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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Gräfin Susanna

Vor ihrer Abreise im vorigen Herbst haben wir alles miteinander ausgemacht. In
London wohne ich bet ihr, in ihrem Hause, und dann begleitet sie mich nach
Craford -- sie interessiert sich ungemein für meinen Vetter und sagt, das sei die
romantischste, ergreifendste Geschichte, die sie je gehört habe. Und sie ist ganz
damit einverstanden, daß ich wünsche, Freundschaft mit ihm zu schließen und ihm
auf irgend eine Weise eine Entschädigung anzubieten.

Der Commendatore rannte aufgeregt hin und her, war aber doch zu höflich
und zu formell, als daß er das junge Madchen unterbrochen hätte.

Nun aber polterte er wütend: Zum Kuckuck mit dieser naseweisen Engländerin!
Was braucht sie sich da einzumischen! Die ganze Sache geht sie reinen Pfifferling
an! Ein junges Mädchen in einer solchen Verrücktheit, der Ausgeburt eines Sonnen¬
stichs, auch noch zu bestärken! Ein junges Mädchen! Ach Gott, was sage ich da!
Ein junges Mädchen, daß Gott erbarm! Eine wilde Hummel! Eine Range!
Was, und du willst von hier bis London ohne Anstandsdame reisen? Und Bücher...
Französische Romane! Brrr! Ich wünsche nur, du hättest überhaupt nie lesen
gelernt! Es ist überhaupt abgeschmackt und mehr als dumm, Weiber das Lesen
lernen zu lassen. Was kommt denn bei ihrer Leserei Gutes heraus? Ich sage
dir, du Verdienst . . . auf mein Wort, du Verdienst . . . Hin! nun ja! Einerlei. . .
Ah! ?or oorxo al Laoeo!

Verzweifelt rang er die Hände.

Ein junges Mädchen, das reine Kind, rief er zum Himmel hinauf, ein reines
Kind, ein unzurechnungsfähiges Waisenkind! Und niemand hat das Recht, Ein¬
sprache zu erheben!

Susanna warf sich in die Brust.

Jung? rief sie. Das reine Kind? Ich! Gott steh mir bei -- ich bin zwei¬
undzwanzig I

Sie sprach diese Worte mit so gewichtiger Betonung aus, als wolle sie in
gutem Glauben versichern, sie sei fünfzig.

Du kannst nicht im Ernst den Vorwurf gegen mich erheben, ich sei jung, er¬
klärte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Ich bin zweiundzwanzig!
Zweiundzwanzig lange Jahre alt! Und ach, vio mW! ich sehe sogar noch viel
älter aus. Mau kann mich leicht für fünfundzwanzig halten. Übrigens, fügte sie,
wie einer plötzlichen Eingebung gehorchend, eifrig hinzu, will ich den Leuten gern
sagen, ich sei fünfundzwanzig, falls dir dies die mindeste Beruhigung gewährt.
Siehst du!

Wieder sah sie ihn schmelzend an und fuhr schmeichelnd fort: Das kann ich
dir wohl sagen: ich würde nicht jedem Mann anbieten, drei der besten Jahre
meines Lebens für ihn zu opfern und um seinetwillen eine Lüge zu sagen.

Damit warf sie den Kopf in den Nacken und blieb herausfordernd stehn.

Sehe ich nicht aus, als ob ich fünfundzwanzig wäre? fragte sie. Hättest dn
nicht das Glück, dich meiner nähern persönlichen Bekanntschaft zu erfreuen, so kämest
du vielleicht gar nicht auf deu Gedanken, daß ich das sei, was du ein "junges
Mädchen" nennst. Sage nur selbst: würdest du nicht überall herumfrageu, wer
diese hübsche, gewandte und so vorzüglich angezogne junge Frau sei?

In der Tat machte sie mit ihrer schlanken und doch üppigen Gestalt, mit
ihrer heitern Lebhaftigkeit, mit ihrer Charakterfestigkeit und Entschiedenheit, mit dem
Ernst, der unter dem oberflächlichen Frohsinn durchschimmerte, und -- nicht zum
wenigsten -- mit ihren warmen, südlichen Farben und dem üppigen schwarzen
Haar einen ältern Eindruck. Es lag nichts Unfertiges, nichts Unreifes weder in
ihrem Wesen noch in ihrem Äußern. Im Verein mit jugendlicher Frische fand sich
bei ihr die Kraft, Haltung und Sicherheit, die man sonst nur bei reifern Frauen
zu suchen pflegt. Mochte mau sie nun aber auf zweiundzwanzig oder fünfund-
zwanzig Jahre schätzen: jedenfalls war sie ein vollkommnes, vornehmes, rassiges
Menschenkind, in dessen Adern das Blut feurig kreiste, und dessen lebhafter Geist


Gräfin Susanna

Vor ihrer Abreise im vorigen Herbst haben wir alles miteinander ausgemacht. In
London wohne ich bet ihr, in ihrem Hause, und dann begleitet sie mich nach
Craford — sie interessiert sich ungemein für meinen Vetter und sagt, das sei die
romantischste, ergreifendste Geschichte, die sie je gehört habe. Und sie ist ganz
damit einverstanden, daß ich wünsche, Freundschaft mit ihm zu schließen und ihm
auf irgend eine Weise eine Entschädigung anzubieten.

