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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Damen auf Markby

reichen Kaufleuten; er war ein großer, magrer, sehr lebhafter, sehr belesener und
sehr weitgereister, etwas redseliger Herr. Dazu war der Onkel fast noch mehr
"Kavalier" als sein Sohn; den ganzen Mittag war er unausgesetzt bemüht ge¬
wesen, aufmerksam gegen Elu zu sein, hatte sich auf die höflichste Weise nach allen
daheim erkundigt und ihr väterliche, aber gewandte Schmeicheleien über ihr wunder¬
schönes Haar und ihr schwarzes Tüllkleid mit den dunkelblauen Flittern darauf,
das ihren Teint womöglich noch weißer erscheinen lasse, gesagt. Außerdem halte
er ihr eine lange Reihe von Konzerten und andern Vergnügen in Aussicht gestellt
und sich, kurz gesagt, überraschend gut aufgeführt.

Wenn nnr Erik wie sein Vater gewesen wäre, dann hätte sich Elu keine ent¬
zückendere Aussicht für den Winter denken können, aber so, wie er jetzt war! . . .
Elu hätte wirklich nicht gedacht, daß ein Mensch, der ein hübsches Gesicht hatte
und auch sonst im ganzen genommen recht passabel war, bei näherer Bekanntschaft
so langweilig sein könnte. Und gestern war er doch wirklich ganz gemütlich ge¬
wesen! Aber das kam natürlich daher, daß sie im Grunde nichts von ihm ge¬
wußt hatte, sondern selbst freudig und unschuldig mit geschlossenen Augen drauf
los gegangen war. Nun, und zwar bloß weil sie wußte, daß er immer an diese
Julie dachte -- denn darüber konnte kein Zweifel herrschen, daß er das tat --, hatte
sie nicht die geringste Lust mehr, sich mit ihm zu unterhalten.

Markbyhof machte zuerst gar nicht den Eindruck ans sie, den sie nach Juliens
durchaus "stilvollen" Auftreten um Vormittag erwartet hatte. Es war ein alt¬
schwedischer, zweistöckiger Holzbau, der hell angestrichen und jetzt mit schon herbst¬
lich entblätterten Schlingpflanzen bewachsen war. Zu der geräumigen Flur führte
eine breite Freitreppe, und darüber war ein Balkon mit einem breiten eisernen
Gitter. Rechts und links vom Hauptgebäude und dem großen kiesbestrenten Hof
erstreckte sich je ein langer niedriger Flügel mit moosbewachsnem Strohdach, aus
denen ein Paar spitzige Dachfenster aufragten, die mit dem anspruchsvollen Namen
"Frontepieee" bezeichnet wurden. Von der Landstraße führte eine Allee alter
Hängebirken nach dem Herrenhöfe.

Ja, das ist das alte Markby, sagte wie vorstellend Onkel Bricmt mit einer
gewissen Hochachtung. Man behauptet, es habe damals genau so ausgesehen, als
der Kciroliner Johann Sack aus Friederikshald heimgekommen sei.

Ist es nicht älter? fragte Elu, der dieses Alter nicht sehr imponierend vorkam.

Nicht älter? wiederholte der alte Bricmt beinahe gekränkt. Ich meine doch,
zweihundert Jahre seien ein recht anständiges Alter für einen Holzbau.

Aber wer wohnt denn in diesen Seitenflügeln? fragte Elu schnell. Denn
ihr -- der Herrschaft, meine ich -- müßte eigentlich das Hauptgebäude genügen.

Da wohnt auch nnr Julie mit ihrer Stiefmutter. Juliens Bräutigam, Haupt¬
mann von Hall, der den Hof gepachtet hat, wohnt in dem einen Flügel, und den
andern hat die Fran Pröpstin mit ihrer Tochter inne. Ich glaubte übrigens, Erik
habe Ihnen gestern nähere Auskunft über unsre Freunde gegeben.

Aber das ist ja eine ganze Kolonie, rief Elu etwas rasch und begann Plötz¬
lich zu lachen. Heißen diese auch Sack?

Der alte Briare stimmte aus Höflichkeit in ihr Lachen ein. Eigentlich meinte
er zwar, daß seine wohlwollende Aufmerksamkeit kein Grund zum Lachen sei. Nein,
antwortete er, sie heißen Garde. Es sind nahe Verwandte von Juliens Mutter,
fuhr er umständlich erklärend fort, die Pröpstin war mit deren älteren Halbbruder
verheiratet. . . . Seit acht bis zehn Jahren wohnen sie nun auf Markby.

