Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Lhamberlains britische Reichspolitik Sitz und Stimme im englischen Parlament und in der Regierung, die die Das sind die Anschauungen, über die man streitet, und die Fragen sind Damit siud wir bei der Reichspolitik Chamberlains angekommen. Was Grenzboten III 1904 4^
Lhamberlains britische Reichspolitik Sitz und Stimme im englischen Parlament und in der Regierung, die die Das sind die Anschauungen, über die man streitet, und die Fragen sind Damit siud wir bei der Reichspolitik Chamberlains angekommen. Was Grenzboten III 1904 4^
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294744"/> <fw type="header" place="top"> Lhamberlains britische Reichspolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_1404" prev="#ID_1403"> Sitz und Stimme im englischen Parlament und in der Regierung, die die<lb/> Reichspolitik machen, deren Folgen auch die Kolonien tragen müssen. Andrer¬<lb/> seits tragen die Kolonien nur sehr unwesentlich zu den Kosten des englischen<lb/> Heeres und der Marine bei, die zum großen Teil des Schutzes der Kolonien<lb/> wegen da sind. Die Einsicht, daß in diesen Gedanken in der Tat viel richtiges<lb/> enthalten war, brach sich immer mehr Bahn, unterstützt von den Kongressen<lb/> der reichsbritischen Handelskammern und den Kolvnicilkouferenzen; auch Lord<lb/> Rosebery hat sie gelegentlich verfochten, und bald griffen die Erörterungen<lb/> gegen den Willen der Iinvsrikü ?öÄAÄtion I^sitAus, die ja nur für den poli¬<lb/> tischen Zusammenschluß des Reiches arbeitet, auch auf die handelpolitische Seite<lb/> über, und sie mußten dahin übergreifen, da, wie W. A. Hewins einmal richtig<lb/> sagt, eine imperialistische Politik, losgelöst von der Gewerbe-, Handels- und<lb/> Unterrichtspolitik, von vornherein in dem Zeichen des Mißerfolges steht. Man<lb/> forderte auf der einen Seite eine Zollunion des Mutterlandes mit den<lb/> Kolonien, auf der andern Seite wollte man die besondre Zollpolitik der<lb/> Kolonien bestehn lassen und nur einen Reichszuschlagzoll überall von allen<lb/> fremden Waren erheben, der in die Kasse des Reiches fließen, und aus dessen<lb/> Ertrag die Reichsverteidigung bezahlt werden sollte (Vorschlag von dem Führer<lb/> der Afrikanderpartei Jan Hendrick Hofmeyr). Zu diesen Vorschlägen trat ein<lb/> dritter, daß England Schutzzölle einführen und den Kolonien auf diese einen<lb/> Nachlaß bewilligen sollte, wahrend andrerseits die Kolonien England Zollbe¬<lb/> günstigungen einräumen, sei es, daß sie den fremden Ländern gegenüber ihre<lb/> Zölle noch weiter erhöhen und sie nur für England auf dem alten Stande<lb/> lassen, sei es, daß die Kolonien auf die bestehenden Zölle England einen<lb/> Nachlaß gewähren. Dieser letzte Vorschlag wird von der Ilnitkä Lmpirs Ir^as<lb/> I^SÄgnö, die sich aus der Imxgrial ?säorg.lion I^es-Zus bildete, verfochten, und<lb/> Salisbury selbst hat sie darauf verwiesen, für diesen Gedanken die Massen zu<lb/> gewinnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1405"> Das sind die Anschauungen, über die man streitet, und die Fragen sind<lb/> besonders wieder in Fluß gekommen, seit Kanada England gezwungen hat, die<lb/> Handelverträge mit Deutschland und Belgien zu kündigen, und dadurch, daß<lb/> es England tatsächlich Vorzugzölle gewährte, in einen nun schon seit 1898<lb/> dauernden Zollkrieg mit Deutschland geriet; sie sind neu wieder ausgelebt, seit¬<lb/> dem Chamberlain das Kolonialministerium übernommen hatte und sofort eine<lb/> Politik energischer, positiver Förderung der Kolonien begann. Diese Politik<lb/> der gegenseitigen Bevorzugung zwischen England und seinen Kolonien vor dem<lb/> Auslande ist auch die, die die letzte Konferenz der Kolonialminister, die bei<lb/> der Thronbesteigung Eduards des Siebenten in London tagte, zu der ihrigen<lb/> gemacht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1406" next="#ID_1407"> Damit siud wir bei der Reichspolitik Chamberlains angekommen. Was<lb/> meine Ansftthrnngen beweisen sollten, ist weiter nichts, als daß Chamberlain<lb/> nicht etwa mit einer neuen Entdeckung vor das Volk tritt, mit neuen Mitteln,<lb/> die England retten könnten, sondern daß er dieselben Gedanken vertritt, die<lb/> schon jahrzehntelang breite Schichten des englischen Volkes beschäftigen, und<lb/> die schon von allen Seiten beleuchtet sind. Neu ist uur das gewaltige Feuer'</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1904 4^</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0327]
