Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Gemeinsprache gewisse Geräte aus diese Weise bezeichnen, also zum Beispiel von einem Nochmals um einen Grad menschlich näh g szsg Gemeinsprache gewisse Geräte aus diese Weise bezeichnen, also zum Beispiel von einem Nochmals um einen Grad menschlich näh g szsg <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0533" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294950"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2331" prev="#ID_2330"> Gemeinsprache gewisse Geräte aus diese Weise bezeichnen, also zum Beispiel von einem<lb/> „Bohrer," „Nußknacker," „Operngucker" oder „Feldstecher," ja sogar von einem<lb/> „stummen Diener" sprechen oder eine bestimmte Waffe einen „Totschläger" nennen,<lb/> so auch die Gauner. Bei ihnen bedeutet zum Beispiel Nußknacker eine Ölmühle.<lb/> Totmacher das Beil. Roller (zuweilen) den Schubkarren, Feldschaberer den<lb/> Pflug. Landläufer den Wagen. Disputierer ist ein gaunerischer Kunstausdruck<lb/> für die lange Stange zum Stehlen durch Fenster und Gitter oder zur Vermittlung<lb/> unerlaubten Verkehrs in den Gefängnissen. Jadschacherer oder Jadschocher (wohl<lb/> von jüd. ^et, Hand und ..schachern," handeln, stehlen) oder Schwarzmoser, d. h.<lb/> eigentl. der schwarze Verräter (jüd. mossor) sind solche für das Brecheisen zum Öffnen<lb/> von Verschlüssen. Ja, um jeden Zweifel an der Gleichstellung gewisser Dinge mit den<lb/> Menschen auszuschließen, hat man gern zu Verbindungen mit dem Worte „Mann"<lb/> gegriffen, die sich im Rotwelsch übrigens anch sonst noch (zur Bezeichnung von<lb/> lebenden Wesen, Tieren wie Menschen) nicht weniger Beliebtheit erfreuen als im<lb/> Deutschen überhaupt. So sind nach dem Vorgange von Zwickmann, der Henker<lb/> (wohl nach dem Zwicken mit glühenden Zangen; vgl. auch Zwickers, Hammer und<lb/> Scharfrichter, „Meister Hämmerlein"), Baumelmann oder Bammelmann, der<lb/> Gehängte, Plattmann, der Landmann (wohl vom „Platten Lande"), Trappel¬<lb/> mann, das Pferd, Bartmann, der Bock (vgl. auch in span. xsrmMia: darwäo)<lb/> u. a. in. zahlreiche Personifikationen von Sachen, ja sogar von abstrakten Begriffen<lb/> geschaffen worden. Schon der I^ibor Vaxatorum verzeichnet deren zwei: das frivole<lb/> ..Butzeilman" (d. h. Butzemann, Possen- oder Spaßmacher) für „Zagel" (penis)<lb/> und das jüdisch-deutsche „Dolman" für „Galg," Galgen (später auch Thalmann<lb/> vom jüd. WIv, rotw. taljenen, talgen, totum usw., aufhängen, henken). In den<lb/> spätern Sammlungen begegnen uns öfter namentlich: Obermann, der Hut, die<lb/> Mütze, auch wohl der Boden, Speicher (dagegen: Ubermann, Überzieher bei den<lb/> Berliner Gaunern), Erdmann, der (irdne) Topf. Feldmann. der Pflug (Feld-<lb/> mandl, die Egge), Ellenmänner, die Schuhe, weiter auch Krachmann oder<lb/> Krackelmann, die Nuß. Dickmann, das El, Grünmann oder Duftimann,<lb/> der Frühling (vgl. im nat. ?orxo: it v«ra<z, April, 1'ocloivLo, der Mai. und im<lb/> engl. Cent: 1iAbtwg.it, Tag, ciarkm-in, Nacht u. a. in.). ja vereinzelt findet sich sogar<lb/> der Begriff „das gerichtliche Verhör" durch „Frechmann" wiedergegeben, weil in<lb/> Hin ein richtiger Gauner ja meist frech zu leugnen pflegt.