie sich wieder versöhnten, viles das brachte ihrem Leben in der Kinderstube bei Jungfer Alla Abwechslung und Inhalt. Jungfer Alla war schon bei Juliens Mutter Kinderfrau gewesen; sie war zuverlässig wie ein Hofhund und treu wie Gold, aber die Jahre und eine zu¬ nehmende Kränklichkeit hatten sie allmählich zu einem so sauertöpfischen und launischen Wesen gemacht, wie man sich nur eins denken konnte. Sie hatte eine Tochter, die ihre eigne Mutter „Tante" nannte und auch auf dem Hof diente. Diese Tochter rückte allmählich zu einer Art Haushälterin auf, war redlich und pflicht¬ treu, sehr strenggläubig und hatte den heftigen Charakter ihrer Mutter. Zwischen diesen Frauenzimmern nun wuchs Julie auf, bis sie vierzehn Jahre alt wurde. Juliens hauptsächliche Zerstreuung waren „unterhaltende Bücher" — meist Reisebeschreibungen und Gedichte — und dann „spazieren gehn" oder besser gesagt, „sich ohne Aufsicht und Kontrolle ans dem Gute herumtreiben." Sie hatte auch viel Freude an einer Anzahl von Kupferstichen und Radierungen, die fast ver¬ gessen in einem Wandschrank der sogenannten Bibliothek durcheinander lagen. Julie suchte sie zusammen, eignete sie sich an und bewahrte sie in der „grünen Stube" ans, wo sie allmählich alle ihre Schatze aufhäufte. Sie hatte zwar nicht eigentlich künstlerische Anlagen und hatte niemals die geringste Lust verspürt, in dieser Hinsicht selbst etwas zu leisten, aber die Umgebung allein, in der sie un¬ gestört heranwuchs, ihre Liebhaberei, zu allen Jahreszeiten allein in Wald und Flur umherzustreifen und — im Anfang unbewußt, später aber mit immer zu¬ nehmender Freude — auf die verschiednen Beleuchtungen derselben Gegend acht zu geben, sowie die Vorliebe, mit der sie sich immer von denselben originellen alten Gegenständen umgeben sah, hatten allmählich einen vielleicht eingebornen künstle¬ rischen Geschmack bei ihr entwickelt. Sie sprach zwar das Wort „Kunst" nie aus, aber, wie ihr Vater einmal mit einem gewissen Stolz gesagt hatte, sie trug etwas von dem in sich, was einen französischen Bauern, der noch nie in einem Museum gewesen ist und nun in ein solches kommt, veranlaßt, sogleich auf das Meisterwerk Zu deuten und zu sagen: 1'lors, o'gsr hö-in, Herr Sack, der den Doktorgrad erworben hatte und streng auf seine aka¬ demische Würde hielt, unterrichtete seine Tochter selbst. Er schwur darauf, daß keine „Dame" aus ihr werden dürfe. Schließlich aber gab er doch den wieder¬ holten Vorstellungen der Familie uni des Kindes willen nach und suchte eine Er¬ zieherin für sie. Aber die erste Erzieherin, die Julie bekam, heiratete er; und das Mädchen wurde in eine Pension nach Genf geschickt. Als Julie nach fünf Jahren wieder heimkam, fand sie von den Helden ihrer Kindheit nur noch Arvid vor. Erik war schon lange außer Landes, und Ärvid, der zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/169>, abgerufen am 29.06.2024.