Vor der Freitreppe ging Julie mit einem Herrn ans und ab, dessen Aus¬
sehen Elu sogleich mit kühner Phantasie als das eines "Tempelritters oder so
etwas" bezeichnete. Er war groß, stattlich und ungewöhnlich dunkel und sah
mit den großen schweren Augenbrauen und einem starken dunkeln Schnurrbart
etwas melancholisch aus. Trotz seiner Tempelritterlichkeit war er übrigens äußerst
fehlt und modern gekleidet in einen grauen Sommeranzug und sehr steif ge-


Die Damen auf Markby

reichen Kaufleuten; er war ein großer, magrer, sehr lebhafter, sehr belesener und
sehr weitgereister, etwas redseliger Herr. Dazu war der Onkel fast noch mehr
„Kavalier" als sein Sohn; den ganzen Mittag war er unausgesetzt bemüht ge¬
wesen, aufmerksam gegen Elu zu sein, hatte sich auf die höflichste Weise nach allen
daheim erkundigt und ihr väterliche, aber gewandte Schmeicheleien über ihr wunder¬
schönes Haar und ihr schwarzes Tüllkleid mit den dunkelblauen Flittern darauf,
das ihren Teint womöglich noch weißer erscheinen lasse, gesagt. Außerdem halte
er ihr eine lange Reihe von Konzerten und andern Vergnügen in Aussicht gestellt
und sich, kurz gesagt, überraschend gut aufgeführt.

Wenn nnr Erik wie sein Vater gewesen wäre, dann hätte sich Elu keine ent¬
zückendere Aussicht für den Winter denken können, aber so, wie er jetzt war! . . .
Elu hätte wirklich nicht gedacht, daß ein Mensch, der ein hübsches Gesicht hatte
und auch sonst im ganzen genommen recht passabel war, bei näherer Bekanntschaft
so langweilig sein könnte. Und gestern war er doch wirklich ganz gemütlich ge¬
wesen! Aber das kam natürlich daher, daß sie im Grunde nichts von ihm ge¬
wußt hatte, sondern selbst freudig und unschuldig mit geschlossenen Augen drauf
los gegangen war. Nun, und zwar bloß weil sie wußte, daß er immer an diese
Julie dachte — denn darüber konnte kein Zweifel herrschen, daß er das tat —, hatte
sie nicht die geringste Lust mehr, sich mit ihm zu unterhalten.

Markbyhof machte zuerst gar nicht den Eindruck ans sie, den sie nach Juliens
durchaus „stilvollen" Auftreten um Vormittag erwartet hatte. Es war ein alt¬
schwedischer, zweistöckiger Holzbau, der hell angestrichen und jetzt mit schon herbst¬
lich entblätterten Schlingpflanzen bewachsen war. Zu der geräumigen Flur führte
eine breite Freitreppe, und darüber war ein Balkon mit einem breiten eisernen
Gitter. Rechts und links vom Hauptgebäude und dem großen kiesbestrenten Hof
erstreckte sich je ein langer niedriger Flügel mit moosbewachsnem Strohdach, aus
denen ein Paar spitzige Dachfenster aufragten, die mit dem anspruchsvollen Namen
„Frontepieee" bezeichnet wurden. Von der Landstraße führte eine Allee alter
Hängebirken nach dem Herrenhöfe.

Ja, das ist das alte Markby, sagte wie vorstellend Onkel Bricmt mit einer
gewissen Hochachtung. Man behauptet, es habe damals genau so ausgesehen, als
der Kciroliner Johann Sack aus Friederikshald heimgekommen sei.

Ist es nicht älter? fragte Elu, der dieses Alter nicht sehr imponierend vorkam.

Nicht älter? wiederholte der alte Bricmt beinahe gekränkt. Ich meine doch,
zweihundert Jahre seien ein recht anständiges Alter für einen Holzbau.

Aber wer wohnt denn in diesen Seitenflügeln? fragte Elu schnell. Denn
ihr — der Herrschaft, meine ich — müßte eigentlich das Hauptgebäude genügen.

Da wohnt auch nnr Julie mit ihrer Stiefmutter. Juliens Bräutigam, Haupt¬
mann von Hall, der den Hof gepachtet hat, wohnt in dem einen Flügel, und den
andern hat die Fran Pröpstin mit ihrer Tochter inne. Ich glaubte übrigens, Erik
habe Ihnen gestern nähere Auskunft über unsre Freunde gegeben.

Aber das ist ja eine ganze Kolonie, rief Elu etwas rasch und begann Plötz¬
lich zu lachen. Heißen diese auch Sack?

Der alte Briare stimmte aus Höflichkeit in ihr Lachen ein. Eigentlich meinte
er zwar, daß seine wohlwollende Aufmerksamkeit kein Grund zum Lachen sei. Nein,
antwortete er, sie heißen Garde. Es sind nahe Verwandte von Juliens Mutter,
fuhr er umständlich erklärend fort, die Pröpstin war mit deren älteren Halbbruder
verheiratet. . . . Seit acht bis zehn Jahren wohnen sie nun auf Markby.