<lb/> ererücktouaenereinenuns</p><lb/> <p xml:id="ID_2332" next="#ID_2333"> Nochmals um einen Grad menschlich näh g szsg<lb/> endlich die Ausdrücke für unbeseelte Wesen, die mit bestimmten Personennamen in<lb/> Verbindung gebracht sind. Auch sie sind im Rotwelsch ziemlich häufig anzutreffen,<lb/> wie es denn überhaupt Begriffsumschreibuugen durch Eigennamen gern verwendet.<lb/> Zwar ist diese interessante Erscheinung, die dem allgemeinen Triebe des Volksgeistes<lb/> entspricht, sich möglichst an das Anschauliche zu halten, keineswegs bloß ans unsre<lb/> Gaunersprache beschränkt geblieben, vielmehr sowohl im gewöhnlichen Deutsch als<lb/> "»es bei andern Nationen anzutreffen, sie hat aber bei unsern Gaunern ohne Zweifel<lb/> eine ganz besonders starke Ausprägung erhalten, sodaß es sich schon verlohnt, etwas<lb/> länger bet ihr zu verweilen. Auszuscheiden sind dabei übrigens von vornherein<lb/> einzelne Fälle, wo es sich nicht um wirkliche, sondern nur um scheinbare, nach Art<lb/> der „Volksetymologie" aus Fremdwörtern zurecht gemachte Namen handelt. Hierher<lb/> gehören zum Beispiel Kaspar oder Kasper für Betrüger. Lügner (meist nur in<lb/> Zusammensetzungen gebraucht), vom rotwelschen Zeitwort kaspern, das wohl auf<lb/> das hebräische Ka^b, belügen, zurückgeht, Schaber-Barthel für Brecheisen (vom<lb/> hebr. sodSdar, brechen und wrssl, Eisen), „(alter) Fritze" oder „roter Fritze" für<lb/> die Schminke (wohl von Friede, ltalien. kritw, zu kiiZAsro, lat. krixsrs, rösten,<lb/> dörren, in der Kunstsprache der Glasbläser: Vermischung der zum Glase nötigen<lb/> Materialien und Färbestoffe) u. a. in.; namentlich ist aber noch des Wortes „Johann"<lb/> Su gedenken, das in den rotwelschen Wörtersammlungen überaus häufig, und zwar<lb/> in allen möglichen Variationen, von der vollen Form „Johannes" über „Joachim"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0533]
Gemeinsprache gewisse Geräte aus diese Weise bezeichnen, also zum Beispiel von einem
„Bohrer," „Nußknacker," „Operngucker" oder „Feldstecher," ja sogar von einem
„stummen Diener" sprechen oder eine bestimmte Waffe einen „Totschläger" nennen,
so auch die Gauner. Bei ihnen bedeutet zum Beispiel Nußknacker eine Ölmühle.
Totmacher das Beil. Roller (zuweilen) den Schubkarren, Feldschaberer den
Pflug. Landläufer den Wagen. Disputierer ist ein gaunerischer Kunstausdruck
für die lange Stange zum Stehlen durch Fenster und Gitter oder zur Vermittlung
unerlaubten Verkehrs in den Gefängnissen. Jadschacherer oder Jadschocher (wohl
von jüd. ^et, Hand und ..schachern," handeln, stehlen) oder Schwarzmoser, d. h.