Der Commendatore rannte aufgeregt hin und her, war aber doch zu höflich
und zu formell, als daß er das junge Madchen unterbrochen hätte.

Nun aber polterte er wütend: Zum Kuckuck mit dieser naseweisen Engländerin!
Was braucht sie sich da einzumischen! Die ganze Sache geht sie reinen Pfifferling
an! Ein junges Mädchen in einer solchen Verrücktheit, der Ausgeburt eines Sonnen¬
stichs, auch noch zu bestärken! Ein junges Mädchen! Ach Gott, was sage ich da!
Ein junges Mädchen, daß Gott erbarm! Eine wilde Hummel! Eine Range!
Was, und du willst von hier bis London ohne Anstandsdame reisen? Und Bücher...
Französische Romane! Brrr! Ich wünsche nur, du hättest überhaupt nie lesen
gelernt! Es ist überhaupt abgeschmackt und mehr als dumm, Weiber das Lesen
lernen zu lassen. Was kommt denn bei ihrer Leserei Gutes heraus? Ich sage
dir, du Verdienst . . . auf mein Wort, du Verdienst . . . Hin! nun ja! Einerlei. . .
Ah! ?or oorxo al Laoeo!

Verzweifelt rang er die Hände.

Ein junges Mädchen, das reine Kind, rief er zum Himmel hinauf, ein reines
Kind, ein unzurechnungsfähiges Waisenkind! Und niemand hat das Recht, Ein¬
sprache zu erheben!

Susanna warf sich in die Brust.

Jung? rief sie. Das reine Kind? Ich! Gott steh mir bei — ich bin zwei¬
undzwanzig I

Sie sprach diese Worte mit so gewichtiger Betonung aus, als wolle sie in
gutem Glauben versichern, sie sei fünfzig.

Du kannst nicht im Ernst den Vorwurf gegen mich erheben, ich sei jung, er¬
klärte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Ich bin zweiundzwanzig!
Zweiundzwanzig lange Jahre alt! Und ach, vio mW! ich sehe sogar noch viel
älter aus. Mau kann mich leicht für fünfundzwanzig halten. Übrigens, fügte sie,
wie einer plötzlichen Eingebung gehorchend, eifrig hinzu, will ich den Leuten gern
sagen, ich sei fünfundzwanzig, falls dir dies die mindeste Beruhigung gewährt.
Siehst du!

Wieder sah sie ihn schmelzend an und fuhr schmeichelnd fort: Das kann ich
dir wohl sagen: ich würde nicht jedem Mann anbieten, drei der besten Jahre
meines Lebens für ihn zu opfern und um seinetwillen eine Lüge zu sagen.

Damit warf sie den Kopf in den Nacken und blieb herausfordernd stehn.

Sehe ich nicht aus, als ob ich fünfundzwanzig wäre? fragte sie. Hättest dn
nicht das Glück, dich meiner nähern persönlichen Bekanntschaft zu erfreuen, so kämest
du vielleicht gar nicht auf deu Gedanken, daß ich das sei, was du ein „junges
Mädchen" nennst. Sage nur selbst: würdest du nicht überall herumfrageu, wer
diese hübsche, gewandte und so vorzüglich angezogne junge Frau sei?

In der Tat machte sie mit ihrer schlanken und doch üppigen Gestalt, mit
ihrer heitern Lebhaftigkeit, mit ihrer Charakterfestigkeit und Entschiedenheit, mit dem
Ernst, der unter dem oberflächlichen Frohsinn durchschimmerte, und — nicht zum
wenigsten — mit ihren warmen, südlichen Farben und dem üppigen schwarzen
Haar einen ältern Eindruck. Es lag nichts Unfertiges, nichts Unreifes weder in
ihrem Wesen noch in ihrem Äußern. Im Verein mit jugendlicher Frische fand sich
bei ihr die Kraft, Haltung und Sicherheit, die man sonst nur bei reifern Frauen
zu suchen pflegt. Mochte mau sie nun aber auf zweiundzwanzig oder fünfund-
zwanzig Jahre schätzen: jedenfalls war sie ein vollkommnes, vornehmes, rassiges
Menschenkind, in dessen Adern das Blut feurig kreiste, und dessen lebhafter Geist