Lhamberlains britische Reichspolitik
Sitz und Stimme im englischen Parlament und in der Regierung, die die
Reichspolitik machen, deren Folgen auch die Kolonien tragen müssen. Andrer¬
seits tragen die Kolonien nur sehr unwesentlich zu den Kosten des englischen
Heeres und der Marine bei, die zum großen Teil des Schutzes der Kolonien
wegen da sind. Die Einsicht, daß in diesen Gedanken in der Tat viel richtiges
enthalten war, brach sich immer mehr Bahn, unterstützt von den Kongressen
der reichsbritischen Handelskammern und den Kolvnicilkouferenzen; auch Lord
Rosebery hat sie gelegentlich verfochten, und bald griffen die Erörterungen
gegen den Willen der Iinvsrikü ?öÄAÄtion I^sitAus, die ja nur für den poli¬
tischen Zusammenschluß des Reiches arbeitet, auch auf die handelpolitische Seite
über, und sie mußten dahin übergreifen, da, wie W. A. Hewins einmal richtig
sagt, eine imperialistische Politik, losgelöst von der Gewerbe-, Handels- und
Unterrichtspolitik, von vornherein in dem Zeichen des Mißerfolges steht. Man
forderte auf der einen Seite eine Zollunion des Mutterlandes mit den
Kolonien, auf der andern Seite wollte man die besondre Zollpolitik der
Kolonien bestehn lassen und nur einen Reichszuschlagzoll überall von allen
fremden Waren erheben, der in die Kasse des Reiches fließen, und aus dessen
Ertrag die Reichsverteidigung bezahlt werden sollte (Vorschlag von dem Führer
der Afrikanderpartei Jan Hendrick Hofmeyr). Zu diesen Vorschlägen trat ein
dritter, daß England Schutzzölle einführen und den Kolonien auf diese einen
Nachlaß bewilligen sollte, wahrend andrerseits die Kolonien England Zollbe¬
günstigungen einräumen, sei es, daß sie den fremden Ländern gegenüber ihre
Zölle noch weiter erhöhen und sie nur für England auf dem alten Stande
lassen, sei es, daß die Kolonien auf die bestehenden Zölle England einen
Nachlaß gewähren. Dieser letzte Vorschlag wird von der Ilnitkä Lmpirs Ir^as
I^SÄgnö, die sich aus der Imxgrial ?säorg.lion I^es-Zus bildete, verfochten, und
Salisbury selbst hat sie darauf verwiesen, für diesen Gedanken die Massen zu
gewinnen.
Das sind die Anschauungen, über die man streitet, und die Fragen sind
besonders wieder in Fluß gekommen, seit Kanada England gezwungen hat, die
Handelverträge mit Deutschland und Belgien zu kündigen, und dadurch, daß
es England tatsächlich Vorzugzölle gewährte, in einen nun schon seit 1898
dauernden Zollkrieg mit Deutschland geriet; sie sind neu wieder ausgelebt, seit¬
dem Chamberlain das Kolonialministerium übernommen hatte und sofort eine
Politik energischer, positiver Förderung der Kolonien begann. Diese Politik
der gegenseitigen Bevorzugung zwischen England und seinen Kolonien vor dem
Auslande ist auch die, die die letzte Konferenz der Kolonialminister, die bei
der Thronbesteigung Eduards des Siebenten in London tagte, zu der ihrigen
gemacht hat.
Damit siud wir bei der Reichspolitik Chamberlains angekommen. Was
meine Ansftthrnngen beweisen sollten, ist weiter nichts, als daß Chamberlain
nicht etwa mit einer neuen Entdeckung vor das Volk tritt, mit neuen Mitteln,
die England retten könnten, sondern daß er dieselben Gedanken vertritt, die
schon jahrzehntelang breite Schichten des englischen Volkes beschäftigen, und
die schon von allen Seiten beleuchtet sind. Neu ist uur das gewaltige Feuer'
Grenzboten III 1904 4^
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