eigentl. der schwarze Verräter (jüd. mossor) sind solche für das Brecheisen zum Öffnen
von Verschlüssen. Ja, um jeden Zweifel an der Gleichstellung gewisser Dinge mit den
Menschen auszuschließen, hat man gern zu Verbindungen mit dem Worte „Mann"
gegriffen, die sich im Rotwelsch übrigens anch sonst noch (zur Bezeichnung von
lebenden Wesen, Tieren wie Menschen) nicht weniger Beliebtheit erfreuen als im
Deutschen überhaupt. So sind nach dem Vorgange von Zwickmann, der Henker
(wohl nach dem Zwicken mit glühenden Zangen; vgl. auch Zwickers, Hammer und
Scharfrichter, „Meister Hämmerlein"), Baumelmann oder Bammelmann, der
Gehängte, Plattmann, der Landmann (wohl vom „Platten Lande"), Trappel¬
mann, das Pferd, Bartmann, der Bock (vgl. auch in span. xsrmMia: darwäo)
u. a. in. zahlreiche Personifikationen von Sachen, ja sogar von abstrakten Begriffen
geschaffen worden. Schon der I^ibor Vaxatorum verzeichnet deren zwei: das frivole
..Butzeilman" (d. h. Butzemann, Possen- oder Spaßmacher) für „Zagel" (penis)
und das jüdisch-deutsche „Dolman" für „Galg," Galgen (später auch Thalmann
vom jüd. WIv, rotw. taljenen, talgen, totum usw., aufhängen, henken). In den
spätern Sammlungen begegnen uns öfter namentlich: Obermann, der Hut, die
Mütze, auch wohl der Boden, Speicher (dagegen: Ubermann, Überzieher bei den
Berliner Gaunern), Erdmann, der (irdne) Topf. Feldmann. der Pflug (Feld-
mandl, die Egge), Ellenmänner, die Schuhe, weiter auch Krachmann oder
Krackelmann, die Nuß. Dickmann, das El, Grünmann oder Duftimann,
der Frühling (vgl. im nat. ?orxo: it v«ra<z, April, 1'ocloivLo, der Mai. und im
engl. Cent: 1iAbtwg.it, Tag, ciarkm-in, Nacht u. a. in.). ja vereinzelt findet sich sogar
der Begriff „das gerichtliche Verhör" durch „Frechmann" wiedergegeben, weil in
Hin ein richtiger Gauner ja meist frech zu leugnen pflegt.
ererücktouaenereinenuns
Nochmals um einen Grad menschlich näh g szsg
endlich die Ausdrücke für unbeseelte Wesen, die mit bestimmten Personennamen in
Verbindung gebracht sind. Auch sie sind im Rotwelsch ziemlich häufig anzutreffen,
wie es denn überhaupt Begriffsumschreibuugen durch Eigennamen gern verwendet.
Zwar ist diese interessante Erscheinung, die dem allgemeinen Triebe des Volksgeistes
entspricht, sich möglichst an das Anschauliche zu halten, keineswegs bloß ans unsre
Gaunersprache beschränkt geblieben, vielmehr sowohl im gewöhnlichen Deutsch als
"»es bei andern Nationen anzutreffen, sie hat aber bei unsern Gaunern ohne Zweifel
eine ganz besonders starke Ausprägung erhalten, sodaß es sich schon verlohnt, etwas
länger bet ihr zu verweilen. Auszuscheiden sind dabei übrigens von vornherein
einzelne Fälle, wo es sich nicht um wirkliche, sondern nur um scheinbare, nach Art
der „Volksetymologie" aus Fremdwörtern zurecht gemachte Namen handelt. Hierher
gehören zum Beispiel Kaspar oder Kasper für Betrüger. Lügner (meist nur in
Zusammensetzungen gebraucht), vom rotwelschen Zeitwort kaspern, das wohl auf
das hebräische Ka^b, belügen, zurückgeht, Schaber-Barthel für Brecheisen (vom
hebr. sodSdar, brechen und wrssl, Eisen), „(alter) Fritze" oder „roter Fritze" für
die Schminke (wohl von Friede, ltalien. kritw, zu kiiZAsro, lat. krixsrs, rösten,
dörren, in der Kunstsprache der Glasbläser: Vermischung der zum Glase nötigen
Materialien und Färbestoffe) u. a. in.; namentlich ist aber noch des Wortes „Johann"
Su gedenken, das in den rotwelschen Wörtersammlungen überaus häufig, und zwar
in allen möglichen Variationen, von der vollen Form „Johannes" über „Joachim"
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