Vor der Freitreppe ging Julie mit einem Herrn ans und ab, dessen Aus¬
sehen Elu sogleich mit kühner Phantasie als das eines „Tempelritters oder so
etwas" bezeichnete. Er war groß, stattlich und ungewöhnlich dunkel und sah
mit den großen schweren Augenbrauen und einem starken dunkeln Schnurrbart
etwas melancholisch aus. Trotz seiner Tempelritterlichkeit war er übrigens äußerst
fehlt und modern gekleidet in einen grauen Sommeranzug und sehr steif ge-


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[0113] Die Damen auf Markby reichen Kaufleuten; er war ein großer, magrer, sehr lebhafter, sehr belesener und sehr weitgereister, etwas redseliger Herr. Dazu war der Onkel fast noch mehr „Kavalier" als sein Sohn; den ganzen Mittag war er unausgesetzt bemüht ge¬ wesen, aufmerksam gegen Elu zu sein, hatte sich auf die höflichste Weise nach allen daheim erkundigt und ihr väterliche, aber gewandte Schmeicheleien über ihr wunder¬ schönes Haar und ihr schwarzes Tüllkleid mit den dunkelblauen Flittern darauf, das ihren Teint womöglich noch weißer erscheinen lasse, gesagt. Außerdem halte er ihr eine lange Reihe von Konzerten und andern Vergnügen in Aussicht gestellt und sich, kurz gesagt, überraschend gut aufgeführt. Wenn nnr Erik wie sein Vater gewesen wäre, dann hätte sich Elu keine ent¬ zückendere Aussicht für den Winter denken können, aber so, wie er jetzt war! . . . Elu hätte wirklich nicht gedacht, daß ein Mensch, der ein hübsches Gesicht hatte und auch sonst im ganzen genommen recht passabel war, bei näherer Bekanntschaft so langweilig sein könnte. Und gestern war er doch wirklich ganz gemütlich ge¬ wesen! Aber das kam natürlich daher, daß sie im Grunde nichts von ihm ge¬ wußt hatte, sondern selbst freudig und unschuldig mit geschlossenen Augen drauf los gegangen war. Nun, und zwar bloß weil sie wußte, daß er immer an diese Julie dachte — denn darüber konnte kein Zweifel herrschen, daß er das tat —, hatte sie nicht die geringste Lust mehr, sich mit ihm zu unterhalten. Markbyhof machte zuerst gar nicht den Eindruck ans sie, den sie nach Juliens durchaus „stilvollen" Auftreten um Vormittag erwartet hatte. Es war ein alt¬ schwedischer, zweistöckiger Holzbau, der hell angestrichen und jetzt mit schon herbst¬ lich entblätterten Schlingpflanzen bewachsen war. Zu der geräumigen Flur führte eine breite Freitreppe, und darüber war ein Balkon mit einem breiten eisernen Gitter. Rechts und links vom Hauptgebäude und dem großen kiesbestrenten Hof erstreckte sich je ein langer niedriger Flügel mit moosbewachsnem Strohdach, aus denen ein Paar spitzige Dachfenster aufragten, die mit dem anspruchsvollen Namen „Frontepieee" bezeichnet wurden. Von der Landstraße führte eine Allee alter Hängebirken nach dem Herrenhöfe. Ja, das ist das alte Markby, sagte wie vorstellend Onkel Bricmt mit einer gewissen Hochachtung. Man behauptet, es habe damals genau so ausgesehen, als der Kciroliner Johann Sack aus Friederikshald heimgekommen sei. Ist es nicht älter? fragte Elu, der dieses Alter nicht sehr imponierend vorkam. Nicht älter? wiederholte der alte Bricmt beinahe gekränkt. Ich meine doch, zweihundert Jahre seien ein recht anständiges Alter für einen Holzbau. Aber wer wohnt denn in diesen Seitenflügeln? fragte Elu schnell. Denn ihr — der Herrschaft, meine ich — müßte eigentlich das Hauptgebäude genügen. Da wohnt auch nnr Julie mit ihrer Stiefmutter. Juliens Bräutigam, Haupt¬ mann von Hall, der den Hof gepachtet hat, wohnt in dem einen Flügel, und den andern hat die Fran Pröpstin mit ihrer Tochter inne. Ich glaubte übrigens, Erik habe Ihnen gestern nähere Auskunft über unsre Freunde gegeben. Aber das ist ja eine ganze Kolonie, rief Elu etwas rasch und begann Plötz¬ lich zu lachen. Heißen diese auch Sack? Der alte Briare stimmte aus Höflichkeit in ihr Lachen ein. Eigentlich meinte er zwar, daß seine wohlwollende Aufmerksamkeit kein Grund zum Lachen sei. Nein, antwortete er, sie heißen Garde. Es sind nahe Verwandte von Juliens Mutter, fuhr er umständlich erklärend fort, die Pröpstin war mit deren älteren Halbbruder verheiratet. . . . Seit acht bis zehn Jahren wohnen sie nun auf Markby. Vor der Freitreppe ging Julie mit einem Herrn ans und ab, dessen Aus¬ sehen Elu sogleich mit kühner Phantasie als das eines „Tempelritters oder so etwas" bezeichnete. Er war groß, stattlich und ungewöhnlich dunkel und sah mit den großen schweren Augenbrauen und einem starken dunkeln Schnurrbart etwas melancholisch aus. Trotz seiner Tempelritterlichkeit war er übrigens äußerst fehlt und modern gekleidet in einen grauen Sommeranzug und sehr steif ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/113>, abgerufen am 23.07.2024.