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[0303] Gräfin Susanna Vor ihrer Abreise im vorigen Herbst haben wir alles miteinander ausgemacht. In London wohne ich bet ihr, in ihrem Hause, und dann begleitet sie mich nach Craford — sie interessiert sich ungemein für meinen Vetter und sagt, das sei die romantischste, ergreifendste Geschichte, die sie je gehört habe. Und sie ist ganz damit einverstanden, daß ich wünsche, Freundschaft mit ihm zu schließen und ihm auf irgend eine Weise eine Entschädigung anzubieten. Der Commendatore rannte aufgeregt hin und her, war aber doch zu höflich und zu formell, als daß er das junge Madchen unterbrochen hätte. Nun aber polterte er wütend: Zum Kuckuck mit dieser naseweisen Engländerin! Was braucht sie sich da einzumischen! Die ganze Sache geht sie reinen Pfifferling an! Ein junges Mädchen in einer solchen Verrücktheit, der Ausgeburt eines Sonnen¬ stichs, auch noch zu bestärken! Ein junges Mädchen! Ach Gott, was sage ich da! Ein junges Mädchen, daß Gott erbarm! Eine wilde Hummel! Eine Range! Was, und du willst von hier bis London ohne Anstandsdame reisen? Und Bücher... Französische Romane! Brrr! Ich wünsche nur, du hättest überhaupt nie lesen gelernt! Es ist überhaupt abgeschmackt und mehr als dumm, Weiber das Lesen lernen zu lassen. Was kommt denn bei ihrer Leserei Gutes heraus? Ich sage dir, du Verdienst . . . auf mein Wort, du Verdienst . . . Hin! nun ja! Einerlei. . . Ah! ?or oorxo al Laoeo! Verzweifelt rang er die Hände. Ein junges Mädchen, das reine Kind, rief er zum Himmel hinauf, ein reines Kind, ein unzurechnungsfähiges Waisenkind! Und niemand hat das Recht, Ein¬ sprache zu erheben! Susanna warf sich in die Brust. Jung? rief sie. Das reine Kind? Ich! Gott steh mir bei — ich bin zwei¬ undzwanzig I Sie sprach diese Worte mit so gewichtiger Betonung aus, als wolle sie in gutem Glauben versichern, sie sei fünfzig. Du kannst nicht im Ernst den Vorwurf gegen mich erheben, ich sei jung, er¬ klärte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Ich bin zweiundzwanzig! Zweiundzwanzig lange Jahre alt! Und ach, vio mW! ich sehe sogar noch viel älter aus. Mau kann mich leicht für fünfundzwanzig halten. Übrigens, fügte sie, wie einer plötzlichen Eingebung gehorchend, eifrig hinzu, will ich den Leuten gern sagen, ich sei fünfundzwanzig, falls dir dies die mindeste Beruhigung gewährt. Siehst du! Wieder sah sie ihn schmelzend an und fuhr schmeichelnd fort: Das kann ich dir wohl sagen: ich würde nicht jedem Mann anbieten, drei der besten Jahre meines Lebens für ihn zu opfern und um seinetwillen eine Lüge zu sagen. Damit warf sie den Kopf in den Nacken und blieb herausfordernd stehn. Sehe ich nicht aus, als ob ich fünfundzwanzig wäre? fragte sie. Hättest dn nicht das Glück, dich meiner nähern persönlichen Bekanntschaft zu erfreuen, so kämest du vielleicht gar nicht auf deu Gedanken, daß ich das sei, was du ein „junges Mädchen" nennst. Sage nur selbst: würdest du nicht überall herumfrageu, wer diese hübsche, gewandte und so vorzüglich angezogne junge Frau sei? In der Tat machte sie mit ihrer schlanken und doch üppigen Gestalt, mit ihrer heitern Lebhaftigkeit, mit ihrer Charakterfestigkeit und Entschiedenheit, mit dem Ernst, der unter dem oberflächlichen Frohsinn durchschimmerte, und — nicht zum wenigsten — mit ihren warmen, südlichen Farben und dem üppigen schwarzen Haar einen ältern Eindruck. Es lag nichts Unfertiges, nichts Unreifes weder in ihrem Wesen noch in ihrem Äußern. Im Verein mit jugendlicher Frische fand sich bei ihr die Kraft, Haltung und Sicherheit, die man sonst nur bei reifern Frauen zu suchen pflegt. Mochte mau sie nun aber auf zweiundzwanzig oder fünfund- zwanzig Jahre schätzen: jedenfalls war sie ein vollkommnes, vornehmes, rassiges Menschenkind, in dessen Adern das Blut feurig kreiste, und dessen lebhafter Geist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/303>, abgerufen am 26.06.2024.